Am Dienstag ist vor dem 8. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main der Prozess gegen mutmaßliche Köpfe der Reichsbürger-Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß gestartet. Wie das Gericht mitteilte, sind unter anderem Personen angeklagt, die dem sogenannten militärischen Arm der "Reuß-Gruppe" angehört haben sollen, darunter Maximilian Eder und Peter W.
Umsturzpläne: Machtübernahme mit Waffengewalt durchsetzen
Bei einer bundesweiten Razzia im Dezember 2022 wurden 25 Personen, die mutmaßlich der Reichsbürgerszene angehören, festgenommen. Dabei sollen auch zahlreiche Waffen sichergestellt worden sein, unter anderem Faustfeuerwaffen und Langwaffen.
Die Verschwörer wollten in Deutschland nach Angaben der Ermittler insgesamt 286 Heimatschutzkompanien aufbauen. Laut Einschätzungen von Behörden hätten diese während eines gewaltsamen Umsturzes Personen "festnehmen und exekutieren" sollen, mit dem Ziel, die Machtübernahme mit Waffengewalt durchzusetzen. "So weit waren sie aber noch nicht" meint eine mit den Ermittlungen vertraute Person im Gespräch mit BR24. Demnach sei es noch "keine kampffähige Truppe" gewesen, drei "Rumpfstrukturen" habe es allerdings gegeben. Die Gruppe soll rund 1.200 Waffen sowie militärische Ausrüstung besessen haben.
Prozesse in Frankfurt, München und Stuttgart
Prozesse gegen die Beschuldigten finden in Frankfurt, München und Stuttgart statt. Vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main müssen sich auch zwei Bayern verantworten: Maximilian Eder und Peter W.
Beide sollen sich den Ermittlungen zufolge im Führungsstab des "militärischen Arms" der konspirativen Reichsbürger-Gruppe befunden haben. Über einen militärischen Hintergrund verfügen beide: Der ehemalige Elitesoldat Peter W. aus dem Landkreis Bayreuth wurde bei der Bundeswehr laut eigenen Angaben zum Einzelkämpfer ausgebildet.
Terroristische Vereinigung: Peter W. soll einer der Gründer sein
Peter W. soll laut Bundesanwaltschaft zusammen mit weiteren Beschuldigten eine terroristische Vereinigung gegründet haben und ist unter anderem auch wegen der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens angeklagt. Dem Oberfranken wird zudem eine schwere staatsgefährdende Gewalttat durch die Verschaffung und Aufbewahrung einer Schusswaffe vorgeworfen.
Seit Jahren schon bietet der 55-Jährige Überlebenstrainings an. Zu seinem Team gehörten nach BR-Recherchen schon vor Jahren Elitesoldaten wie Fallschirmjäger oder Angehörige des Kommandos Spezialkräfte (KSK). Auf seiner Internetseite hat Peter W. mehrere Blogeinträge eingestellt, einer ist mit den Worten "Impf-Apartheid?!" überschrieben. Unter anderem mit solchen Begriffen diffamierten Aktivisten aus dem Querdenker-Milieu die Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus.
Offenbar seit 2010 Verbindungen in rechtsextreme Szene
Auf den Bildern, die Peter W. ins Internet stellte, sind immer wieder Runen zu sehen, darunter die bei Neonazis beliebte Odalrune oder die sogenannte Lebensrune. W. hatte offenbar schon seit 2010 Verbindungen in die rechtsextreme Szene. Das geht aus einer E-Mail hervor, die dem BR zugespielt wurde.
Darin schrieb ein Führungskader der NPD-Jugendorganisation in Baden-Württemberg an seinen Verteiler über den Internetshop von Peter W.: "Heil Euch, wer Bedarf an Ausrüstung hat sei auf untengenannten Kameraden mit Familie hingewiesen, der jetzt zusätzlich einen kleinen Online-Versandt anbietet. Bei Bedarf einfach bei mir melden dann gibt’s auf viele Dinge noch Nazi-Rabatt!"
Nach Informationen des gemeinsamen Rechercheteams von Bayerischem Rundfunk und Nürnberger Nachrichten (NN) waren die Ermittler vor allem über Peter W. auf die Gruppe um Prinz Reuß gestoßen. Denn W. war bereits vor über eineinhalb Jahren in den Blickpunkt von Terrorfahndern gerückt, als eine Gruppe von weiteren Reichsbürgern und Corona-Maßnahmen-Gegnern aufflog, die mutmaßlich Sprengstoff-Anschläge geplant hatten und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) entführen wollten. Etliche Operationen verschiedener Sicherheitsbehörden und Geheimdienste hätten sich in Folge auf den ehemaligen Elitesoldaten fokussiert, hieß es aus Sicherheitskreisen.
W. soll aktive Bundeswehrsoldaten rekrutiert haben
Peter W. aus Pottenstein hatte zuletzt in der Fränkischen Schweiz als Survival-Trainer gearbeitet und sich auf seiner Internetseite gerne in Tarnflecken-Kleidung gezeigt. Er nannte sich dort "international ausgebildeter Einzelkämpfer und Jagdkommandoführer" und bot "Krisenvorsorge" an.
Für die mutmaßliche Terrorgruppe soll er aktive Soldaten der Bundeswehr für Vorhaben der Vereinigung rekrutiert haben. Den Ermittlern zufolge soll er unter anderem mit weiteren Beschuldigten die Liegenschaften des Bundestages ausgekundschaftet haben. Des Weiteren hat W. laut Bundesanwaltschaft ein Schießtraining für mehrere Mitglieder der mutmaßlichen Terrorgruppe organisiert, "aus dessen Kreis die Einsatzkräfte für den geplanten Angriff auf den Deutschen Bundestag ausgewählt werden sollten". Schließlich beschaffte Peter W. den Ermittlern zufolge erhebliche Mengen an Ausrüstung und Uniformteilen und besaß eine Schusswaffe ohne waffenrechtliche Erlaubnis.
Umsturzpläne: Maximilian Eder soll führende Rolle gespielt haben
Auch Maximilian Eder aus dem niederbayerischen Eppenschlag im Landkreis Freyung-Grafenau steht vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt. Er soll eine führende Rolle bei den Umsturzplänen der Gruppe "Patriotische Union" um Heinrich XIII. Prinz Reuß gespielt haben. Eder, ein ehemaliger Oberst der Bundeswehr und ehemaliger Chef des Stabs des Kommandos Spezialkräfte KSK, soll laut Anklage der "militärische Arm" der Gruppe sein, die den Bundestag stürmen wollte.
Bei der Bundeswehr hatte Eder einst Karriere gemacht: Er war im Kosovo im Einsatz, in Afghanistan, arbeitete im Nato-Hauptquartier und als Nato-Verbindungsoffizier in Georgien. Während seiner Einsätze – das hat er bei bisherigen Prozessen gegen ihn erzählt – habe er schreckliche Dinge von unvorstellbarer Brutalität und Grausamkeit erlebt. Das habe Spuren im Kopf hinterlassen – und der Alkohol habe geholfen, Erlebtes zu verdrängen. Das Amtsgericht München hatte ihn Anfang Mai wegen Trunkenheitsfahrten zu zehn Monaten Haft verurteilt.
Vor Gericht berichtete er von einer schwierigen Kindheit, sein Vater sei Alkoholiker gewesen, Eders Mutter starb bei einem Autounfall, als er 13 war. 2016 schied er aus der Bundeswehr aus. Eder lebte im niederbayerischen Eppenschlag, seine Frau habe sich kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie von ihm getrennt.
Vom Staatsbediensteten zum Verschwörungstheoretiker
In Frankfurt ist er mit acht Mitverschwörern wegen Hochverrats angeklagt. Laut Anklage soll Eder ein Mitbegründer der Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß gewesen sein. Eine seiner Aufgaben: Die Deutschen davon überzeugen, dass ein Staatsstreich unausweichlich sei, weil pädophile Politiker in Tunneln Kinder missbrauchen und ihnen Blut abzapfen würden. Weil Kinder und Jugendliche "gerächt" werden müssten für das Leid, das Politiker während der Corona-Pandemie über sie gebracht hätten.
Erstmals als Verschwörungstheoretiker aufgetreten war Eder bei Querdenker-Demonstrationen ab 2020. Immer wieder äußerte er sich öffentlich zu seinen Umsturzfantasien, identifizierte sich als Reichsbürger. Von November 2022 existiert ein Video, in dem er in Bundeswehruniform davon träumt, man könne das "System" zum Wackeln bringen, "wenn nur ein paar wenige Entschlossene, Engagierte, Mutige anpacken."
Dezember 2022: Festnahme in Italien
Am 7. Dezember 2022 wurde er im italienischen Perugia festgenommen. Der Generalbundesanwalt erhob später Anklage gegen ihn und 26 weitere mutmaßliche Mitglieder der sogenannten "Patriotischen Union" um Heinrich XIII. Prinz Reuß. Am 16. Februar 2023 wurde Eder nach Deutschland ausgeliefert - seitdem saß er in Untersuchungshaft. Im April 2023 trat er für 35 Tage in einen Hungerstreik. Laut seinem Anwalt sei eine drohende Zwangsernährung der Grund für das Ende des Hungerstreiks gewesen.
Im September 2023 stand Eder vor Gericht in Regensburg. Damals ging es um Waffen, die bei einer Hausdurchsuchung nicht auffindbar waren. Das Landratsamt Freyung-Grafenau hatte ihm 2021 die Waffenerlaubnis entzogen. Eder hatte erfolglos gegen die verhängten Zwangsgelder geklagt. Vor Gericht hatte er behauptet, die Waffen in die Donau geworfen zu haben. Wo genau, daran könne er sich nicht erinnern.
Eder: Sturm auf Reichstag war nicht geplant
Im "Stern" gab er Anfang April 2024 zu, unterirdische Gänge unter dem Reichstag und anderen Parlamentsgebäuden erkundet zu haben. Die Gruppe habe einen Abtritt der Bundesregierung gewollt, ein "Sturm auf den Reichstag" mit militärischen Kräften sei aber nicht geplant gewesen.
Die Bundesanwaltschaft dagegen wirft dem Netzwerk vor, ab August 2021 zunächst geplant zu haben, den Umsturz mit einem Angriff auf den Bundestag und der Festnahme von Abgeordneten zu erreichen. Eder soll einen Entwurf für eine "Absetzungserklärung der Bundesregierung" verfasst haben.
Anklageschrift umfasst 617 Seiten
Wie für alle Beschuldigten in dem Verfahren gilt auch für Maximilian Eder und Peter W. die Unschuldsvermutung. Ob die von der Bundesanwaltschaft ermittelten Tatvorwürfe zutreffend sind, müssen nun die Richter klären. Wegen der schieren Dimension des Prozesses findet das Verfahren in einer eigens errichteten großen Halle am Stadtrand von Frankfurt am Main statt.
Nach Angaben einer Gerichtssprecherin umfasst die Anklageschrift 617 Seiten. Die neun Angeklagten werden von insgesamt 25 Anwälten verteidigt. Neben den fünf Richtern sollen zwei Ergänzungsrichter dabei sein, um im Falle eines längerfristigen Ausfalls einspringen zu können. Es werden rund 260 Zeugen geladen. Für die Sicherheit vor Ort sollen an jedem einzelnen Sitzungstag 40 bis 45 Wachtmeister sorgen. Die Prozessdokumente sind in 801 Stehordnern abgelegt.
Im Video - Reuß-Gruppe: Prozessbeginn in Frankfurt
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