Im Prozess um die verschwundene und vermutlich getötete Alexandra R. hat am Mittwoch der Vater ihrer Pflegetochter unter Tränen ausgesagt. Es ging dabei unter anderem um eine SMS-Nachricht, die er am Tag des Verschwindens der 39-jährigen Hochschwangeren bekommen hatte. Auf der Anklagebank sitzen zwei- Männer aus dem früheren Umfeld der Verschwundenen.
Alexandra R. für Pflegetochter "wie eine Mutter"
In der Nachricht, die vor Gericht vorgelesen wurde, stand, dass sie weggehe und sich nicht mehr vom Vater ihrer Pflegetochter ausnutzen lassen wolle. Sie bekomme nun ein eigenes Kind. Er solle der Pflegetochter sagen, dass sie sie weiterhin liebe. Unter Tränen sagte der 68-jährige Rentner, dass Alexandra R. diese Nachricht nie und nimmer geschrieben habe. Er könne sich nicht vorstellen, dass Alexandra R. ihre Pflegetochter im Stich lassen würde, so der Zeuge.
Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Angeklagten im Mordprozess vor, dass sie mit gefälschten Nachrichten von Alexandra R.s Handy falsche Spuren gelegt haben sollen. Davor hatte der 68-Jährige beschrieben, wie liebevoll sich Alexandra R. um das Mädchen gekümmert habe. Sie habe ihre Pflegetochter abgöttisch geliebt.
Das Mädchen stammt aus einer Beziehung des 68-Jährigen mit einer anderen Frau. Diese könne sich nicht um ihre leibliche Tochter kümmern, die als Frühchen auf die Welt gekommen war. Deshalb habe Alexandra R. das übernommen – sie sei wie eine Mutter gewesen.
Mutterpass in Wohnung zurückgelassen: "Passt nicht"
Der Zeuge beschrieb auch einen Vorfall, bei dem der Angeklagte Dejan B. Alexandra R. laut beschimpft und sie am Hals gepackt haben soll. Kurz danach sei Alexandra R. ins Frauenhaus gegangen.
Zuvor hatte eine Mitarbeiterin des Jugendamtes ausgesagt, dass auch bei ihr eine vermeintliche Abschiedsnachricht von Alexandra R. eingegangen sei. Beim Lesen der SMS sei ihr jedoch schnell klar gewesen, dass diese nicht von der Frau stammen könne, sagte die Zeugin. Alexandra R. hätte sich nicht einfach so abgesetzt, ohne Sorge dafür zu tragen, wer sich um die Pflegetochter kümmern solle. Es habe sie auch gewundert, dass Alexandra R. ihren Mutterpass in der Wohnung zurückgelassen habe. Das passe nicht zu ihr, zumal sie in der Schwangerschaft auch gesundheitliche Probleme gehabt habe.
Zuvor beschrieb die Zeugin, wie harmonisch die Beziehung zwischen Alexandra R., ihrem neuen Partner - von dem sie schwanger war - und der Pflegetochter war. In der Vernehmung kam auch zur Sprache, dass Alexandra R. vom Angeklagten Dejan B. bedroht worden sei. Sie hätte Angst gehabt, dass er die Pflegetochter entführe.
Geiselnahme und Mord? Das soll geschehen sein
Alexandra R. hatte am Tag ihres Verschwindens - im Dezember 2022 - ihre Pflegetochter in die Kita gebracht. Seither fehlt von der 39-Jährigen, die damals im achten Monat schwanger war, jede Spur. Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Männern, die seit Anfang September vergangenen Jahres in Untersuchungshaft sind, unter anderem Geiselnahme und Mord vor, aus persönlichen und wirtschaftlichen Gründen.
Der Angeklagte Dejan B. soll die leitende Bankangestellte jahrelang ausgenutzt haben, um seine Immobiliengeschäfte zu finanzieren. Gewinne habe Dejan B. abgeschöpft, Alexandra R. habe immer nur bezahlt. Zum Teil sei es um Steuerbetrug beim Verkauf von Immobilien gegangen. Die 39-Jährige habe keinen Einblick in die krummen Geschäfte ihres damaligen Partners gehabt, mit dem sie über Jahre hinweg eine On-Off-Beziehung führte.
Alexandra R. wollte reinen Tisch machen
Mit den Immobilien-Geschäften ihres Ex-Partners wollte Alexandra R. laut ihres neuen Partners Bastian R. nichts mehr zu tun haben, sie wollte zahlreiche Objekte loswerden. Außerdem habe sie einen Anwalt und einen Steuerberater konsultiert, um "reinen Tisch zu machen". Am 15. Dezember 2022 hätte diesbezüglich ein wichtiger Gerichtstermin stattfinden sollen, um rechtlich gegen eine Zahlungsaufforderung in sechsstelliger Höhe von Dejan B. vorzugehen.
Allerdings soll der Beschuldigte die Frau laut Anklage dazu gezwungen haben, eine Strafanzeige gegen ihn durch einen handschriftlichen Brief zurückzunehmen. Nach dem mutmaßlichen Mord sollen die Männer vorgetäuscht haben, dass sich Alexandra R. ins Ausland abgesetzt hat. Dazu sollen sie Abschiedsnachrichten von ihrem Handy verschickt und das Telefon nach Italien gebracht haben.
Im Mammut-Prozess um den mutmaßlichen Mord an Alexandra R. sind insgesamt 100 Zeugen geladen und 37 Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil soll Ende Juli fallen. Von Alexandra R. oder ihrer Leiche fehlt nach wie vor jede Spur.
Im Video: Mord ohne Leiche – Spurensuche im Fall Alexandra R.
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