Wie viele Dirndl sie im Schrank hat, weiß sie nicht genau. Viele, sagt Christine Singer und lacht. Heute hat sie sich für das Dunkelgrüne entschieden. "Wenn ich als Landesbäuerin auf einem offiziellen Termin bin, trage ich eigentlich immer Tracht", erzählt die 59-Jährige. Das werde von ihr auch irgendwie erwartet. Und sie sei ohnehin "ein traditioneller Mensch".
Singer schlendert in Mühldorf über den Bauernmarkt. Hier verkaufen Landwirte aus der Region ihre selbst erzeugten Produkte – und das seit 30 Jahren. Deswegen gibt es heute einen kleinen Festakt. Der Bürgermeister und der Landrat sind da. Die Musik spielt auf. Der örtliche Diakon segnet die Stände. Und Singer ist als Ehrengast geladen – in ihrer Funktion als Landesbäuerin der Landfrauengruppe des Bayerischen Bauernverbands.
Aiwanger: "ideale Spitzenkandidatin"
"Mich freut es sehr, dass die Christine Singer extra zu uns gekommen ist", begrüßt sie der Chef des Mühldorfer Bauernmarkts. Die Leute klatschen. In der bayerischen Bauernschaft ist Singer bekannt und das soll ihr bei der Europawahl nutzen. Darauf hoffen zumindest die Freien Wähler, die sie zur Spitzenkandidatin gekürt haben.
So wie Singer, so stellen sich die Freien Wähler eine Europapolitikerin vor: Berufserfahrung, am Land verwurzelt, aus der Kommunalpolitik kommend. Parteichef Hubert Aiwanger nennt sie die "ideale Spitzenkandidatin". "Sie ist glaubwürdig und tatkräftig und genau das braucht man für dieses politische Amt", so Aiwanger. Singer bringe Bodenständigkeit und Bürgernähe mit, wisse wie man draußen arbeiten muss, um von seiner Arbeit leben zu können.
Landesbäuerin, Bezirksbäuerin und Kreisrätin
In Europa werde vieles entschieden, was die Bauern in Bayern tagtäglich betreffe, sagt Singer. Auch deswegen wolle sie Europaabgeordnete werden. Die Landwirtschaft ist ihre Leidenschaft. Dabei kommt sie ursprünglich gar nicht vom Bauernhof. Bevor sie ihren Mann kennengelernt hat, hat sie in einer Bank gearbeitet. Dann heiratete sie in den Hof ein, machte eine Ausbildung zur Hauswirtschaftsmeisterin. Nun bewirtschaftet Singer mit ihrer Familie einen Milchviehbetrieb im Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Seit über zehn Jahren ist sie Bezirksbäuerin von Oberbayern. Von 2002 bis 2008 saß sie im Gemeinderat und seit 2008 ist Singer Kreisrätin und Mitglied bei den Freien Wählern.
"Mein Vor-Ort-Wissen möchte ich in die Europapolitik einbringen. Ich weiß, wo der Schuh wirklich drückt", sagt Singer über sich selbst. Entscheidungen müssten wieder mehr im Sinne der Regionen getroffen und Gesetze wieder alltagstauglich gestaltet werden. Politik von unten nach oben: Das ist ihr Motto und das der Freien Wähler.
Und außer der Landwirtschaft? In die anderen Sachthemen will sich die Spitzenkandidatin der Freien Wähler noch einarbeiten. Sicherheit und Wirtschaftspolitik etwa spielten im Wahlkampf ebenfalls eine große Rolle, berichtet die 59-Jährige. Wichtig seien ihr ein "starker Mittelstand" und der "Schutz der EU-Außengrenzen gegen unkontrollierte Zuwanderung".
Nicht berühmt, aber bekannt
Am Bauernmarkt in Mühldorf schlendert Singer lächelnd von Stand zu Stand, freut sich über die schönen roten Erdbeeren und die bunten Blumensträuße. Sie fällt nicht auf zwischen den Kunden mit ihren Körben und Einkaufstaschen. Kaum jemand scheint die Spitzenkandidatin der Freien Wähler zu erkennen. Hin und wieder wird sie mit einem freundlichen "Servus" von örtlichen Landwirten begrüßt.
Auch ein Ehepaar, das sie aus der Talkrunde zur Europawahl im BR-Fernsehen kennt, kommt auf Singer zu: "Sie sind doch die aus dem Fernsehen?", fragt die Frau und schiebt ein Lob hinterher. Singer habe sich gut geschlagen.
Gute Chancen auch ohne Englischkenntnisse
Singer lacht und sagt dann: "Das wird schon klappen." Die Chancen für sie stehen nicht schlecht. Die Freien Wähler sind derzeit mit zwei Abgeordneten im Europaparlament vertreten und hoffen, dass sie nach der Wahl auf drei oder vier Sitze kommen werden.
Singer ist daher guter Dinge, dass sie den Einzug schafft - auch wenn sie schon etwas Respekt vor der neuen Aufgabe habe: "Also, ich bin jetzt nicht jemand, der gut Englisch kann", gibt sie zu. Verstehen gehe ganz gut, aber sprechen? "Das wird dann schon." Und Dolmetscher gebe es in Brüssel und Straßburg ja schließlich auch.
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