Der Fall sorgte damals überregional für Aufsehen und ist seitdem als "Kalteck-Prozess" bekannt. Jetzt muss am Deggendorfer Landgericht zum Teil neu verhandelt werden: Es geht um die Frage, wie groß die Mitschuld des Motorradfahrers an dem schweren Unfall war, bei dem ein Familienvater getötet und dessen Sohn lebensgefährlich verletzt worden war.
Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat eines der zwei Urteile vom November 2019 zugunsten des Verurteilten abgeändert und teilweise aufgehoben. Der Mann kann nun mit einem milderen Urteil rechnen.
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Der Fall "Kalteck" in der Chronologie
Es ist der 18. Juli 2018: eine kurvige Strecke im Bayerischen Wald, ein illegales Rennen zwischen einem Autofahrer und einem Motorradfahrer. Der Autofahrer verliert die Kontrolle, rast in ein anderes Auto. Darin sitzen ein Familienvater und sein Sohn. Der Vater stirbt noch an der Unfallstelle.
Die Mutter des Jungen bangt um das Leben ihres Sohnes Johannes. "Das ist das Schlimmste für mich gewesen, wenn man nicht weiß, was mit dem Kind ist, wie es ihm geht", erzählt Beate Altmann. Nach drei Wochen Koma erwacht der damals Zehnjährige. Seit dem Unfall ist er behindert. Johannes kämpft sich zurück ins Leben - sein Alltag besteht jetzt aus Reha- und Krankenhausaufenthalten, bis heute.
2019: Prozess gegen beide Raser
2019 beginnt der Prozess gegen die beiden Raser am Landgericht Deggendorf. Für die Witwe ist es nicht einfach: "Am liebsten würde man ihnen eine schmieren, anschreien, was sie angerichtet haben. Sie haben meinen Mann auf dem Gewissen - und fast meinen Sohn", sagt sie.
Zeugen berichteten im ersten Prozess von teils waghalsigen Überhol- und Fahrmanövern. Beate Altmann wird den Prozess nie vergessen: "Der Motorradfahrer ist gekommen, als ob er zu einem Kartenspiel kommt - keine Emotionen. Das tut verdammt weh". Auch Johannes erscheint vor Gericht und sagt aus. Als er 2019 den Gerichtssaal betritt, stockt allen der Atem: Der Junge ist gezeichnet vom Unfall, humpelt, seine linke Seite ist fast gelähmt.
Urteil gegen die Raser: Jeweils fünf Jahre Haft
Im selben Jahr werden die beiden Raser zu jeweils fünf Jahren Haft verurteilt. Der Autofahrer tritt seine Haftstrafe an.
Beate Altmann als Nebenklägerin und ihr Anwalt legen jedoch Revision gegen das Urteil für den Motorradfahrer ein. Sie wollen eine Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts und damit eine höhere Strafe erreichen.
BGH: Motorradfahrer am Unfall nicht unmittelbar beteiligt
Der Fall gelangt zum Bundesgerichtshof: Die Richter dort sehen aber keine unmittelbare Unfallbeteiligung des Motorradfahrers und heben die zunächst verhängte Strafe auf. Für sie bleibt nur das unerlaubte Kraftfahrzeugrennen als solches mit fahrlässiger Tötung und eine fahrlässige Körperverletzung übrig.
Die Polizei erwähnt den Unfall regelmäßig als Beispiel bei Aktionstagen gegen Raserei. Die Unfallfahrzeuge von Kalteck sollen abschrecken, wie Jürgen Linsmeier vom Bayerischen Polizeiverwaltungsamt erklärt: "Und jeder sagt eigentlich: So etwas sollte nie wieder passieren."
Entschuldigung zum Prozessauftakt
Zum Prozessauftakt in Deggendorf richtete der jetzt 57-jährige Motorradfahrer eine Entschuldigung an die Witwe und den Sohn des getöteten Autofahres und räumte ein, dass es ein Fehler gewesen sei, das Rennen gefahren zu sein. Auch wenn er den Unfall nicht unmittelbar ausgelöst habe, trage er nicht nur eine moralische Schuld. "Ich habe eingesehen, dass ich zu Recht die strafrechtlichen Folgen zu tragen habe." Deswegen habe er damals seinen Revisionsantrag zurückgenommen. Er habe gehofft, dass die Nebenklage das auch tun würde.
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