Mit einem großen Metallschlüssel öffnet der Beamte die Tür und lässt Martin Groos vom Malteser Hilfsdienst in den Flur. In einem kleinen Zimmer am Ende dieses Flurs trifft er Menschen, die in Abschiebehaft sitzen und ein seelsorgliches Gespräch führen wollen. Wer in dem Zimmer auf ihn wartet, weiß Martin Groos oft nicht. Aber er weiß, dass dann jedes Wort zählt. "Es ist nicht unwahrscheinlich, dass ich den Menschen nur einmal sehe, weil er dann schon abgeschoben ist, und das heißt, ich kann keinen Smalltalk machen." Seit über einem Jahr kommt er in das Abschiebegefängnis und will den Menschen in einer hoffnungslosen Situation Perspektiven aufzeigen.
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Wer kommt in Abschiebehaft?
57 Menschen waren Mitte März in der Eichstätter Abschiebehaftanstalt untergebracht, Platz wäre für 90 Personen. Weitere bayerische Einrichtungen befinden sich in Hof und am Flughafen München, mit insgesamt rund 260 Plätzen für Menschen, die nicht fristgemäß ausreisen und sich einer Ausreise entziehen könnten. Eine weitere Personengruppe sind Straftäter. Sie sollen laut Bayerischem Landesamt für Asyl und Rückführungen direkt aus ihrem jeweiligen Gefängnis abgeschoben werden. Ist das nicht möglich, kommt die Abschiebehaft ins Spiel, für die immer ein richterlicher Beschluss vorliegen muss. Die große Mehrheit der Insassen sind Männer und sie kommen aktuell vor allem aus Marokko, Afghanistan und der Türkei.
Angst vor Rückkehr in die Heimat
In Eichstätt wartet schon ein junger Mann auf Martin Groos. Wir dürfen weder seinen Namen noch sein Herkunftsland nennen – auch zu seinem eigenen Schutz. Seine Heimat hat er verlassen, weil er dort nicht frei leben konnte, es habe ihm Gefängnis gedroht. Ob seine Geschichte stimmt, lässt sich nicht überprüfen. Der junge Mann sagt: "Psychisch geht es mir nicht gut. Ich möchte nicht zurückgehen. Ich bin fleißig, ich möchte arbeiten. Ich möchte hier bleibe. Und hier einfach ruhig leben. Mit Freiheit." Doch in der Abschiebehaft schrumpfen die Optionen.
Rechtsberatung auf den letzten Metern
Jana Jergl vom Flüchtlingsdienst der Jesuiten besucht die Menschen in Eichstätt regelmäßig für eine juristische Beratung. Sie klärt über die Situation auf und vermittelt Anwälte oder Dolmetscher. In den allermeisten Fällen ergibt die Prüfung, dass die Abschiebung alternativlos ist. Die Menschen in Abschiebehaft kommen laut Jergl aus den unterschiedlichsten Ländern, mit sehr unterschiedlicher Bildung und Herkunft im Hintergrund. Für sie alle sei vor allem offene Aufklärung das A und O: "Ich halte es für wichtig, den Menschen zu sagen, dass sie zurückkehren müssen, und sie darüber aufzuklären, was das bedeutet."
Hoffnung für die Hoffnungslosen
Der ehrenamtliche Seelsorger Martin Groos geht aus einer tiefen Glaubensmotivation heraus in die Eichstätter Abschiebehaft. "Es fordert mich selbst heraus, weil da Menschen zu mir kommen, die erwarten von mir in irgendeiner Weise eine Stärkung ihrer Hoffnung. Und das stellt die Gründe meiner eigenen Hoffnung auf die Probe, weil ich keine Hoffnung vermitteln kann, die ich selbst nicht habe." Er hat dafür immer Texte aus der Bibel dabei, Psalmen etwa, die auch für Muslime oder Nichtgläubige hilfreich sein können, glaubt Groos. Im Fall des jungen Mannes scheint das so zu sein, er entspannt sich im Gespräch und lächelt sogar: "Ich freue mich, dass Martin mir was zum Lesen mitbringt. Das macht mich glücklich."
Nach fast zwei Stunden verlässt Martin Groos die Abschiebehaft. Nächste Woche kommt er wieder. Ob der junge Mann dann noch da ist, weiß er nicht.
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