Umweltskandal im Rappenalptal: Zum ersten Mal hat sich die ansässige Alpgenossenschaft exklusiv bei BR24 zu Wort gemeldet - nach wochenlangem Schweigen zu den möglicherweise naturschutzwidrigen Arbeiten in dem Tal.
Was war passiert? Nach einem Unwetter im August 2022 mit Hochwasser und Kiesüberschwemmungen auf den Weideflächen und dem Alpweg hatte die Alpgenossenschaft das Bachtal ausgebaggert - in einem strengstens geschützten Europäischen Naturschutzgebiet (FFH). Dabei wurde laut Bund Naturschutz (BN) ein intaktes Ökosystem komplett zerstört.
Die Oberallgäuer Landrätin Indra Baier-Müller (Freie Wähler) erklärte in Bezug auf die Bauarbeiten gegenüber der Presse:
"Für eine so umfassende Maßnahme gibt es keinen Antrag, hatten wir auch keine Kenntnis, dass das dort erfolgt". Indra Baier-Müller
Ein Aktenvermerk der Unteren Naturschutzbehörde vom 30. August weckt indes Zweifel an dieser Darstellung.
Genehmigt oder nicht genehmigt?
Hannes Thaumiller von der Alpgenossenschaft sieht die Situation im BR-Interview so: Nach Besichtigungen vor Ort mit einem Experten des Landratsamtes im Rappenalptal habe dieser noch am gleichen Tag in besagtem Aktenvermerk genau diejenigen Arbeiten beschrieben, die dort gemacht werden dürfen, was die Mitglieder als "Genehmigung" auffassten. Die Sofortmaßnahmen zum Hochwasserschutz wurden laut Landratsamt in Ersatzvornahme auf Kosten der Alpgenossenschaft durchgeführt. Danach haben sich die Behörden offenbar bis zum öffentlichen Bekanntwerden der Zerstörung nicht mehr um die Bagger im Rappenalptal gekümmert.
Dennoch hatte Baier-Müller bei einer Pressekonferenz am 8. Dezember den Vorwurf erhoben, die Alpgenossenschaft sei weit über die abgestimmten Maßnahmen hinausgegangen und habe sich nicht an Abstimmungen gehalten. "Eine solche Genehmigung für einen Gewässerumbau umfasst mehrere Aktenordner, nicht nur eine Seite", so Baier-Müller damals.
Eine genaue juristische Einschätzung der Schuldfrage müssen nun wohl die Gerichte treffen.
Anonyme Drohungen und Schmähbriefe gegen die Alpgenossenschaft
Wie auch immer der Fall ausgeht: Für Hannes Thaumiller und seine Familie gleicht die Situation einem Alptraum. Im Exklusiv-Interview mit dem Bayerischen Rundfunk berichtet der Vorsitzende der Alpgenossenschaft Rappenalptal und "Alpmeister" Hannes Thaumiller von zahlreichen Anfeindungen, denen er und seine Familie ausgesetzt waren, seinen Eindrücken bei der Hausdurchsuchung durch die Staatsanwaltschaft und der Existenzangst um sein Hotel.
Und er schießt scharf zurück: Aus seiner Sicht sind die Aussagen der Oberallgäuer Landrätin Indra Baier-Müller (Freie Wähler) in Bezug auf die Bauarbeiten Lügen. "Dass die Landrätin Baier-Müller nun in der Öffentlichkeit die Tatsachen so verdreht und sich in ihren Lügen verstrickt, welche Schäden daraus für die gesamte Alpwirtschaft, unsere Existenz, für meine Familie und mich entstanden sind, das ist nicht wiedergutzumachen."
Alpgenossenschaft: Rappenalptal war kein unberührtes Biotop
Thaumiller zufolge könnten die "genehmigten" Arbeiten im Nachhinein eine "Fehleinschätzung" des Landratsamtes gewesen sein, nämlich wenn es um die Definition geht, ob dies noch ein genehmigungsfreier "Gewässererhalt" oder bereits ein "Gewässerausbau" sei. Ein Gewässerausbau hätte in dem streng geschützten Naturschutzgebiet vorab umfangreiche Genehmigungsverfahren erfordert. Mit so einer Definitionsabwägung sei die Alpgenossenschaft in all den Jahrzehnten nicht befasst gewesen.
Im Interview widersprach der Vorsitzende der Alpgenossenschaft auch den Aussagen des Bund Naturschutz (BN), dass das Rappenalptal vor den Baggerarbeiten ein unberührtes Biotop gewesen sei. Durch die örtlichen Gegebenheiten sei der Rappenalpbach "ständigen Veränderungen" durch Hochwasser und Lawinen ausgesetzt. Dies belegte der 57-jährige Oberstdorfer mit Bildern aus den Jahren 1999 und 2005, als Hochwasser massive Verwüstungen im Tal angerichtet hatte - und schon damals umfangreiche Bagger- und Planierraupenarbeiten und Bauarbeiten am Alpweg notwendig gemacht hatte.
Das Landratsamt schweigt zu den Vorwürfen der Alpgenossenschaft
Der Bayerische Rundfunk hat das Landratsamt Oberallgäu mehrfach um eine Stellungnahme zu den Aussagen der Alpgenossenschaft gebeten. Das Landratsamt möchte sich zum aktuellen Zeitpunkt allerdings nicht dazu äußern.
Opposition fordert von Bayerns Umweltminister vollständige Aufklärung
Die Vorsitzende des Umweltausschusses im Bayerischen Landtag, Rosi Steinberger von den Grünen, sagte anlässlich des BR-Exklusivinterviews laut einer Mitteilung: "Es muss Schluss sein mit diesem 'Hü und Hott' im Rappenalptal. Umweltminister Glauber muss endlich für vollständige Aufklärung sorgen und dem Landtag berichten. Der Termin steht schon fest. Wir erwarten am 26. Januar einen detaillierten Bericht des Ministers im Umweltausschuss!"
Bundesregierung rechnet nicht mit EU-Vertragsverletzungsverfahren
Die Bundesregierung rechnet nach den Baggerarbeiten im Naturschutzgebiet im Rappenalptal bei Oberstdorf aktuell nicht mit einem EU-Vertragsverletzungsverfahren. In einer Antwort auf eine Anfrage des AfD-Bundestagsabgeordneten Peter Felser heißt es, ein solches Verfahren komme nur in Betracht, wenn ein Verstoß durch eine öffentliche Stelle des Mitgliedsstaats vorliege. Das hat Felser heute mitgeteilt. Er fordert, umfassende Aufklärung und zeitnahe Aufarbeitung der Geschehnisse. Laut Mitteilung sagte er: "Mit der Aussage der Alpgenossenschaft haben wir nun zwei sich völlig widersprechende Schilderungen zu diesen massiven Eingriffen, jetzt erwarte ich rigorose Aufklärung und Transparenz durch das Landratsamt." Jetzt sei professionelles und aufrichtiges Krisenmanagement gefragt, so Felser, der für den Wahlkreis Oberallgäu-Kempten-Lindau für die AfD als Bundestagsabgeordneter gewählt wurde.
"Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes stand, das Landratsamt habe für die Baggerarbeiten bezahlt. Das ist nicht korrekt. Wir haben die Angaben entsprechend geändert."
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