Eigentlich geht es zum Auftakt der dreitägigen Haushaltsdebatte im Bayerischen Landtag um die Mittel des "Geschäftsbereichs des Ministerpräsidenten und der Staatskanzlei". Angesichts des Hochwassers, das Teile des Freistaats seit Tagen in Atem hält, steht der Nachmittag aber klar im Zeichen der Flutkatastrophe.
So beginnt Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) die Plenarsitzung mit einem Gedenken an die Verstorbenen und Vermissten: "Unsere Gedanken sind bei den Familien, aber auch bei den Kameraden, die das verkraften müssen." Die Überschwemmungen seien eine große Prüfung für das Miteinander.
Die Fraktionsvorsitzenden von Grünen und SPD, Katharina Schulze und Florian von Brunn, begrüßen im Plenum zwar die vom bayerischen Kabinett beschlossene Soforthilfe in Höhe von mindestens 100 Millionen Euro. Zugleich aber mahnen sie größere Anstrengungen für einen wirksamen Hochwasserschutz an. Spitzenvertreter von CSU und Freien Wählern verwahren sich gegen Vorwürfe der Opposition.
Grüne kritisieren Staatsregierung
Schulze mahnt, man müsse jetzt auch über die Ursachen der Flutkatastrophe sprechen. "Wie viele dieser Jahrhunderthochwasser, dieser Hitzesommer braucht es noch, bis alle verstanden haben und danach handeln, dass Klimaschutz und Klimafolgen-Anpassung weniger kosten als die vielen Schäden beim Weiter-Nichts-Tun?" Klimaschutz sei teuer. Aber kein Klimaschutz sei noch teurer und koste am Ende Menschenleben.
Der Koalition wirft die Grünen-Politikerin vor, beim Hochwasserschutz zu sparen. Es gebe "zu wenig Geld, zu wenig Personal und zu wenig Wasserrückhalt in der Fläche". Wichtige Hochwasserschutzprojekte seien wegen Engpässen im Haushalt gestoppt worden. Der Grund: steigende Baukosten. Die Staatsregierung müsse die steigenden Kosten ausgleichen, damit wenigstens die bereits geplanten Projekte umgesetzt werden könnten. Es dürfe aber nicht nur in Polder, Deiche und anderen technischen Hochwasserschutz investiert werden.
Nötig sei auch ein ökologischer Hochwasserschutz, also die Renaturierung von Mooren, Flüssen, Seen und Auenlandschaften. Den Haushaltsentwurf kritisiert die Grünen-Politikerin als "ambitionslos". Darin werde nicht nur der Hochwasserschutz, sondern auch die Kinderbetreuung vernachlässigt.
SPD fordert Tempo mehr beim Hochwasserschutz
Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende von Brunn ruft dazu auf, den Hochwasserschutz schneller auszubauen: "Die Klimaerhitzung lässt uns nicht Jahre und Jahrzehnte Zeit." Der Hochwasserschutz sei "eine Überlebensfrage". Daher müsse die Politik auch Schutzprojekte umsetzen, die bei Bürgern unbeliebt seien: "Hochwasserschutz ist keine Spielwiese für Populismus und für Anbiederung", sagte der SPD-Politiker und attackiert Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler): Wenn Aiwanger, der den Bau von Flutpoldern in Bayern verzögert habe, nun dem Naturschutz Vorwürfe mache, sei das "schäbig". Der Minister hatte vor wenigen Tagen auf "X" den Landesbund für Vogelschutz dafür verantwortlich gemacht, dass ein 700 Meter langer Hochwasserdamm noch nicht gebaut worden sei.
Außerdem fordert der SPD-Fraktionschef einen "kraftvollen Ausbau" von Windkraft, Photovoltaik und Energiespeichern sowie mehr Geld für zusätzliche Kitas, Ganztagsschulen und Horte. "In Bayern fehlen leider Ganztagsplätze", beklagt von Brunn. "Die Leidtragenden sind die Familien und die Kinder. Frauen müssen zu oft noch in Teilzeit arbeiten, weil die Betreuung der Kinder nicht klappt. Oder sie bleiben ganz zu Hause."
CSU beklagt "Fake News"
CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek betont, die Staatsregierung habe keine Mittel für den Hochwasserschutz gekürzt. Seit 2001 seien dafür rund vier Milliarden Euro geflossen, weitere zwei Milliarden kämen in den nächsten Jahren hinzu. Die Ampelregierung in Berlin habe dagegen die Mittel für den Katastrophenschutz gekürzt. Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) zeigt sich verärgert über Vorwürfe, die Staatsregierung vernachlässige den Hochwasserschutz. Insbesondere Schulze wirft er unsachliche Polemik vor: "Das muss man schon als Fake News bezeichnen."
Zugleich betonte Herrmann, die Staatsregierung lege einen "starken Haushalt mit Weitblick" vor. Und der Haushalt sei nachhaltig: Die im Vergleich der Bundesländer einzigartige Investitionsquote von 15 Prozent sei die entscheidende Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft. Holetschek spricht von einem "Zukunftshaushalt", der ein "starkes Signal und ein Zeichen der Verantwortung", auch gegenüber der nächsten Generation sei. Mit der Hightech-Offensive beispielsweise gehe es voran. Sie sorge für neue Arbeitsplätze, fördere die Wissenschaft und unterstütze Start-ups.
Die Ampelregierung im Bund hingegen setze falsche Anreize, beispielsweise mit dem Bürgergeld. Sie werde die deutsche Wirtschaft an die Wand fahren, wenn sie die Rahmenbedingungen nicht schnell ändere, so Holetschek. "Das Problem ist doch, dass die Murks-Brothers in Berlin im Moment jeden Tag etwas Neues aufstellen" und die Wirtschaft nicht mehr durchblicke.
Freie Wähler: Grundsolider Haushalt
Freie-Wähler-Fraktionsvize Bernhard Pohl lobt, dass die Staatsregierung "ausreichend" in die innere Sicherheit investiere - auch in den Katastrophen- und Hochwasserschutz. Bayern sei zwar gut unterwegs, müsse aber nach der aktuellen Katastrophe eine Bestandsaufnahme machen und möglicherweise nachsteuern.
Den bayerischen Etat nennt Pohl "grundsolide". "Wir halten uns an die Schuldenbremse. Wir subventionieren kränkelnde Bundesländer, haben Rücklagen aufgebaut für Pandemien, für Naturkatastrophen, gegen die dilettantische Ampelregierung und auch gegen Tricksereien mit Sondervermögen." Statt des "Ampel-Sozialismus" mit Bürgergeld und Kindergrundsicherung sei eine "ehrliche, saubere Wirtschaftspolitik" wie in Bayern nötig. "Wir investieren in Zukunft. Und Zukunft heißt Bildung, Wissenschaft, Wirtschaft."
AfD fordert "millionenfache Remigration"
AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner nutzt ihre Rede zu einer Generalabrechnung mit der "Schreckensbilanz" von Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Statt über die Haushaltspolitik spricht sie vor allem über die aus ihrer Sicht verfehlte Migrationspolitik sowie über die Corona-Politik der vergangenen Jahre. So geißelt sie "Söders ans Totalitäre grenzende" Corona-Politik.
Ebner-Steiner macht die CSU für die "Flutung Deutschlands und Bayerns" mit "Millionen Männern unbekannter Herkunft" mitverantwortlich. "Die millionenfache Remigration von ausreisepflichtigen Ausländern ist das Gebot der Stunde." Jeder dritte Erstklässler in Bayern sei kein deutscher Muttersprachler mehr. "Jede finanz- und wirtschaftliche Fehlentscheidung kann rückgängig gemacht werden. Der Umbau unseres Volkes und unserer Heimat nicht."
Der Grünen-Abgeordnete Toni Schuberl kritisiert die Wortwahl der AfD-Politikerin als unsäglich: "Sie nutzen die Debatte, um über die Flutung Deutschlands mit Ausländern zu hetzen - und das ist schändlich, insbesondere heute", sagt Schuberl mit Blick auf die Hochwasserkatastrophe in Bayern. Staatskanzleichef Herrmann attestiert der AfD-Politikerin eine "komplette Themaverfehlung". Thema der Debatte sei der Haushalt und nicht die "Blasen-Themen" der AfD - Migration und Corona.
Im Audio: Streit im Landtag über Hochwasserschutz
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