Reguläre Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung sind Mangelware in Deutschland. "Da ist noch viel Luft nach oben", sagt Ulrike Mascher, Landesvorsitzende des Sozialverbands VdK in Bayern, zum Thema Arbeit für Menschen mit Behinderungen. Viele Unternehmen, die verpflichtet wären, ihnen Arbeitsplätze anzubieten, zahlten stattdessen lieber eine Abgabe. In ganz Deutschland sind das laut Mascher rund 40.000 Unternehmen, in Bayern etwa 7.500. Dass es anders geht, beweist das Augsburger Uniklinikum: Dort arbeitet Anna Lena Bogenhauser in der Notaufnahme.
Pflegehelferin mit Down-Syndrom
Die junge Frau mit eckiger Hipsterbrille, Pferdeschwanz und seitlich modisch abrasierten Haaren wischt gerade mit einem Tuch gründlich die Schalter eines Messgerätes ab. Sie wurde mit dem Down-Syndrom geboren und gilt damit im Sinne des Sozialgesetzbuchs als schwerbehindert. Seit inzwischen acht Jahren arbeitet die 30-Jährige in der Notaufnahme als Pflegehelferin, sortiert die Schläuche eines EKG-Geräts, kontrolliert, ob alle Regale aufgefüllt sind oder teilt Essen aus. Ihre Kollegen schätzen ihre Arbeit. Sie hat dort eine Chance bekommen, auf die viele andere Menschen mit Behinderung vergeblich hoffen, obwohl sie eine Ausbildung haben.
Video: Fest im Job trotz Handicap - Pflegehelferin mit Down-Syndrom
Unternehmen nutzen das Potenzial von Menschen mit Behinderung oft nicht
Über die Hälfte der Menschen mit Behinderung, die arbeitslos sind, haben einen Beruf erlernt, erklärt Ulrike Mascher vom VdK in Bayern, bei Menschen ohne Behinderung sei der Anteil viel geringer. In Anbetracht des Fachkräftemangels habe man da ein ungenutztes Potenzial von Menschen mit einer Ausbildung, die meistens eine hohe Motivation mitbrächten, meint sie. Aber viele Unternehmen nutzten das eben nicht. Die hohe Motivation spürt man auch bei Anna Lena Bogenhauser. Sie hatte vor Jahren ihre Mutter begleitet, die ebenfalls im Augsburger Uniklinikum in der Pflege arbeitet, war begeistert und machte danach eine Ausbildung zur Pflegehelferin bei den Maltesern.
Persönliche Kontakte helfen
Anna Lena Bogenhauser hatte Glück und bekam im Anschluss an ihre Ausbildung eine Stelle am Augsburger Uniklinikum. Andere haben dieses Glück nicht, weiß Ulrike Mascher vom Sozialverband VdK in Bayern - und ärgert sich, vor allem über die Widersprüchlichkeit, wie sie sagt. Denn viele Menschen würden ja nicht mit einer Behinderung geboren, sie bekämen im Lauf ihres Lebens eine chronische Erkrankung oder würden bei einem Unfall schwer verletzt. In so einer Situation, sagt Mascher, seien Arbeitgeber dann häufig durchaus bereit, "unserer Frau Huber, unserem Herrn Müller die Chance zu geben, wieder bei uns anzufangen. Aber wenn sie jemanden nicht kennen, wenn der von außen kommt, wenn es eben nicht unsere Frau Huber ist oder die Tochter einer geschätzten Mitarbeiterin, dann findet es halt nicht statt".
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