Weltweit sind Städte stolz auf ihre Skyline mit glitzernden Wolkenkratzern. In München ist das ein bisschen anders. Seit Jahrzehnten wird diskutiert, wie hoch ein Hochhaus in Bayerns Landeshauptstadt sein darf. Maximal 100 Meter und damit etwa so hoch wie die Türme der Frauenkirche, Wahrzeichen der Stadt - das war bisher die Maßgabe. Aber ist das noch zeitgemäß?
Neue Hochhausstudie als Diskussionsgrundlage
Diese Frage treibt erneut die Stadträte um. Noch im ersten Halbjahr will sich das Plenum mit den Ergebnissen einer neuen Hochhausstudie befassen, wie das Planungsreferat auf Anfrage mitteilte. Ein Termin steht noch nicht fest. Derzeit werden Stellungnahmen der Bezirksausschüsse ausgewertet; sie sollen in die geplante Beschlussvorlage einfließen. Bisher gibt es zwei Hochhausstudien von 1977 und 1995, die sich dem Umgang mit Hochhäusern in München widmeten und einen zurückhaltenden Umgang empfahlen. Nun soll die neue Studie Antworten geben, wo und wie neue Hochhäuser im Stadtgebiet denkbar sind.
Hochhäuser nur in bestimmten Gebieten der Stadt
Der Entwurf will die Diskussion um Hochhäuser auf bestimmte Gebiete begrenzen, zudem sollen Kriterien eingehalten und der Einzelfall geprüft werden. Hochhäuser werden "als selbstverständlicher Teil der Stadt" verstanden, wie es in dem Entwurf heißt. Allerdings sollen sie in einem "politisch gewollten und von der Stadtgesellschaft mitgetragenen Prozess" entstehen. Die Vorhaben sollen deshalb einen städtebaulichen und architektonischen Wettbewerb durchlaufen.
Bürgerentscheid von 2004 schon lange verjährt
2004 hatte eine Gruppe um Alt-Oberbürgermeister Georg Kronawitter (SPD) in einem Bürgerentscheid mit hauchdünner Mehrheit erreicht, dass keine Hochhäuser über 100 Meter Höhe gebaut werden sollten. Eine schlimme Niederlage für den damaligen OB Christian Ude (SPD). Der Bürgerentscheid hatte nur ein Jahr lang rechtliche Bindung. Dennoch setzte sich die Stadtspitze über lange Zeit nicht darüber hinweg.
Unterschriften gegen 155 Meter hohe Häuser an der Paketposthalle
Ein Neubau-Projekt eines Investors mit zwei 155 Meter hohen Hochhäusern mit Gewebe-, Büro- und Wohnräumen auf dem Areal der sogenannten Paketposthalle am Hirschgarten hat das Thema nun neu befeuert. Derzeit laufen die Planungen, sie sollen mit der Hochhausstudie abgeglichen werden. Ein Bürgergutachten hatte sich vergangenes Jahr für den Bau ausgesprochen.
Doch es gibt Widerstand. Gemeinsam mit dem ehemaligen SPD-Stadtrat Wolfgang Czisch hat der CSU-Landtagsabgeordnete Robert Brannekämper eine Unterschriftensammlung für ein Bürgerbegehren gegen die beiden Türme gestartet. Rund 33.000 Unterschriften seien nötig, sagte Czisch. 23.000 sind es bislang. Die Sammlung laufe weiter.
Brannekämper führt gegen die Türme vor allem ökologische Aspekte an. Zudem befürchtet er eine Beeinträchtigung des Stadtbildes. Der Luftaustausch in die Stadt werde durch hohe Gebäude verschlechtert, sagt Brannekämper mit Blick auf den Klimawandel. Auch sei die Energiebilanz bei Hochhäusern schlechter als beim klassischen Wohnungsbau. "Türme über 60 Meter passen aus ökologischen Gründen einfach nicht mehr in die Zeit."
OB Reiter kann sich weitere Hochhäuser gut vorstellen
Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) steht einer höheren Bauweise in seiner Stadt grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber. "Ich kann mir Hochhäuser für München gut vorstellen", sagte der Rathauschef. Mit dem Projekt am Hirschgarten hatten sich vor einem Jahr gut 100 Bürgerinnen und Bürger befasst - und sich dabei mehrheitlich offen gezeigt "für eine Architektur, die innovativ ist und mehr Höhe wagt", wie Reiter damals sagte. "Das heißt, dass moderne Akzente im Stadtbild durchaus erwünscht sind – wenn der Standort stimmt."
Schon jetzt gibt es in München Häuser, die höher aufragen als die magischen 100 Meter: 114 Meter misst nach Angaben der Stadt das Hypo-Hochhaus in Bogenhausen von 1981, 101 Meter das BMW-Hochhaus in Milbertshofen von 1972. Keinen Anstoß erregte auch der 291 Meter hohe Olympiaturm, der allerdings kein Hochhaus ist und ebenfalls als Wahrzeichen gilt. Just aus dem Jahr des Bürgerbegehrens 2004 stammen die 126 und 113 Meter hohen Highlight Towers in Schwabing-Freimann.
Neue Stadtsilhouette?
Ein Spannungsfeld laut Stadt: "Hochhäuser werden teils als Bereicherung, als neue Orientierungs- und Identifikationspunkte wahrgenommen. Veränderungen von bestimmten Blickbeziehungen in der Stadtsilhouette werden häufig kritisch bewertet – wie bringt man beides in Einklang?" München war etwa stolz darauf, dass die markanten Türme der Frauenkirche von weitem zu sehen sind.
Wie nachhaltig sind Hochhäuser?
Weitere Frage der Stadt: "Wie können Hochhäuser nachhaltig sein?" Der Bund Naturschutz in Bayern (BN) bezweifelt, dass Häuser mit 150 Metern Höhe nachhaltig sein können. "Die CO2-Bilanz von Hochhäusern ist nach bisherigen Erfahrungen nicht gut, muss aber im Einzelfall betrachtet werden", sagte der Münchner BN-Vorsitzende Christian Hierneis. Für den BN machten Hochhäuser ausschließlich dann Sinn, wenn bezahlbarer Wohnraum geschaffen und dadurch an anderer Stelle Fläche eingespart werde. Hochhäuser mit gewerblicher Nutzung hält Hierneis für unnötigen Flächenverbrauch.
Auch Tiefgaragen dürften nur direkt unter dem Haus und ohne Eingriffe ins Grundwasser gebaut werden, damit Regenwasser versickern könne und Platz für große schattenspendende Bäume bleibe. Kühlendes Grün werde in Städten durch den Klimawandel schließlich immer wichtiger.
Mit Informationen von dpa
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