Chaos an einem Dienstagabend am Hauptbahnhof in Augsburg: Noch arbeiten alle Lokführer, für die Bahnreisenden läuft trotzdem bei weitem nicht alles nach Plan. "Der erste Zug ist ausgefallen", sagt eine Kundin, "und als wir dann mit dem anderen Zug fahren wollten, hat der Bahnbedienstete gesagt, der wäre an den anderen Zug angehängt gewesen und ist infolgedessen auch ausgefallen." Ein anderer Fahrgast rätselt, "ob wir heute noch einigermaßen hinkommen, wo wir hinwollen". Die Reisenden Richtung Ansbach haben Pech und die Richtung Ulm auch, ihre Züge fallen aus.
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Busunternehmer: "Das ist wieder eine Geschichte von der DB"
"Es ist gar nicht klar, ob jetzt irgendwas fährt. Die Informationen sind eine Katastrophe", echauffiert sich ein Kunde. Und sagt weiter: "Unten steht irgendwas von Schienenersatzverkehr (SEV), draußen ist nix." Doch auf dem Bahnhofsvorplatz hätte es einen Ersatzbus gegeben, erzählt Busunternehmer Tobias Maikowske. Vor einer Stunde sei das Fahrzeug Richtung Ulm gefahren. Nur davon hat wohl kaum jemand was mitbekommen. "Das ist wieder eine Geschichte von der DB", sagt Maikowske. Die Kommunikation der Deutschen Bahn – offensichtlich ein Problem.
Ausbaden müssten den Ärger der Kunden oft die Fahrer, erzählt Busunternehmer Maikowske. Er selbst koordiniert die Einsätze. In Augsburg sind an diesem Tag Fahrzeuge aus München, Würzburg, Aschaffenburg, aber auch aus Baden-Württemberg und dem Havelland im Einsatz. Viel Logistik, um den stotternden Bahnverkehr aufzufangen.
Viele Baustellen und nun auch noch Warnstreiks
Nach jahrelanger Sparpolitik saniert die Deutsche Bahn gerade einige Strecken, doch das hat auch jede Menge Gleissperrungen zur Folge. Das BR-Politikmagazin Kontrovers wollte wissen, wie viele Baustellen es am Netz aktuell gibt. Das könne die Bahn allerdings nicht beantworten, heißt es.
Reibungslos läuft der Schienenersatzverkehr ohnehin nicht – seit Mittwochabend kommen nun auch noch der Warnstreik der Lokführergewerkschaft GDL dazu.
Doppelte Gleissperrung: SEV als einzige Alternative
Der Streik der Lokführer sorgt für Ärger, genauso wie der Zeitpunkt mancher Streckensperrung. Ein Beispiel: Am letzten Novemberwochenende will die Deutsche Bahn auf der Strecke zwischen München und Salzburg bauen. In derselben Zeit wird auch auf der Ausweichstrecke über Mühldorf nach Salzburg gebaut. Von München nach Salzburg kann man dann nicht mit dem Zug fahren. "Leider" lassen sich laut Bahn die Baumaßnahmen "ressourcenbedingt und aufgrund der engen Zeitfenster bei Bautätigkeiten nicht entflechten".
Durch die zeitgleiche Sperrung beider Strecken zwischen München und Salzburg biete die Bahn keine Alternative für Fahrgäste an, die auf den Zug angewiesen sind, sagt Marco Kragulji vom Fahrgastverband Pro Bahn Bayern: "Außer den Schienenersatzverkehr, wo wir ja jetzt schon prognostizieren können, dass er in einem Chaos enden wird.
Busunternehmer Thomas Richter aus Freilassing soll das befürchtete Chaos zwischen München und Salzburg verhindern: Er wird den Schienenersatzverkehr übernehmen. Doch auch die Infrastruktur an den Bushaltestellen ist häufig nicht ideal: Zu wenig Spuren für zu viele Fahrzeuge, die sich aufstauen und nicht einfach losfahren können. "Problematisch wird es, wenn man eine Abfahrtszeit wahrnehmen muss und steht hinter einem, der vielleicht zehn Minuten später wegfährt", sagt Richter.
Der Bedarf steigt, das Personal aber nicht
Hinzu kommen Personalengpässe. Ein Blick auf den eng getakteten Schichtplan für den SEV zeigt: Hier muss jeder mit Busführerschein ans Steuer, egal ob Mechaniker oder der Chef selbst. Mehr Personal werde es in den nächsten Jahren nicht geben, so Richter: "Im Gegenteil, es wird eher weniger."
Der Bedarf an Schienenersatzverkehr steigt, aber die Kapazitäten sind offenbar nicht da. Besonders chaotisch kann es laut Richter werden, wenn Züge kurzfristig ausfallen: "Dann stehen 400 Menschen dort, die nur eins sehen: einen Bus wo draufsteht Schienenersatzverkehr." Als Fahrer werde man "quasi überrannt", könne aber nicht losfahren, weil zwar die Leute im Bus seien – ihr Gepäck aber im Laderaum bis zur anderen Seite durchgeschoben wird und neben dem Bus auf der Straße liege. "Das sind Dinge, wo man kapituliert und vielleicht sogar den Schlüssel zieht und abhaut", sagt der Busunternehmer mit galgenhumorartigem Lachen. Je nachdem wie sich die Lokführerstreiks entwickeln, könnte der Schienenersatzverkehr bei Fahrern und Reisenden bald für noch mehr Stress sorgen.
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