Schon von Weitem leuchtet es blau vom Biogetreidehof der Obermayers. Jeder Quadratmeter Scheunendach ist mit Photovoltaik-Modulen belegt. Ein gewohnter Anblick in Oberbayern. Doch neben dem Hof ziehen sich 600 Meter lange PV-Anlagen durch einen Acker – aufrecht, wie Trennwände. Die Landwirte im Nebenerwerb haben hier die erste sogenannte Agri-Photovoltaik-Anlage in vertikaler Bauweise Deutschlands auf einem Getreideacker installiert. Die Module stehen hier senkrecht.
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Win-win-Situation für Agri-PV?
"Unsere PV-Module ragen 1,20 Meter über den Boden", erklärt Franz Obermayer senior. Zusammen mit seinem Sohn Franz hat er lange an dem Projekt getüftelt. "Wir können dann mit einem Abstand von zwölf Metern pro Reihe eine ganz normale Landwirtschaft betreiben." Die Anlage lasse genug Platz für Getreide und den Bulldog. Und die Sonnenstrahlen scheinen hier auch für vertikale Module zu reichen.
Den Strom speichern die Obermayers zwischen. Neben dem Feld steht ein großer weißer Speicher. "Das heißt also, wir müssen nicht wie die klassische Photovoltaik-Anlage, die auf dem Feld steht, zur Mittagszeit den Hauptstrom irgendwo verscherbeln, sondern können ihn speichern und später abgeben", sagt Franz Obermayer senior. Aus dem Getreide mahlen Vater und Sohn Mehl und quetschen Haferflocken. Eine Win-win-Situation also?
Agri-PV-Experte: "Projekt ein gewisses Risiko"
Malte Stöppler, Agri-PV-Experte beim Technologie- und Förderzentrum TFZ, einer Forschungseinrichtung des Freistaats Bayern, ist gespannt. "Die Forschung zu Agri-PV ist noch ziemlich am Anfang. Das Projekt ist also ein gewisses Risiko." Doch es gibt schon erste horizontale Agri-PV-Anlagen im Hopfen- und Obstbau. Hier zeichnet sich ab, dass die Anlagen sogar Vorteile für die Ernte haben können: Als eine Art Dach über den Pflanzen schützen sie vor Hagel oder sehr starken Regenfällen.
Auch die vertikale Agri-PV-Anlage der Obermayers könnte Vorteile für das Getreide haben. Die Module werfen Schatten, was sich positiv auf den Wasserhaushalt auswirken kann. "Die Feuchtigkeit bleibt besser im Boden", sagt Agri-PV-Experte Malte Stöppler. "Gerade in heißen Jahren profitieren die Pflanzen also von der Anlage."
Bürokratie und Lieferengpässe bremsen Ausbau
Noch ist es aber für Landwirte nicht so einfach, eine Agri-PV-Anlage auf dem Acker zu installieren. Die Obermayers haben mit einigen Rückschlägen gekämpft, vor allem mit Liefermängeln und Bürokratie. Sie mussten Bauanträge stellen und die Stromeinspeisung beantragen, das dauert. Und investiert haben sie auch einiges. In zehn Jahren, so hoffen sie, haben sie das Geld wieder hereingeholt.
Ob sich eine Agri-PV-Anlage auf einem Acker lohnt, kann man laut Malte Stöppler nicht so leicht sagen. Das hänge von vielen verschiedenen Faktoren wie der Sonneinstrahlung und den vorhandenen Maschinen ab. Interessierte Landwirte können sich an seinem Institut, dem Technologie- und Förderzentrum in Straubing, beraten lassen - auch zur Förderungen durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz.
Für die Obermayers ist ihr "Getreidefeld Plus" auch ein Stück weit Idealismus, erklärt der Senior. "Es heißt immer, wir haben hier nicht genug Rohstoffe, aber das stimmt nicht. Wir haben Wind und Strom, und diese Energiequellen müssen wir geschickt nutzen."
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