Wer Vollzeit arbeitet und Angehörige pflegt, erhält keine zusätzlichen Rentenpunkte: Teilzeitarbeitende, die auch pflegen, dagegen schon.
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Wer Vollzeit arbeitet und Angehörige pflegt, erhält keine zusätzlichen Rentenpunkte: Teilzeitarbeitende, die auch pflegen, dagegen schon.

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Pflege neben Vollzeitjob: Keine zusätzlichen Rentenpunkte

Pflege neben Vollzeitjob: Keine zusätzlichen Rentenpunkte

"Familie" heißt der größte Pflegedienst der Nation. Denn in Deutschland wird die Mehrheit der fast fünf Millionen Pflegebedürftigen zuhause gepflegt. Dafür gibt es zusätzliche Rentenpunkte. Doch wer voll arbeitet und trotzdem pflegt, geht leer aus.

Wer Vollzeit arbeitet und Angehörige pflegt, erhält keine zusätzlichen Rentenpunkte. Ein Beispiel dafür ist Gertraud Schlagbauer aus Ingolstadt. Die 52-Jährige arbeitet Vollzeit in einer Gärtnerei - und fast genauso viel Zeit verbringt sie mit der Pflege ihrer dementen Mutter. Drei ihrer Schwestern unterstützen Gertraud Schlagbauer. Doch sie wohnen verstreut über Bayern, in Regensburg, in Waging am See, bei München. Weil diese drei Schwestern weniger als 30 Stunden arbeiten, zahlt die Pflegeversicherung für sie zusätzliche Rentenpunkte.

Gertraud Schlagbauer, die als Einzige wie ihre Mutter in Ingolstadt wohnt und damit die Hauptlast der Pflege trägt, geht leer aus. Der Grund: Sie arbeitet Vollzeit und hat damit laut Gesetz keinen Anspruch auf zusätzliche Rentenpunkte.

Ungleichbehandlung im Sozialgesetzbuch festgeschrieben

Wer Anspruch auf zusätzliche Rentenpunkte hat, ist im elften Sozialgesetzbuch geregelt. Es enthält die Vorschriften für die soziale Pflegeversicherung in Deutschland. Paragraf 44 SGB XI legt fest, welche pflegenden Angehörigen als Pflegeperson in der Rentenversicherung versichert werden und damit dann auch Rentenpunkte erhalten. Darunter fallen Familienmitglieder, die sich um einen Menschen mit mindestens Pflegegrad 2 kümmern - und das mindestens zehn Stunden die Woche.

Festgeschrieben ist dort auch, dass der Anspruch auf Rentenpunkte nur für Personen besteht, die nicht mehr als 30 Stunden in ihrem Beruf arbeiten. Damit gehen Menschen wie die vollzeitbeschäftigte Gertraud Schlagbauer leer aus, auch wenn sie noch mal genauso viel Zeit in die Pflege stecken.

Die vier Schwestern Schlagbauer wollen das nicht länger hinnehmen und wenden sich an viele Politiker. Zwar erhalten sie viel Anerkennung, doch keine Abhilfe. Tenor: Wer Vollzeit arbeitet, sorgt schon selbst ausreichend für seine Versorgung im Alter.

Reaktionen aus dem Bundesgesundheitsministerium

Im Vordergrund dieser Regelung stehe die Altersversorgung der Pflegepersonen, die wegen der Pflegetätigkeit auf eine Berufsausübung verzichten oder diese in erheblichem Umfang reduzieren, so eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums. Der Grund: "Diese Personen haben zunächst einen Verdienstausfall wegen der Pflege und erleiden durch die Aufgabe oder Reduzierung der Erwerbstätigkeit auch später noch Nachteile in ihrer Alterssicherung, die durch die Beitragszahlungen der Pflegeversicherung zur Rentenversicherung ausgeglichen oder zumindest abgemildert werden sollen."

Mit der 30-Stunden-Grenze habe der Gesetzgeber also festgelegt, bis wohin er die Notwendigkeit einer Alterssicherung als Leistung der Pflegeversicherung sieht.

VdK: Arbeitszeit darf keine Rolle spielen

Die vier Schwestern erhalten Rückendeckung vom Sozialverband VdK. Geht es nach dem VdK, darf bei der Frage, ob Pflegepersonen Rentenpunkte erhalten, die Arbeitszeit keine Rolle spielen.

"Die Pflegezeiten müssen unabhängig vom Erwerbsstatus der pflegenden Person angerechnet werden. Dementsprechend muss die derzeit geltende Voraussetzung für den Anspruch wegfallen, dass pflegende Angehörige ihre wöchentliche Arbeitszeit auf 30 Stunden reduzieren." VdK Bayern

Minimale Erhöhung durch zusätzliche Rentenpunkte

Nach den Erfahrungen des VdK erhöhen die zusätzlichen Rentenpunkte die Altersbezüge der pflegenden Angehörigen "in den meisten Fällen eher gering". Wie viele Rentenpunkte pflegende Angehörige durch die Pflege erhalten, hängt vom Pflegegrad der pflegebedürftigen Person, vom Umfang der geleisteten häuslichen Pflege und von der Nutzung eines Pflegedienstes ab. Je mehr professionelle Hilfe in Anspruch genommen wird, desto weniger Rentenpunkte gibt es – so der Leitspruch. Der Verband appelliert deshalb dringend an die Bundesregierung, pflegende Angehörige finanziell besser abzusichern und das Armutsrisiko zu bekämpfen.

"Pflegende Angehörige müssen jetzt im Mittelpunkt einer Reform stehen. Das Ziel muss sein, dass sie finanziell besser abgesichert werden und für ihre Arbeit einen Lohn erhalten." VdK

Bei der Frage der Bezahlung von pflegenden Angehörigen verweist das Bundesgesundheitsministerium auf den aktuellen Koalitionsvertrag. Dort stehe, dass die Ampel "die Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetze weiterentwickeln möchte, auch durch eine Lohnersatzleistung im Falle pflegebedingter Auszeiten." Eine entsprechende Reform steht jedoch noch aus. "Über die konkrete Form der Umsetzung ist noch zu entscheiden", heißt es dazu weiter aus Berlin.

2,10 Euro mehr Rente für ein Jahr häusliche Pflege

Während Gesetze zur besseren finanziellen Absicherung in Berlin also noch in der Planung sind, hat Petra Schlagbauer vor Kurzem bei der Rentenversicherung erfragt, wie viel genau die zusätzlichen Rentenpunkte zu ihrer Alterssicherung beitragen.

Sie pflegt ihre Mutter im Schnitt zehn Stunden die Woche: "Die Zeit seit 2020 bis jetzt machen eben 2,10 Euro aus", hat ihr die Rentenversicherung am Telefon vorgerechnet. Die zusätzliche Absicherung über das elfte Sozialgesetzbuch fällt damit übersichtlich aus. Dennoch würde sich auch die vollzeitarbeitende Gertraud Schlagbauer über jeden Euro mehr im Alter freuen. Als Gärtnerin erwartet sie keine allzu üppigen Altersbezüge. Zuallererst geht es ihr jedoch um die Wertschätzung, so Gertraud Schlagbauer: "Mir geht es ums Prinzip. Um die Anerkennung."

VdK fordert Lohn für pflegende Angehörige

Wie notwendig auch der finanzielle Aspekt ist, zeigt eine Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW Berlin). Danach ist jeder fünfte pflegende Angehörige armutsgefährdet. Bei pflegenden Frauen ist es jede vierte. Das DIW Berlin berechnete im Auftrag des VdK, dass sowohl ein Lohnersatz als auch ein fester Lohn für pflegende Angehörige das Armutsrisiko deutlich verringern können. Als einen Weg aus der Armut fordert deshalb VdK-Präsidentin Verena Bentele einen Lohn für pflegende Angehörige.

Nach Angaben des statistischen Bundesamtes leben derzeit 4,9 Millionen pflegebedürftige Menschen in Deutschland, davon 580.000 in Bayern. Der Großteil dieser Menschen, nämlich 3,6 Millionen von ihnen, werden zuhause versorgt. Allein von Angehörigen werden 2,5 Millionen Pflegebedürftige betreut. Im Freistaat erfahren über 270.000 Menschen ausschließlich häusliche Pflege durch ihre Angehörigen. Weit über 80 Prozent der Pflegenden sind Frauen.

Bayerns Gesundheitsminister wünscht sich "Pflegezeit-Geld"

Nach Einschätzung von Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) ist die Pflegeversicherung im Moment "auf Kante genäht". Die häusliche Pflege sorge dafür, dass das System insgesamt überhaupt noch funktioniere. Für die Forderung von Gertraud Schlagbauer, trotz ihrer Vollzeitbeschäftigung zusätzliche Rentenpunkte für ihr Pflegeengagement zu erhalten, hat der Minister Verständnis:

"Ich glaube, dass das so insgesamt nicht okay ist, weil wir natürlich versuchen müssen, dass das System funktioniert, dass Menschen auch in der Pflege eine gewisse Honorierung kriegen für das, was sie tun. Aber im Moment ist das System anders ausgesteuert." Klaus Holetschek, bayerischer Gesundheitsminister

Holetschek verweist darauf, dass die Pflegeversicherung ein Bundesgesetz ist und in Berlin geregelt wird. Er selbst möchte gerne "ein Pflegezeit-Geld einführen analog des Elternzeit-Geldes". Es soll Menschen "für einen gewissen Zeitraum etwas Entlastung bieten". Allerdings müsse man noch "über Details reden".

In Berlin und München gibt es aktuell die Absicht, die Pflege zu reformieren. Bis die Pläne Realität werden, wartet Gertraud Schlagbauer. Und pflegt unterdessen weiter.

In Deutschland wird die überwältigende Mehrheit der fast fünf Millionen Pflegebedürftigen zuhause gepflegt, die meisten davon von Angehörigen.
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In Deutschland wird die überwältigende Mehrheit der fast fünf Millionen Pflegebedürftigen zuhause gepflegt, die meisten davon von Angehörigen.

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