"Sobald die Dämmerung einsetzt, ergreifen die Gäste die Flucht, weil die Mücken sie regelrecht massakrieren". Luca Fleissner, ordentlich zurückgegelte Haare, graukariertes Sakko, stapelt mit geübten Handgriffen leere Biergläser, Teller und Servietten auf ein Tablett. Der Juniormanager des Restaurants Hafenwirt am Chiemsee in Seebruck teilt den Eindruck vieler Gastronomen am Chiemsee: So schlimm wie heuer war es schon lange nicht mehr mit den Stechmücken.
Doch offizielle Messungen zur Stechmückenpopulation am Chiemsee gibt es keine. Oft steht subjektiver Eindruck gegen subjektiven Eindruck. Auf der Terrasse des Hafenwirts sprechen manche Gäste von einer Mückenplage. Ein Einheimischer dagegen findet es ganz normal, dass um diese Jahreszeit viele Blutsauger unterwegs sind.
Beschwerden über Stechmücken auch an anderen Seen
Das nasse Frühjahr spricht allerdings dafür, dass aktuell besonders viele Stechmücken unterwegs sind. Auch am Ammersee und Pilsensee beschweren sich zum Teil Anwohner, dass die Insekten dieses Jahr unerträglich sind. Der Bürgermeister der Gemeinde Eching am Ammersee kontrolliert hingegen regelmäßig die Brutgebiete der Stechmücken und kann nichts Auffälliges feststellen.
Am Chiemsee kommt jedoch noch etwas anderes hinzu: Heuer konnten die Gemeinden nicht wie sonst üblich das Insektizid BTI einsetzten. Es wird mit Hilfe eines Eiweißgranulats in den Brutgebieten der Tiere verteilt. Die Larven fressen das Granulat und sterben.
Die Chiemseegemeinden dürfen das BTI nur unter strengen Auflagen einsetzen. In diesem Jahr haben Pegelstand, die Menge der Larven und ihr Entwicklungsstand nicht zusammengepasst, wie der Vorsitzende des zuständigen Abwasser- und Umweltverbands Chiemsee, Andreas Fenzl, erklärt. Das war aber auch schon in den Vorjahren so. Zuletzt wurde BTI 2020 eingesetzt.
Umweltsünde BTI?
Geht es nach dem Bund Naturschutz, sollten sich die Tourismusgemeinden rings um Bayerns größten See BTI gleich ganz sparen. Beate Rutkowski, Vorsitzende der Kreisgruppe Traunstein, kritisiert, dass BTI auch andere Mückenarten tötet. Kriebel- und Zuckmücken, aber auch ganz normale Stechmücken fehlen dann im Nahrungsangebot für Vögel, Libellen und Amphibien. Besonders heikel findet die Biologin, dass BTI auch im Randgebiet und zum Teil sogar in der Kernzone des Naturschutzgebiets Hirschauer Bucht eingesetzt wird.
Der Bund Naturschutz empfiehlt stattdessen unter anderem CO2-Fallen für die Gastronomie. Die imitieren den menschlichen Atem, der Mücken anlockt und deutlich weniger Insekten tötet als BTI.
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