Im Kern geht es um die Frage, ab wann die bayerische Polizei eingreifen darf. Erst, wenn eine konkrete Gefahr besteht – oder auch schon früher? Wenn es nach der Staatsregierung geht, soll es bereits frühzeitig möglich sein, bei "drohender Gefahr". So hat sie es in Artikel 11a des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG) geschrieben. Grüne, SPD und die Antragsteller einer Popularklage sehen das anders. Was nun rechtens ist, das hat am Mittwoch der Bayerische Verfassungsgerichtshof verhandelt.
Ein begrifflicher Nebel, sagen die Kläger
Laut Gesetz soll die Polizei einschreiten können, wenn "in absehbarer Zeit Angriffe von erheblicher Intensität oder Auswirkung zu erwarten sind". Und zwar auf "bedeutende Rechtsgüter". Dazu gehören laut Gesetz zum Beispiel "die Sicherheit des Landes", "Leben, Gesundheit oder Freiheit", die sexuelle Selbstbestimmung, die kritische Infrastruktur oder Kulturgüter von überregionalem Rang. Die Kläger bezweifeln, dass diese Rechtsgüter ausreichend genau beschrieben sind. Für ähnlich unpräzise halten sie den Begriff der "drohenden Gefahr", der aus ihrer Sicht mindestens eine Stufe unter einer "konkreten Gefahr" steht. Dabei basiere auch die schon auf einer Prognose. Von einem "begrifflichen Nebel" spricht der Vertreter der Grünen, Christoph Degenhart. Das sei zu unbestimmt, unverhältnismäßig und daher verfassungswidrig.
Staatsregierung: Orientieren uns an Karlsruhe
Die Staatsregierung sieht das anders: Die "drohende Gefahr" stelle keinen Paradigmenwechsel dar, sagte deren Prozessvertreter Markus Möstl. Er spricht von einer "konkretisierten Gefahr", die in Bayern eben anders heiße: "Die Polizei weiß vielleicht, dass was passiert – aber nicht wann und wo." Schließlich könne sich immer etwas Unvorhergesehenes ereignen. Bagatellfälle schloss Möstl dabei aus. Der Freistaat orientiere sich an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Grundrechte würden durch das Polizeiaufgabengesetz nicht verfassungswidrig eingeschränkt.
Jahrelanger Streit - Drei Klagen noch in Karlsruhe
Das Schlusswort hatten die Kläger: Ihnen sind die Begriffe nach wie vor zu unkonkret. Sie befürchten, die Schwelle für Polizeieinsätze werde nur weiter herabgesetzt. Der Streit um das Polizeiaufgabengesetz zieht sich seit Jahren – beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe sind dazu zwei weitere Verfassungsbeschwerden und eine Normenkontrollklage anhängig. Wann dort entschieden wird, ist unklar. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof will seine Entscheidung über die strittige "drohende Gefahr" am 13. März verkünden.
Im Video: Polizeieinsatz bei "drohender Gefahr"?
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