Aus Angst vor einem rapiden Abfall des Leitungsdrucks fordert Bayern vom Bund einen Stresstest für die heimische Gasversorgung. "Es wird befürchtet, dass im Falle einer Gasmangellage möglicherweise der Gasdruck nicht ausreichen könnte, um die in Bayern zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit notwendigen Gaskraftwerke ausreichend zu versorgen", heißt es in einem fünfseitigen Brief von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Söder: "Haben zu wenig Informationen"
Darüber hinaus bestehe die Befürchtung, dass in diesem Fall auch die Leitungskapazitäten nicht ausreichend seien, um Bayern mit dem erforderlichen Strom aus Kohlekraftwerken im Westen und Osten zu versorgen, steht weiter in dem Schreiben, das am Dienstag von München nach Berlin geschickt wurde. "Es ist in diesem Kontext irritierend, dass dieser für Mai 2022 zugesagte Stresstest trotz der sich verschärfenden Lage noch immer nicht vorgelegt wurde."
Aus der Staatskanzlei hieß es auf Nachfrage, es seien weder Ergebnisse eines Stresstests bekannt, noch ob dieser überhaupt durchgeführt wurde. "Wir haben insgesamt zu wenig Informationen in Deutschland, was wirklich jetzt passiert", sagte Söder auf BR24-Anfrage. "Wann kommt Gas? Wie ist der derzeitige Stand bei der Gasversorgung? Und welche Notfallpläne herrschen dann, wenn das Gas nicht kommt?" Länder wie Italien hätten ihre Gasversorgung dagegen gesichert.
Söder: Gas-Abkommen mit Österreich muss schnell her
Söder bezieht sich in dem Schreiben auf Berechnungen der Bundesnetzagentur, wonach eine sogenannte Gasmangellage auch dann eintreten werde, wenn die russischen Gaslieferungen über die Pipeline Nord Stream 1 auf dem aktuell gedrosselten Niveau von 40 Prozent bestehen blieben.
Neben dem Stresstest fordert Söder im Brief auch erneut die Befüllung aller für Bayern relevanten Gasspeicher. Für den Speicher im österreichischen Haidach müsse daher "schnellstens" das notwendige Abkommen mit Österreich zum Abschluss gebracht werden.
Erneute Forderung nach längeren Atomkraft-Laufzeiten
Um für Herbst und Winter mehr Gasvorräte zu speichern, müssten laut Söder die Kohlekraftwerke in Deutschland schnellstmöglich in der Netzreserve wieder ans Netz gehen. Zwar wolle der Bundesrat dafür am 8. Juli die notwendige gesetzliche Grundlage schaffen, "jedoch kommt dieser Schritt aus Sicht der Staatsregierung leider zu spät". In der Folge sei bereits zu viel Gas "unnötig" verstromt worden.
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In seinem Schreiben fordert Söder erneut den Weiterbetrieb der deutschen Atommeiler. Auf diese Weise könne die Verstromung von Gas reduziert, die Versorgungssicherheit erhöht und die Stabilität im Stromversorgungssystem verbessert werden. Die Staatsregierung sehe keine "stichhaltigen Argumente", die gegen eine Verlängerung der Atomlaufzeiten spreche. Die vom Bund vorgebrachten "technischen, rechtlichen und personellen Probleme" würden ausdrücklich nicht geteilt. "Aus Sicht der Staatsregierung benötigt Bayern die Kernkraft als Sicherheitspuffer, um die Stabilität des Stromnetzes in Bayern im Falle einer Gasmangellage aufrechtzuerhalten."
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Grünen-Politikerin Dröge: Längere AKW-Laufzeiten nicht nötig
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Katharina Dröge, hält eine längere Laufzeit der Atomkraftwerke wegen drohender Gasengpässe nicht für notwendig. "Wir brauchen Atomkraftwerke schlicht weg nicht", sagte sie im ARD-"Morgenmagazin". Atomkraftwerke könnten nur maximal ein Prozent des Erdgasverbrauchs ersetzen. Forderungen der Union nach einer AKW-Laufzeitverlängerung seien deshalb eine "Ablenkungsdebatte".
(mit Informationen von dpa)
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