Die Menschen in Günzburgs Unterstadt stehen unter Schock. Wo sie vergangene Woche noch wohnten, überziehen jetzt Schlamm und Öl die Straßen, vor den Häusern liegen Berge aufgequollener Möbel, mit Sandsäcken sind Barrikaden aufgebaut. Das Wasser ist zurückgegangen, die Evakuierung aufgehoben (externer Link). Die Zerstörung bleibt. "Wie im Krieg", klagt ein Anwohner. Er räumt sein Haus aus, wie alle anderen auch.
Erinnerungen sind im Wasser verlorengegangen
Für Bernie John sind es vor allem die Erinnerungen, die das Hochwasser ihm genommen hat, als es das Haus seiner Eltern überflutete: "Wenn man hier durchgeht, überlegt man ab und zu, wie es früher war. Und jetzt räumt man alles weg." Schon den zweiten Tag räumt er zusammen mit Freunden das Haus aus, behalten können sie nichts.
Dass die Familienalben kaputt sind, schmerzt ihn am meisten. Doch auch der materielle Schaden ist immens. Das ganze Erdgeschoss war überflutet in dem Haus, in dem er aufgewachsen ist. Alles ist Matsch, das Haus unbewohnbar. Bernie Johns Eltern sind vorübergehend bei Tochter und Schwiegersohn untergekommen, "solange wie nötig", wie dieser erklärt.
Die Zahl der Betroffenen lässt sich noch nicht abschätzen
So wie ihnen geht es vielen in Günzburgs sogenannter Unterstadt, einem tiefgelegenen Gebiet direkt an der Günz. Wie vielen, das kann im Moment noch niemand abschätzen. Zu sehr sind alle damit beschäftigt, die Trümmer wegzuräumen und das Wasser abzupumpen. Die Stadt wird laut Pressesprecher Michael Lindner am Mittwoch Sperrmüll abholen, am Donnerstag würden Container aufgestellt. "Wir haben ungefähr 1.000 Personen evakuiert", erklärt Lindner.
Die meisten von ihnen seien bei Freunden und Verwandten untergekommen, andere in der Notunterkunft, die der Landkreis in einem Gymnasium für Betroffene aus Günzburg und umliegenden Gemeinden eingerichtet hat. Seit Samstagabend waren die meisten von ihnen nicht mehr zu Hause. Drei Tage später kehren sie zurück und sehen das Ausmaß der Zerstörung.
Die Wucht des Wassers hat Autos mitgerissen
Acht Autos hat die ökumenische Sozialstation in Günzburg an das Wasser verloren, auch dessen Gebäude steht im betroffenen Gebiet. Brusthoch hat das Wasser laut Geschäftsleiter Stefan Riederle im Erdgeschoss gestanden, die Autos in der Einfahrt sind geschwommen. Jetzt liegen sie kreuz und quer, mit zerbrochenen Scheiben und innen wie außen verschlammt, ein Auto liegt auf der Seite.
Trotzdem behält Riederle seinen Optimismus: Die Kolleginnen und Kollegen helfen sich für Notdienste mit den verbliebenen Fahrzeugen untereinander aus. Die Seniorinnen und Senioren, für die die ökumenische Sozialstation tagsüber sorgt, seien in den zwei anderen Tagespflegen der Sozialstation in Ettenbeuren und Gundremmingen untergekommen und auch Medikamente seien nachgekauft. Zehn Mitarbeitende helfen zusammen, innerhalb von zwei Stunden haben sie das ganze Erdgeschoss leergeräumt.
"Die Hilfsbereitschaft von anderen Sozialstationen, der Feuerwehr und Polizei, den Mitarbeitenden und Gästen, sie ist absolut beeindruckend", so Riederle. Er hofft, dass die Versicherung für die Schäden aufkommt. Viel Empathie zeigt er für diejenigen, deren privates Zuhause das Hochwasser zerstört hat.
Einige Betroffene wollen wegziehen
So wie Georg Schneider, ihm ist seine Verzweiflung anzusehen. Auch in seinem Haus ist alles zerstört. "Fernseher, Kühlschrank, Möbel, Boden: Alles musste raus", erklärt der 66-Jährige. Zusammen mit seiner Familie hat er alles ausgeräumt. Er überlegt, sein Haus zu verkaufen und wegzuziehen. Und auch eine Nachbarin will verkaufen. Bernie John, der seine Familienalben zum Trocknen ausgelegt hat, will es kaufen: "Das Angebot werde ich mit Sicherheit annehmen. Ich bin hier aufgewachsen, ich werde auch hier bleiben."
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