Fehlende Pflegekräfte machen vor allem seit der Corona-Pandemie Kliniken und Heimen schwer zu schaffen. Doch nicht nur dort fehlt das Pflegepersonal. Auch wer zu Hause auf Unterstützung durch Pflegekräfte angewiesen ist, hat es oft schwer. Eine hilfreiche Option kann dabei das sogenannte "Persönliche Budget" sein. Es soll Menschen mit Behinderungen bei Leistungen zur Teilhabe mehr Wahlfreiheit und Selbstbestimmung ermöglichen.
Herausforderung: Häusliche Pflege
In der Früh bei Familie Walser in Königsdorf: Die sechsjährige Katharina ist seit ihrer Geburt schwerstbehindert. Mutter Sonja versorgt Katharina rund um die Uhr, unterstützt wird sie von Intensivpflegekräften – wenn sie welche findet.
"Katharina ist eigentlich schulpflichtig", erklärt Sonja Walser. "Aber wenn keine Intensivpflegerin oder ein Pfleger da ist, dann kann Katharina auch nicht in die Schule gehen." Heute kommt Pflegerin Astrid Grünwald und übernimmt die Tagschicht. Die Kinderkrankenschwester ist mit Notfallmedikamenten ausgerüstet und begleitet Katharina im Rollstuhl in die Schule. "Katharina genießt es jeden Tag, an dem wir gehen können und dürfen. Und sie ist einfach ein Teil der Klasse", beschreibt Astrid Grünwald den Schulalltag.
Personalnot: Plötzlich brach der Pflegedienst weg
Zu Hause nutzt Mutter Sonja jede freie Sekunde für ihre Arbeit an der Hochschule Benediktbeuern. Die studierte Sozialpädagogin schafft das nur mit der Unterstützung von Pflegekräften, denn ihr Mann arbeitet im landwirtschaftlichen Betrieb. 400 Stunden Hilfe von Pflegerinnen und Pflegern stehen ihr im Monat laut Krankenkasse zu. Dann brach ihr von einem Tag auf den anderen einer ihrer zwei Pflegedienste weg – wegen Fachkräftemangels.
"Der Moment der Kündigung, der war richtig heftig", erinnert sich Walser. "In dem Moment hat es mir den Boden unter den Füßen weggezogen. (…) Ich wusste nicht mehr weiter, weil klar war: Ich kann nicht mehr in die Arbeit gehen, Katharina kann nicht in die Schule."
Mangel an Pflegekräften
Das Kinderpalliativteam in München war in dieser akuten Notlage ihr erster Ansprechpartner. Hier sorgt das Team um Leiterin Monika Führer dafür, dass Kinder wie Katharina durch die richtige medizinische Versorgung mehr Lebensqualität erlangen. Der Mangel an Pflegekräften ist auch hier ein Problem, wie Führer bestätigt: "Die Schwierigkeit ist tatsächlich, Pflegende zu finden. Das hat auch mit Finanzierung zu tun zum Teil, aber es hat auch einfach damit zu tun, dass wir gar nicht genug junge Menschen begeistern können für diesen Beruf und es einfach zunehmend fehlt an Pflegekräften."
"Persönliches Budget": Mehr Möglichkeiten, mehr Bürokratie
Auf die Pflegedienste allein kann Sonja Walser nicht mehr setzen. Sie muss selbst aktiv werden. Mit der Krankenkasse hat sie lange um ein sogenanntes "Persönliches Budget" gerungen und dieses ausgehandelt. Nun ist sie auch Arbeitgeber. Ein Ausweg, der aber viel mehr Bürokratie bedeutet, um 280 Pflegestunden zu besetzen. "Erstmal muss ich Leute finden, das ist erst einmal das Wichtigste", erklärt Walser. "Dann muss ich erst einmal gucken: Passt das mit denen? Passen wir zusammen?" Nötig sei zudem eine fachliche Einschätzung und Informationen über einen geeigneten Arbeitsvertrag.
Sonja Walser holt sich Hilfe bei einem Experten für das persönliche Budget. Doch kann sie bei dem derzeitigen Mangel überhaupt Pfleger anwerben? Budgetberater Axel Lankenau bejaht dies, weil diese Art der Pflege für Fachkräfte sehr attraktiv sei. Dadurch, dass nur ein Kind zu versorgen sei und nicht etwa 17 Kinder gleichzeitig. "Es ist einfach etwas anderes, ob ich mich konzentrieren kann auf ein Kind und kann es pflegen und versorgen und renne nicht ständig nur herum und habe Zeit für niemanden", sagt Lankenau.
"Persönliches Budget": Mehr Selbstbestimmtheit
Mit dem "Persönlichen Budget" können zum Beispiel Familien mit einem Kind mit Behinderung die Pflegekräfte selbst anstellen und auch selbst bezahlen. Laut Barmer Ersatzkasse nehmen nur sechs Prozent der Intensiv-Patientinnen und -Patienten mit häuslicher Krankenpflege das "Persönliche Budget" in Anspruch. Denn die Familien müssen dann selbst als Arbeitgeber auftreten und haben deutlich mehr Bürokratie zu erledigen. Auf der anderen Seite bedeutet das auch mehr Unabhängigkeit etwa von Pflegediensten und auch mehr Selbstbestimmtheit, etwa bei der Auswahl der Mitarbeitenden.
Antrag auf das "Persönliche Budget"
Die Leistungsform des "Persönlichen Budgets" gibt es seit 2001. Sie wurde mit dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) eingeführt. Damit können Menschen mit Behinderung anstelle von Dienst- oder Sachleistungen zur Teilhabe ein "Persönliches Budget" wählen. Davon bezahlen sie dann Aufwendungen, die zur Deckung ihres persönlichen Hilfebedarfs erforderlich sind. Informationen zum persönlichen Budget und zur Antragstellung bietet das Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf seiner Internetseite – auch in leichter Sprache.
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