Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Betriebe in Deutschland dazu aufgefordert, mehr junge Menschen auszubilden. "Manche Betriebe suchen händeringend Fachkräfte, aber manche Betriebe bilden auch nicht aus", sagte der SPD-Politiker am Montag bei einer Mai-Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Koblenz. "Und deshalb hier und an dieser Stelle der Appell: Es sollen sich alle noch einmal zusammenreißen und alles dafür tun, dass die Zahl der Ausbildungsplätze in Deutschland weiter steigt."
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Buhrufe und Pfiffe – Scholz wirbt für Respekt
Die Gewerkschaften hatten bundesweit für den 1. Mai zu Kundgebungen unter dem Motto "Ungebrochen solidarisch" aufgerufen. Bei der Kundgebung in Koblenz wurde Scholz mit Applaus, aber auch Buhrufen und Pfiffen der rund 2.500 Menschen empfangen. Scholz warb für Respekt vor jeder Form der Arbeit. "Respekt für Arbeit ist das, was für unsere Demokratie und für unser Miteinander unverzichtbar ist", sagte Scholz. Er wünsche sich einen "Mentalitätswandel", der für jede Arbeit den notwendigen Respekt aufbringe - nicht nur für Ingenieure oder IT-Fachkräfte.
Scholz unterstützte die Gewerkschaftsforderungen nach einer stärkeren Tarifbindung. Es seien in Deutschland "mehr Tariflöhne, mehr Tarifbindung" nötig. Tariflöhne sorgten dafür, dass kein Arbeitnehmer allein für seinen Lohn verhandeln müsse. "Deshalb wünsche ich mir, dass wir wieder eine größere Zahl von Betrieben haben, die Tarifverträge abschließen", betonte Scholz vor den versammelten Gewerkschaftern.
DGB-Chefin Yasmin Fahimi verteidigte in einer kämpferischen Rede die Forderungen der Gewerkschaften. Es gehe darum, eine gerechte Zukunft für alle zu sichern, sagte Fahimi bei der Hauptkundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Köln. Dafür brauche es auch Streiks. Wörtlich erklärte Fahimi: "Tarifautonomie ohne Streikrecht ist nichts anderes als kollektives Betteln." An die Politik appellierte sie, ein Tariftreuegesetz zu schaffen, damit sich nicht immer mehr Firmen von den Tarifverträgen verabschieden.
Scholz verlangt mehr Ausbildung in Betrieben
Bundeskanzler Scholz betonte zuvor: "Gerade am 1. Mai, am Tag der Arbeit, kann, darf und muss man sagen: In Deutschland wird es für viele, viele Jahre, vielleicht für mehr als ein Jahrzehnt, nicht das Problem geben, dass wir kämpfen müssen gegen Arbeitslosigkeit." Der Kanzler warb für mehr Ausbildungsplätze. Es müsse dafür gesorgt werden, "dass alle junge Leute, die eine Ausbildung suchen, auch einen Ausbildungsplatz finden". Manche Betriebe suchten händeringend Fachkräfte, aber manche Firmen bildeten gar nicht aus. "Wir müssen sicherstellen, dass wieder mehr in Deutschland ausgebildet wird, dann haben wir auch weniger Probleme bei der Suche nach Fachkräften", sagte Scholz.
Der Bundeskanzler betonte erneut die Bedeutung von Einwanderung für den Arbeitsmarkt. "Wir begrenzen die irreguläre Migration. Wir wollen, dass alles nach Regeln vor sich geht", sagte Scholz. Diejenigen, die Schutz bräuchten, schütze man. "Aber gleichzeitig sorgen wir dafür, dass auf reguläre Weise diejenigen, die wir als Arbeitskräfte hier in Deutschland brauchen, auch eine Chance haben." Dafür sei das neue Gesetz zur Einwanderung von Fachkräften wichtig, weil es die Zukunft der Wirtschaft sowie die Sicherheit der Arbeitsplätze und der Renten- und Sozialversicherung garantiere.
Bayerischer DGB-Chef Stiedl fordert Umverteilung von Reichtum
Auch überall in Bayern gab es am 1. Mai Kundgebungen und Bürgerfeste, um auf Solidarität und die Rechte der Arbeitnehmer zu pochen. Auf dem Münchner Marienplatz nahmen nach Zählung der Polizei rund 3.500 Menschen teil. In Nürnberg zogen rund 1.500 Demonstrantinnen und Demonstranten durch die Stadt. Bayerns DGB-Chef Bernhard Stiedl hatte sich dieses Jahr für seine Rede am Tag der Arbeit nicht die bayerischen Metropolen ausgesucht, sondern das unterfränkische Schweinfurt. Eine traditionsreiche Industriestadt, die aktuell mit 6,6 Prozent die höchste Arbeitslosenquote in ganz Bayern aufweist.
Solidarität forderte der DGB-Chef vor allem für Arbeitnehmer. In einer nie dagewesenen Energie- und Kostenkrise, in der vor allem die Beschäftigten die Hauptlast tragen müssen. Deshalb dürften Unternehmen gerade jetzt keine Beschäftigten entlassen oder ins Ausland abwandern und gleichzeitig von staatlichen Hilfen profitieren, so Bernhard Stiedl. Man müsse der Profitgier in Krisenzeiten entschlossener entgegentreten.
"Die einen lassen die Champagner-Korken knallen, den anderen droht die Suppenküche. Was für eine schreiende Ungerechtigkeit", so Stiedl. "Warum handelt hier nicht die Politik? Besteuert endlich die, die uns die Preise erhöhen. Das muss jetzt Handeln der Politik sein, liebe Kolleginnen und Kollegen." Deshalb fordert der bayerische DGB-Vorsitzende eine Umverteilung von Reichtum und mehr Gerechtigkeit im Steuersystem. Außerdem fehle es an fairen Arbeitsbedingungen.
Die Tarifbindung nehme immer weiter ab, viele Betriebe bauten ihr Geschäftsmodell auf schlecht bezahlte Arbeit auf. Das könne man nicht hinnehmen. "Allein in Bayern arbeiten rund eine Million Beschäftigte im Niedriglohnsektor. Das ist eine Arbeitswelt wie sie die Arbeitgeber wünschen, aber die Mehrheit der Menschen wollen diese Arbeitswelt nicht", sagt der bayerische DGB-Chef. "Das ist und bleibt eine Schande für eines der reichsten Länder dieser Erde. Das muss auch geändert werden."
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