Auch wenn München heutzutage seine Umgebung dominiert: Viele Einwohnerinnen und Einwohner des "Speckgürtels" um die Stadt wissen, dass ihre Heimatdörfer oft viel älter sind als die Landeshauptstadt. Während München noch nicht einmal den 900. Geburtstag erreicht hat, sind 1.200-Jahr-Feiern in den Orten der Umgebung keine Seltenheit. Der 17.000-Einwohner-Ort Neufahrn bei Freising wurde im Jahr 804 erstmals urkundlich erwähnt; nach dieser Rechnung wäre er heuer 1.220 Jahre alt. Doch nun stellt sich heraus: Neufahrn ist noch älter. Der Fund, der das beweist, hat sogar Auswirkungen auf die Geschichte des Christentums in der Region.
In Neufahrn gefundene Skelette stammen aus der Zeit um 700
Vor drei Jahren, im Jahr 2021, fand man bei Arbeiten für neue Wohnhäuser und bei der Sanierung des alten Mesnerhauses mehrere Skelette von Menschen, die im frühen Mittelalter an dieser Stelle bestattet worden waren. Wissenschaftliche Untersuchungen haben jetzt gezeigt: Die Männer und Frauen vom Pfarrweg wurden in einem Zeitraum zwischen den Jahren 650 und 770 im Bereich ihres Hofes bestattet. Spätestens ab 700 begannen die Beisetzungen im Bereich des späteren Mesnerhauses. Die Funde belegten auch, dass an der Stelle der heutigen Kirche schon im 8. Jahrhundert ein Gotteshaus mit Friedhof gestanden haben muss, wie die Gebietsreferentin des Landesamts für Denkmalpflege, Amira Adaileh, vergangene Woche berichtete.
Besiedelung zeigt: Neufahrn mindestens 100 Jahre älter als gedacht
Das Alter von Neufahrn müsse demnach um mindestens 100 Jahre zurückverlegt werden, sagte der Vorsitzende des Heimat- und Geschichtsvereins Neufahrn Ernest Lang: "Die bisher in den Schulen gelehrte und auch in einer offiziellen Broschüre der Gemeinde beschriebene Ortsgeschichte ist nicht mehr haltbar."
Kreisarchäologin Delia Hurka sagt: "Die Menschen errichteten hier mehrere Hofstellen, von denen sich die Reste der typischen, in den Boden eingelassenen Grubenhäuser sowie einige Langhäuser erhalten haben." Nicht ungewöhnlich sei die Art von sieben Bestattungen innerhalb von Höfen mit Wohnhaus und Nebengebäuden.
C14-Methode und Wissen über Begräbniskultur geben Klarheit
Insgesamt 17 Skelette – sechs aus dem Bereich des Pfarrweges und elf aus dem Bereich des Mesnerhauses – wurden mit der Radiokarbonmethode untersucht. Dabei wird das radioaktive Kohlenstoffisotop C-14 gemessen, das mit einer bestimmten Halbwertszeit zerfällt und so Aufschluss über das Alter bestimmter Objekte gibt. Aber auch die Art und Weise der Bestattung gab den Forschenden Aufschluss über das ungefähre Alter der Skelette: Alle waren in westöstlicher Lage beigesetzt. Nach dem Ende der großen Reihengräberfriedhöfe des 6. Jahrhunderts hätten die Menschen ihre Verstorbenen oft weiter in westöstlicher Ausrichtung innerhalb ihrer Siedlungen bestattet, so die Forschenden. Erst im Laufe des 8. Jahrhunderts hätten sich die Friedhöfe hin zu den Ortskirchen verlagert.
Auch Geschichte des Christentums setzt in Bayern wohl früher ein
Die Funde erhärten auch eine These der aktuell laufenden Bayerischen Landesausstellung (externer Link) in Freising mit dem Titel "Tassilo, Korbinian und der Bär - Bayern im frühen Mittelalter". Die Ausstellung beschäftigt sich unter anderem mit dem Heiligen Korbinian, dem Gründer des Bistums Freising, und dem Agilolfinger-Herzog Tassilo III und stellt die These auf, dass es in Bayern offenbar schon vor der Ankunft des Heiligen Korbinian vor 1.300 Jahren Christen gab. Die Funde in Neufahrn könnten dieser These weiter Auftrieb geben.
Die Ergebnisse der Ausgrabungen und Untersuchungen sollen auf Schautafeln zusammen mit anderen Fundstücken aus dem Gemeindegebiet in Vitrinen im sanierten Mesnerhaus der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Mit Informationen der dpa
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