Wenn Maria Noichl erzählt, dann sprudelt sie förmlich. Parteifreunde sprechen unisono von ihr als "Powerfrau", sie sei ein absolutes "Energiebündel". Ihr Lebens-, ihr Herzensthema: das sind die Frauen, das ist die Gleichstellungspolitik, sagt Maria Noichl über sich selbst. Der Grund: die Arbeit für Frauen hat sie einst in die aktive Politik gebracht: Durch ihr Engagement für den Frauen-Notruf in Rosenheim kam sie zu den SPD-Frauen, dann erst wurde sie SPD-Mitglied. Seit sechs Jahren nun ist die 57-Jährige Bundesvorsitzende der SPD-Frauen. Auch auf europäischer Ebene setzt sich Noichl als Sprecherin der Sozialdemokraten für Frauenrechte und Geschlechtergleichstellung im EU-Parlament ein - und will es weiter tun.
Einsatz für Frauen - ein authentisches Anliegen
Eine Passion, die auch biographisch begründet ist. Maria Noichl wurde sehr früh Mutter. Mit 17 bekam sie das erste Kind, mit 20 Jahren das Zweite. Eine enorme Herausforderung für die junge Frau aus Rosenheim. Doch sie hat sich durchgekämpft. Macht als junge Mutter erst den Meister, dann eine Ausbildung zur Lehrerin. 2008, als die Kinder längst groß sind, geht Noichl in die überregionale Politik, zieht für die SPD in den Bayerischen Landtag ein.
Für Entkriminalisierung von Abtreibung
Sie habe sich mit 17 für das Kind entschieden, "ich hab mich drauf gefreut", strahlt Noichl, die inzwischen fünffache Großmutter ist. Gleichzeitig aber habe sie Respekt vor Frauen, die sich anders entscheiden würden, die eine Abtreibung vornehmen ließen. Noichl erzählt das bei einem Termin von Frauenverbänden in München, bei dem Vertreterinnen unterschiedlicher Parteien eingeladen sind. Die SPD-Politikerin betont, sie setze sich dafür ein, dass in Deutschland der §218 gestrichen werde.
Auf EU-Ebene kämpfte sie für eine Festschreibung des Rechts auf Abtreibung in der EU-Charta. Schmunzelnd berichtet Noichl, wie es ihr immer wieder gelinge, hinter den Kulissen mit der Kraft der Frauensolidarität Mehrheiten zu organisieren. "Wenn man Mehrheiten braucht, muss man ganz genau wissen, wen man zu welcher Zeit anzurufen hat", so die SPD-Politikerin. Tatsächlich stimmte das EU-Parlament vor Kurzem mehrheitlich wie Noichl für ein Recht auf Abtreibung. Die Mitgliedsländer aber müssen via Europäischen Rats ebenfalls ihre Zustimmung geben, was aktuell als unwahrscheinlich gilt.
Noichl: viel Hass im Internet
Noichl erzählt, dass ihr wegen ihres Engagements, vor allem im Netz viel Hass und Hetze entgegenschlage. "Das sind Kommentare, als würde ich täglich zum Frühstück drei Kinder verspeisen", so die SPD-Parlamentarierin. Für sie sei aber klar: Das Verbot von Abtreibung komme einer "Zwangsschwangerschaft" gleich. "Und da bin ich dagegen".
Für Verbot von Leihmutterschaft
Genauso deutlich positioniert sich Noichl bei den Themen Leihmutterschaft und Prostitution. Zu beidem sagt sie klar nein. Weil beides ein "Gleichstellungshemmnis" sei. Der Körper der Frau werde "verfügbar" gemacht. Und: Beides gehe "mit einem Machtgefälle" einher: "Ein reicher Mann oder eine reiche Familie" kaufe etwas von jemandem, der "kein Geld hat, mit dem Rücken zur Wand steht". Das Machtgefälle sieht sie gerade beim Thema Leihmutterschaft auch innerhalb Europas und fordert, den Flickenteppich der Regelungen hierzu in der EU zu beenden.
Zweites Herzensthema: Landwirtschaft
Biographisch bedingt ist auch ihre zweite politische Leidenschaft: Die Landwirtschaft. Sie selbst kommt zwar nicht von einem Hof, aber spätestens seit ihrer Berufstätigkeit begleitet sie das Themenfeld. Noichl ist gelernte Hauswirtschaftsmeisterin, dann wurde sie Lehrerin für Ernährung und Gestaltung: "Und wem Ernährung wichtig ist, muss sich um Landwirtschaft kümmern. Denn als allererstes brauchen wir eine Landwirtschaft, die uns auf Dauer gesund und satt macht", so das Credo der EU-Parlamentarierin.
Gegen Beibehaltung der Flächenprämien
Schon als Landtagsabgeordnete 2008 bis 2013 hat Noichl dieses Feld im wahrsten Sinne des Wortes beackert, im entsprechenden Ausschuss. Im EU-Parlament knüpfte sie nahtlos an die Arbeit an. Landwirtschaft ist eines der Themen, das ganz besonders geprägt wird von der EU. Aus Brüssel fließt viel Geld an die Landwirte. Rund 40 Prozent des Gesamtbudgets der EU entfallen auf den Agrarhaushalt. Doch wer wieviel bekommt, das ist kompliziert und hängt auch von der Struktur der Landwirtschaft im jeweiligen Landstrich ab. Wenig sinnvoll findet Maria Noichl zum Beispiel die "Flächenprämien". Diese flächengebundenen Beihilfen würden zu einer „einseitigen Förderung der größten Betriebe“ führen und außerlandwirtschaftliche Investoren anlocken.
SPD fordert mehr Geld für Umweltschutz in der Landwirtschaft
Darüber diskutiert Noichl im Rahmen ihrer Wahlkampftour auch mit einem Landwirt aus dem Landkreis Aichach-Friedberg. Sie tauschen sich zudem aus über die Bauernproteste der vergangenen Monate, darüber, dass die Bundesregierung ein vor gut zwei Jahren von der Politik mit den Bauern gemeinsam erarbeitetes Papier noch nicht Schritt für Schritt abgearbeitet habe. Noichl sagt jedoch nicht "Ampel", sondern benennt den Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir als dafür verantwortlich, der ist von den Grünen. Während Noichl über ein Spargelfeld spaziert und einen Erntehelfer für dessen Geschwindigkeit beim Spargelstechen lobt, und anderen Saisonarbeiterinnen aus Rumänien dankt, "dass Sie da sind", wirbt sie zudem für einen Gesellschaftsvertrag zwischen Bürgern und Bauern. Was sie darunter versteht? Maßnahmen zum Schutz der Umwelt, also Gemeinschaftsaufgaben, die die Landwirte übernehmen würden, müssten von der Gesamtgesellschaft finanziell getragen werden. Sprich, der Bauer soll das dem Staat in Rechnung stellen können.
Warnung vor Rechtrutsch in Europa
"I glaub mia miassn fahrn", sagt Noichl nach dem mehrstündigen Besuch beim Spargelbauern in ihrem gewohnt breiten oberbayerischen Dialekt. Der Terminkalender der Wahlkämpferin ist voll. Viele Schulbesuche, um Erstwählerinnen und -wähler zu überzeugen sind mit dabei. Und auch in anderen Bundesländern ist sie unterwegs, vor allem während der bayerischen Pfingstferien, weil man da "kaum Leute erreicht".
Ihr Appell bevor sie sich "natürlich selbst" ans Steuer setzt: Auf jeden Fall wählen zu gehen - und zwar "demokratisch". Sie warnt davor in einem "anderen, einem rechteren Europa aufzuwachen". Ein Rechtsrutsch, so die überzeugte Gleichstellungspolitikerin, würde vor allem den Frauen schaden.