Windenergieanlage der "Bürger-Energie Altertheim"
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Eine erste Windenergieanlage hat die "Bürger-Energie Altertheim" bereits gebaut. Sie ging 2015 ans Netz. Nun soll ein weiteres Windrad folgen.

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Probleme beim Netzanschluss: Der lange Weg zum eigenen Windrad

Im unterfränkischen Altertheim plant eine Bürgergenossenschaft eine Windenergieanlage. Bald soll sie ans Netz. Doch die Genossenschaft klagt über Wartezeiten beim Netzbetreiber Bayernwerk. Der spricht von einem "Anschlussboom" – und Verbesserungen.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Ein erstes Windrad dreht sich bereits. Die "Bürger-Energie Altertheim" bringt Erfahrung mit. Bereits 2015 hat die Genossenschaft im Landkreis Würzburg eine Windenergieanlage in Betrieb genommen. Diese kann rund 1.500 Haushalte versorgen. Bald soll es weitergehen. Im kommenden Jahr will die Genossenschaft eine zweite Anlage ans Netz bringen. Doch bei der Genossenschaft wachsen die Sorgen, ob das funktioniert. Grund dafür sei der zuständige Netzbetreiber Bayernwerk.

Genossenschaft kritisiert Netzbetreiber

Wer ein Windrad bauen will, braucht ohnehin einen langen Atem. Etwa drei bis sechs Jahre dauere es von Beginn der Planung bis zum Betrieb, heißt es vom Bundesverband Windenergie. Die Genossenschaft in Altertheim wusste, worauf sie sich einlässt. Genauso das Planungsbüro "EDL Bals", mit dem sie zusammenarbeitet. Doch seit rund zwei Jahren komme man beim Netzbetreiber Bayernwerk kaum voran, sagen Genossenschaft und Planer. Der Vorwurf: Bayernwerk sei schriftlich und telefonisch kaum zu erreichen – oder erst nach wiederholter Aufforderung. Herbert Friedmann, Vorsitzender der Genossenschaft, ärgert sich: "In einem Jahr wollen wir ans Netz, jetzt müssen wir mal Nägel mit Köpfen machen." Ein erhoffter Vertrag liege nach mehreren Monaten weiterhin nicht vor.

Bayernwerk antwortet nicht fristgerecht

Die Schwierigkeiten zwischen Planern und Netzbetreiber beginnen 2022. Wann genau, dazu unterscheiden sich die Angaben. Laut Planungsbüro soll bereits im Februar 2022 eine erste Anfrage an Bayernwerk erfolgt sein. Demnach wollte die Firma wissen, wo der Strom aus dem Windrad künftig ins Netz eingespeist werden kann. Nach Darstellung von Bayernwerk erfolgte diese Anfrage auf Netzanschluss erst im August 2022.

Fest steht: Nach Eingang der Anfrage passierte zunächst nicht viel. Dabei ist das Vorgehen gesetzlich geregelt. Netzbetreiber müssen Anlagen, die erneuerbare Energien erzeugen, unverzüglich ans Netz anschließen. Stellen Anlagenbetreiber eine Anfrage auf Netzanschluss, ist der Netzbetreiber verpflichtet, innerhalb von acht Wochen einen Netzanschlusspunkt zu nennen. Im vorliegenden Fall dauerte es bis Februar 2023. Also fast sechs Monate oder noch länger – je nach Rechnung.

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Herbert Friedmann (l.) und Jochen Bals wollen auf diesem Waldstück bei Altertheim (Lkr. Würzburg) ein Windrad errichten.

Vorwurf: Weitere Verzögerungen durch Netzbetreiber

Schriftlich bestätigt Bayernwerk, dass es zuletzt immer wieder Verzögerungen gegeben habe. Grund dafür sei ein "Anschlussboom" gewesen. Inzwischen habe das Unternehmen unter anderem das Personal aufgestockt und Arbeitsschritte automatisiert. Die Bearbeitungszeiten seien 2023 stark gesunken. Beim Durchschnitt aller Anfragen liege das Unternehmen wieder innerhalb der "Acht-Wochen-Frist".

Doch die "Bürger-Energie Altertheim" und "EDL Bals" kritisieren außerdem: Auch nach der Nennung des Netzanschlusspunktes sei es schleppend gelaufen. Lediglich eine zeitlich befristete Reservierung habe seine Firma erhalten, berichtet Jochen Bals, Geschäftsführer des Planungsbüros. Das Büro plant in der Nähe von Altertheim mehrere Windränder. Wiederholt habe sich das Team bemüht mit Bayernwerk einen sogenannten Netzanschlussvertrag zu unterzeichnen, sagt Bals. Das sei eine wichtige Sicherheit, um von Banken Kredite zu erhalten: "Die Zeit läuft schnell ab und wir haben natürlich Investitionen." Wiederholt habe er deshalb einen Rechtsanwalt beauftragt, an Bayernwerk zu schreiben.

Bayernwerk: Fehlende Unterlagen, wiederholter Kontakt

Bayernwerk wehrt sich an dieser Stelle gegen die Kritik – und rechtfertigt das eigene Vorgehen. Das Unternehmen versichert: Es habe mehrfachen Kontakt gegeben, bei dem erforderliche Unterlagen nachgefordert worden seien. Ohne vollständige Unterlagen sei es nicht möglich, sich technisch abzustimmen. Zudem handele sich bei der vorgesehenen Netzverknüpfung um einen "sehr komplexen, nicht alltäglichen Fall". Bayernwerk schreibt: Es habe mehrere persönliche Ansprechpartner gegeben, die sich "in kontinuierlichem Austausch mit Vertretern der Genossenschaft befanden". Projektierer Bals wiederum kritisiert die aus seiner Sicht unnötigen "Bürokratieschleifen".

Bundesverband: Mehrere Gründe für Wartezeiten

Für die zuletzt langen Wartezeiten bei Netzanschlüssen nennt Ariane Lubberger von der Landesgeschäftsstelle Bayern des "Bundesverband Windenergie" gleich mehrere Gründe. Die Netze seien nicht auf dem Ausbaustand, auf dem sie sein sollten. Es gebe lange Lieferzeiten bei Trafo- und Übergabestationen. Zudem fehle qualifiziertes, technisches Personal.

Unterschiedliche Ansichten zwischen Projektierern und Netzbetreibern seien nicht ungewöhnlich, sagt Lubberger. Von derartigen Verstimmungen, wie nun in Altertheim, habe sie bislang allerdings nicht gehört.

Auch die Bundesnetzagentur bestätigt vermehrte Beschwerden über Verzögerungen beim Netzanschluss von Anlagen, die erneuerbare Energien erzeugen. Allerdings bewegen sich diese derzeit bei unter einem Prozent der neu angeschlossenen Anlagen, teilt die Aufsichtsbehörde mit. Den Grund für die vermehrten Beschwerden sieht die Bundesnetzagentur in der Zunahme der Anträge. Hier habe Bayernwerk mit "besonderen Herausforderungen" zu kämpfen, "da das Netz in Bayern besonders ausgelastet ist".

Treffen soll mehr Klarheit bringen

Sollten die Windenergieanlagen bei Altertheim nicht wie geplant Mitte 2025 ans Netz können, befürchten die Planer Verzugsschaden in sechsstelliger Höhe – pro Monat.

Noch haben allen Projektbeteiligten Hoffnung, dass es nicht so weit kommt. Bayernwerk teilt mit: "Der genannte Termin ist bei uns unverändert in der Planung." Vorausgesetzt die Bauunterlagen seien freigabefähig. Projektplaner und Netzbetreiber wollen sich Ende Juli treffen, um technische Fragen abzustimmen.

Auch Herbert Friedmann sammelt weiterhin Unterstützer für das Projekt. Die Nachfrage sei hoch. Knapp 260 Menschen wollen nach seinen Angaben Anteile für die neue Windenergieanlage zeichnen. Friedmann versucht, es gelassen zu sehen. Schließlich sei der Netzbetreiber verpflichtet, den Strom abzunehmen. Doch die andauernde Unsicherheit hätte er sich gerne gespart.

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