Pappenheim im Altmühltal: Die Kleinstadt im mittelfränkischen Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen ist evangelisch geprägt. Gerd Schamberger ist Pfarrer der evangelischen Stadtkirche. Seine nüchterne Bilanz: "Die Kirchengemeindegliederzahlen gehen zurück, und auch das hauptamtliche Personal in der Kirche wird weniger. Mit dieser Situation müssen wir jetzt zurechtkommen und entsprechend Wege finden."
Einer der Wege: Weniger Pfarrerinnen und Pfarrer sind für immer mehr Orte zuständig. Pfarrer Gerd Schamberger kümmert sich derzeit um die Gemeindeglieder von fünf Ortschaften. Deshalb ist nicht in jeder Kirche an jedem Sonntag auch ein Gottesdienst. "In den Dörfern, die ich bislang betreut habe, ist das tatsächlich die Normalität", sagt Schamberger.
Evangelische Kirche: Weniger Kirchensteuer, weniger Personal
Es ist eine Spirale: Mehr Kirchenaustritte bedeuten weniger Kirchensteuermittel. Und die bedeuten ein ausgedünntes Programm für die Gläubigen. "Und doch muss man einigermaßen versuchen, die Balance zu halten und die Angebote dann so zu setzen, dass wirklich auch die Gemeindeglieder in den Dörfern nicht ganz hinten runterfallen und sich die Kirche aus dem ländlichen Raum zurückzieht." Ein gemeinsamer Gemeindebrief mehrerer Pfarreien und eine größere Rolle für die Ehrenamtlichen sind zwei Maßnahmen, um den Mangel aufzufangen.
Wer soll die vielen Pfarreien in Zukunft versorgen?
Die Diskussion, wie man die vielen Kirchen im Dekanat Pappenheim und anderswo in Zukunft versorgen kann, ist entbrannt. Denn die Zahlen sind eindeutig. Die Evangelische Landeskirche rechnet in den nächsten zehn Jahren nur noch mit etwas mehr als halb so vielen Pfarrerinnen und Pfarrern wie heute. Schon jetzt baut die Landeskirche Stellen ab, weil die Kirchensteuereinnahmen sinken.
Die Berufsvertreter der Pfarrer üben Kritik. "Ich akzeptiere, dass man aufs Geld schauen muss. Und dass man nicht Dienstverhältnisse eingehen kann, die man vielleicht in 30 bis 40 Jahren gar nicht mehr bezahlen kann", sagt Daniel Tenberg vom Pfarrer- und Pfarrerinnenverein. "Trotzdem empfinde ich den Personalabbau, der aktiv betrieben wird, indem man einfach nicht nachbesetzt, zu stark. Denn irgendwann wird die Kurve nach unten zu steil."
Der Personalchef der bayerischen Landeskirche Stefan Reimers setzt unter anderem auf stärkere Zusammenarbeit. "Dekanate schließen sich zusammen, Kirchengemeinden beginnen zu kooperieren, die Verwaltung von Gemeinden wird zusammengelegt. Da probieren ganz viele ganz viel aus, und wir machen gute Erfahrungen." Allerdings werden auch Erfahrungen gemacht, dass Dinge nicht gelängen. Trotzdem sei es immer Ziel, einen attraktiven Arbeitsmarkt für Menschen zu bieten, die in der Kirche arbeiten wollen.
Der Wunsch nach Gottes Segen ist da – doch wer gibt ihn in Zukunft?
In der katholischen Kirche gibt es nicht nur zu wenige Priester. Der Fachkräftemangel trifft auch auf Gemeinde- und Pastoralreferenten zu. In beiden Kirchen werden in den nächsten zehn Jahren viele Theologen der Babyboomer-Generation in den Ruhestand gehen.
Der katholische Pfarrer Konrad Bayerle im mittelfränkischen Weißenburg macht die Erfahrung: "Die Individualität der Leute steigt, das erlebe ich bei jeder Beerdigung, bei jeder Trauung, das erlebe ich bei sonstigen Anfragen: Es ist die Bereitschaft da, Gottes Segen für verschiedene Lebenssituationen in den Blick zu nehmen, aber eben in der Gestaltung, wie ich es gerne hätte, vom Einzelnen ausgedacht." Und das wird zunehmend schwieriger, weil die Personaldecke immer dünner wird.
Beide Kirchen suchen händeringend nach Nachwuchs
Und das macht es für die wenigen Seelsorger nicht leichter. Beide Kirchen suchen händeringend nach neuen Wegen, um Nachwuchs für die theologischen Berufe zu finden. Stefan Koch ist Pfarrer und Unternehmensberater. Er rät: "Ich könnte mir vorstellen, dass es spannend sein könnte, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die nicht studieren. Müssen Pfarrerinnen und Pfarrer akademisiert sein oder wäre es auch möglich, ohne Studium Priester zu werden?"
Pfarrer werden ohne Theologiestudium? Beide Kirchen testen in Bayern neue Zugänge und werben auf modernen Kommunikationswegen zum Beispiel mit Imagefilmen dafür. Die katholische Kirche bietet ab Herbst ein duales Onlinestudium für Religionspädagogik. Und die Evangelische Kirche versucht, mit einem nur dreijährigen Fernstudium für Quereinsteiger neue Pfarrerinnen und Pfarrer zu gewinnen.
Mehr zum Thema "Volkskirche ade?" in der Sendung STATIONEN in der ARD Mediathek.
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