Kurz nach der Wahl gibt AfD-Chefin Alice Weidel einen Vorgeschmack auf die neue Rolle der Partei im Bundestag als größte Oppositionsfraktion: "Wir werden die anderen jagen." Der Ton ist gesetzt, die scharfe Rhetorik erreicht auch Jüngere – vor allem über soziale Medien.
Das hat auch die letzte Sitzung des alten Bundestags verdeutlicht: Neuntklässler haben die Debatte auf der Besuchertribüne verfolgt. Im Anschluss rufen sie der AfD-Chefin zu, die sie über Social-Media-Videos kennen. Weidel eilt zu ihnen auf die Tribüne, Selfies werden geschossen. Das Netz ist die Bühne der AfD.
AfD im Bundestag: Mehr Geld, Personal und Redezeit
Doch auch im Parlament nimmt ihr Einfluss künftig als stärkste Oppositionskraft zu. Die AfD kann jetzt fast ein Viertel der Sitze im Bundestag für sich verbuchen, erhält mehr Geld, Personal und Redezeit: "Das heißt, gerade bei den großen Schlagabtauschen, die wir haben – bei Regierungserklärungen oder auch vor allem bei der Haushaltsdebatte – ist es eben der AfD nun möglich, als erstes auf Friedrich Merz oder auf die Bundesregierung zu antworten", erklärt Politikwissenschaftler Martin Gross von der LMU München. Das bedeutet: Sie wird vermehrt Druck auf die Regierung ausüben.
Gross rechnet durch das verstärkte Personal mit mehr "Kleinen Anfragen" an die Bundesregierung durch die AfD. Diese Anfragen dienen der Opposition als Informationsbeschaffung und Kontrolle der Regierung – die AfD nutzt sie auch als Grundlage für Social-Media-Videos, wie Gross erklärt.
Einfluss in Ausschüssen: AfD-Kandidaten müssten gewählt werden
Mehr Einfluss strebt die AfD, die in Teilen rechtsextrem ist, auch in den Ausschüssen an – dort, wo Gesetze vorbereitet werden. Der mächtigste Ausschuss ist der Haushaltsausschuss. Hier wird entschieden, wofür der Staat Geld ausgibt. Ein Recht auf den Vorsitz aber gibt es nicht, das hat das Bundesverfassungsgericht 2024 in einem Urteil bestätigt. Die AfD hat das Recht, einen Kandidaten aufzustellen – die anderen Parteien können ihn wählen, müssen aber nicht. In der letzten Legislaturperiode konnte kein AfD-Politiker eine Mehrheit erzielen. Und dieses Mal? "Das ist bisher noch gar nicht vorhersehbar, wie sich da die anderen Fraktionen verhalten", so Politikwissenschaftler Gross.
Klar dagegen positioniert haben sich die anderen Fraktionen bislang bei der Frage der Bundestagsvizepräsidenten – noch nie hatte ein AfD-Politiker dieses mächtige Amt inne. Die Vizepräsidenten leiten die Debatten, erteilen Ordnungsrufe. Auch im neuen Bundestag sind die Chancen auf einen AfD-Kandidaten gering, wie SPD-Chef Lars Klingbeil bereits nach der Wahl klargemacht hat: "Es wird keine Stimme von Sozialdemokraten beispielsweise für einen AfD-Vizepräsidenten in diesem Parlament geben. Wir machen unsere Kreuze nicht bei Rechtsextremen."
AfD mit Blockadepotenzial
Viele Wählerinnen und Wähler haben ihr Kreuz bei der AfD gesetzt – und sie damit zur größten Oppositionsfraktion im künftigen Deutschen Bundestag gemacht. Gemeinsam mit der Linken verfügt die AfD jetzt über die sogenannte "Sperrminorität". Das bedeutet: Grundgesetzänderungen mit einer Zweidrittelmehrheit sind im neuen Bundestag nur noch mit Zustimmung der AfD oder der Linken möglich. "Das ist natürlich ein großer Einfluss für Blockadepotential, das die AfD damit erreicht hat", so Politikwissenschaftler Gross von der LMU. Andererseits nimmt die AfD nicht exakt ein Viertel der Sitze ein, sodass sie allein keine Untersuchungsausschüsse einrichten kann.
Umstrittene, radikale AfD-Politiker in der Fraktion
Ein Corona-Untersuchungsausschuss aber ist das Ziel von Carina Schießl. Die 35-jährige AfD-Abgeordnete aus Regensburg bereitet sich gerade auf ihre künftige Rolle in Berlin vor. Sie ist eine der insgesamt 69 neuen Bundestagsabgeordneten der AfD. Als gelernte Laborantin liegt ihr Fokus auf der Corona-Aufarbeitung, wie sie im BR24-Gespräch sagt.
Schießl wird ab Dienstag – wenn sich der neue Bundestag konstituiert – Teil einer Fraktion, in deren Reihen jetzt auch die umstrittenen und extrem-rechten AfD-Politiker Maximilian Krah und Matthias Helferich Platz nehmen. Beide sind in der Vergangenheit selbst in der eigenen Partei in die Kritik geraten – wegen Spionage-Verdachts und NS-Verharmlosungen. Schießl meint: "Ich schätze all meine Kollegen sehr und natürlich auch die beiden." Politikwissenschaftler Martin Groß aus München hingegen schätzt, "dass der Tonfall doch nochmal ein bisschen radikaler wird".
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