Die angeklagte Hanna S. beim Prozessauftakt im Gerichtssaal.
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Die angeklagte Hanna S. (m) beim Prozessauftakt im Gerichtssaal.

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Prozess gegen Hanna S.: Applaus für die Angeklagte

Prozess gegen Hanna S.: Applaus für die Angeklagte

Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen hat der Prozess gegen die mutmaßliche Linksextremistin Hanna S. vor dem Oberlandesgericht München begonnen. Wegen des Publikumsandrangs und der Kontrollen startete das Verfahren mit einer Stunde Verspätung.

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Rund 100 Unterstützerinnen und Unterstützer von Hanna S. sind aus ihrer Heimatstadt Nürnberg nach München-Stadelheim gekommen, um ihre Solidarität mit der 30-Jährigen zu zeigen – mit einer Kundgebung draußen vor den Gefängnismauern und drinnen im vollbesetzten Gerichtssaal, mit Standing Ovations, als die Angeklagte eintritt. Der kleinen, schmalen Kunststudentin mit den halblangen blonden Haaren wird unter anderem Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation und versuchter Mord vorgeworfen. Laut Anklageschrift der Bundesanwaltschaft, die zum Prozessauftakt verlesen wurde, soll Hanna S. zusammen mit anderen Antifaschisten vor zwei Jahren am Rande einer Neonazi-Großveranstaltung in Budapest Jagd auf Rechtsextreme gemacht haben.

Überfall mit Schlagstock, Hammer und Pfefferspray

Drei mutmaßlichen Neonazis – zwei davon aus Deutschland – wurden bei den Überfällen, an denen Hanna S. beteiligt gewesen sein soll, erheblich verletzt. Laut Anklage soll Hanna S. in einem Fall geholfen haben, das Opfer festzuhalten, im anderen auch selbst zugeschlagen haben. Ihren Mordvorwurf begründet die Bundesanwaltschaft unter anderem damit, dass dabei auch Schlagstöcke und ein kleiner Hammer zum Einsatz kamen.

Für Peer Stolle, Verteidiger von Hanna S., ist das völlig überzogen. Während Rechtsextreme seit 1990 über 200 Menschen ermordet hätten, sei ihm kein einziger Fall bekannt, bei dem Linke einen Neonazi getötet hätten. Außerdem seien die Verletzungen, die die Opfer davongetragen hätten, eher gering gewesen.

Verteidigung: Angeklagte zu gefährlicher Person hochstilisiert

Fragwürdig sei auch, dass die Bundesanwaltschaft überhaupt den Fall übernommen habe, so Stolle. "Solche Körperverletzungstaten werden normalerweise vor Amtsgerichten oder vielleicht auch mal vor einem Landgericht verhandelt." Anders als von der Bundesanwaltschaft behauptet, handle es sich auch nicht um eine staatsgefährdende Tat. Vielmehr werde die Angeklagte künstlich zu einer gefährlichen Person hochstilisiert. Das zeige sich auch an der Wahl des Gerichtsaals. Dass der Prozess in einem Gefängnis weitab vom Stadtzentrum stattfinde, sei eine Vorverurteilung seiner Mandantin.

Soli-Kreis will weiter Solidarität zeigen

Der Sprecher des Oberlandesgerichts Laurent Lafleur dagegen rechtfertigt die Wahl des Sitzungssaales, der im Keller der Justizvollzugsanstalt Stadelheim liegt: "Das ist der größte Justizsaal den wir in München haben und der war heute – was bisher noch nie vorgekommen ist – bis auf den letzten Platz besetzt." Es sei also auch im Sinne der Angeklagten, dass möglichst viele ihrer Unterstützer der Verhandlung beiwohnen können.

Die Unterstützer von Hanna S., die sich in einem sogenannten Soli-Kreis organisiert haben, wollen jedenfalls weiter regelmäßig den Prozess besuchen, betont ihr Sprecher Alexander Schmitt. Man wolle auch auf das Schicksal der anderen Beschuldigten im "Budapest-Komplex" aufmerksam machen.

Angst vor Auslieferung nach Ungarn

Vor wenigen Wochen hatten sich sieben antifaschistische Aktivistinnen und Aktivisten den deutschen Behörden gestellt, nachdem sie teils jahrelang untergetaucht waren – aus Angst vor einer Auslieferung nach Ungarn.

Dort beginnt am kommenden Freitag der Prozess gegen Maja T.. Die Deutsche war im Juni 2024 in einer Nacht-und-Nebel-Aktion nach Ungarn überstellt worden, nur wenige Stunden, bevor das Bundesverfassungsgericht die Auslieferung der non-binären Person nach Ungarn in einem Eilverfahren für unrechtmäßig erklärte. Nun droht Maja T. in Budapest eine drakonische Strafe von bis zu 24 Jahren Haft, in einem Justizsystem, das sich seit der Machtübernahme des Rechtsnationalisten Viktor Orbán immer weiter von rechtsstaatlichen Grundsätzen entfernt hat.

Freundliche Worte des Richters

Im Gerichtssaal des Münchner Oberlandesgerichts ist der Vorsitzende Richter Philipp Stoll dagegen sichtlich darum bemüht, Druck aus dem Kessel zu nehmen. Gleich zu Beginn des Prozesstages wendet er sich an die Angeklagte und betont: "Wir gehen nicht davon aus, dass sie eine besondere Gefahr für die Allgemeinheit darstellen." Dass der Prozess in einem Hochsicherheitssaal stattfinde, habe rein organisatorische Gründe. Der Saal sei dafür aber freundlich und hell, so der Richter weiter. "Und das ist ja vielleicht ein ganz gutes Vorzeichen."

Im Video: Prozessauftakt gegen mutmaßliche Linksextremistin Hanna S.

Hanna S.
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Hanna S.

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