Nikola Zimmerer weist ihre neue Arbeitskraft ganz genau in die Tücken des Eventmanagements ein. Wer den Burgmayerstadl im niederbayerischen Langquaid für Hochzeiten oder Feiern bucht, solle schließlich ein einzigartiges Erlebnis haben, sagt die Unternehmerin. "Mein persönlicher Alptraum sind Doppelbuchungen", versucht Zimmerer ihrer zukünftigen Angestellten in Englisch zu erklären. Aljona Tobolina hat verstanden. Dabei liefen die letzten Wochen der Ukrainerin alles andere als nach Plan.
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Ukrainerin möchte so schnell wie möglich wieder arbeiten
Vor zwei Wochen ist die alleinerziehende Mutter aus Kyiv geflohen; mit zwei Kindern, Großmutter und einer Katze. Nach der mehrtägigen Flucht soll in Deutschland nun wieder Normalität einkehren. So schnell wie möglich. Und das heißt für die 36-Jährige auch zu arbeiten, wie sie es bisher in ihrer Heimat getan hat, als Inhaberin eines kleinen Beauty-Salons. "Ich möchte selbst arbeiten, um Geld zu verdienen, um hier nicht von jemandem abhängig zu sein."
Noch aber muss Aljona Tobolina auf ihre Aufenthalts- und damit Arbeitserlaubnis warten. Sie darf vorläufig nur zuschauen, wie ihre Chefin den Saal für die Hochzeit vorbereitet. Dabei wäre eine schnelle Anstellung für beide Seiten wichtig. Für die Geflüchtete, um nicht dauernd auf ihrem Smartphone auf zerbombte Busse vor ihrer Wohnung schauen zu müssen. Für die Unternehmerin unter anderem, weil sie dringend eine Arbeitskraft sucht.
Viele Unternehmer werben um ukrainische Arbeitskräfte
Damit ist Zimmerer nicht alleine. Viele bayerische Unternehmen suchen derzeit Arbeitskräfte. So auch Phuc Huynh, der in Regensburg unter anderem ein Restaurant in der Nähe des Bahnhofs betreibt. An der Glasfassade hat er ein Stellengesuch in kyrillischen Buchstaben angebracht. Huynh hofft, dass sich ein Ukrainer angesprochen fühlt und sich bewirbt. Auf die Vermittlung durch das Arbeitsamt will Huynh nicht warten: "Jeder Arbeitgeber, der schon mal versucht hat, Stellen beim Arbeitsamt einzutragen, weiß, wie komplex das ist. Dann sind sie momentan überlastet oder es gibt technische Probleme. Es ist ein wahnsinnig langwieriger Prozess, um Stellen, die schnell besetzt werden müssen, zu publizieren." In Regensburg herrscht zudem Vollbeschäftigung.
Jobbörse für ukrainische Geflüchtete soll unbürokratisch sein
Phuc Huynh sieht in den ukrainischen Geflüchteten viel Potenzial und hat daher eine Jobbörse für ukrainische Geflüchtete aufgebaut. "Mir ging es darum, dass wir eine unbürokratische Lösung gebraucht haben." Die Seite ist übersichtlich gestaltet – also sowohl in deutscher als auch ukrainischer Sprache – und scheint gut anzukommen: Über 60 Unternehmen aus ganz Bayern haben auf der Interseite bereits ein Stellenangebot inseriert. "Im Prinzip sind alle Branchen vertreten, bei denen es derzeit an Personal fehlt: Aus der Gastronomie sind natürlich ganz viele Angebote. Aber auch Chemielaboranten werden gesucht."
Jeden Tag verzeichnet die Internetseite mehrere Tausend Aufrufe. Allerdings: Viele Geflüchtete können noch nicht arbeiten, weil ihnen dazu die Aufenthaltserlaubnis fehlt.
Integration bedeutet mehr als nur einen Arbeitsplatz
Für Phuc Huynh, der als Kind selbst aus Vietnam geflohen ist, ist es wichtig, dass die Ukrainer aber nicht nur als Arbeitskräfte, sondern vor allem als Menschen willkommen sind. Integration bedeute viel mehr, sagt der Unternehmer. Daher will er das Angebot um Wohnungsgesuche oder offene Kindergartenplätze erweitern. Auch die mittelständischen Unternehmen, die auf der Seite inserieren, will Huynh in die Pflicht nehmen. "Das Projekt heißt ja: Unternehmer-Patenschaften. Patenschaft impliziert ja auch, Verantwortung zu übernehmen. Die Leute zu integrieren, ist ein Prozess. Und das heißt auch: Sich um das Kind kümmern, die Familie und Wohnungen zu kümmern."
Hoffnung auf Rückkehr in die Ukraine
Auch Aljona Tobolina sucht noch nach einer Wohnung für sich, ihre zwei Kinder und ihre Mutter. Immerhin soll die vorläufige Aufenthaltsgenehmigung nun auf dem Weg sein. Ihre zukünftige Chefin Nikola Zimmerer hofft daher, dass die Ukrainerin bald loslegen und am besten für immer bei ihr arbeiten kann. "Aljona ist eine anpackende, mutige und zuversichtliche Person", sagt Zimmerer, bevor ihr die Stimme versagt und Tränen in die Augen schießen. "Ich habe sie noch keinen Tag jammern sehen."
Doch die Unternehmerin weiß auch: Der Grund, warum Aljona Tobolina in Deutschland ist, ist nicht die Arbeit. Sondern immer noch der Krieg in ihrer Heimat. "Ich hatte keine andere Wahl", sagt die 36-Jährige. "Natürlich hoffe ich, dass ich irgendwann nach Hause zurückkehren kann."
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