Mit Blut vollgesaugte Stechmücke
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#Faktenfuchs: Warum stechen Mücken manche Menschen lieber?

#Faktenfuchs: Warum stechen Mücken manche Menschen lieber?

Sommerzeit ist Mückenstich-Zeit - zumindest für einige. Denn während der eine in Seelenruhe durch einen ganzen Mückenschwarm laufen kann, wird die andere von einer einzigen Mücke komplett zerstochen. Warum?

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Preclaimer: Dieser Artikel erschien erstmals am 14.06.2019. Wir haben erneut mit Experten gesprochen und den Text um neue wissenschaftliche Erkenntnisse ergänzt.

Darum geht’s:

  • Bestimmte Mückenarten bevorzugen bestimmte Menschengruppen.
  • Welche das sind, hängt von insgesamt mehreren Faktoren ab, etwa dem CO2-Gehalt der Atemluft, dem individuellen Körpergeruch und der Farbe von Haut und Kleidung.
  • Es ist bisher nicht abschließend geklärt, welche Zusammensetzungen des menschlichen Geruchs für Mücken anziehend bzw. abstoßend sind.

Wenn draußen die Temperaturen steigen, erhitzen sich online die Gemüter. Zumindest, wenn auf Twitter über Mückenstiche diskutiert wird. Eine junge Frau berichtet im Rahmen einer Diskussion, wie es ihr auf einer Klassenfahrt erging:

"Auf der anderen Seite sind die Biester extrem wählerisch und nehmen gerne den Nachbarn, der leckerer für sie ist. Quelle: Klassenfahrt. 10-Bett-Zimmer. 9 ungestochen. Nummer 10: über 60 Stiche. Ich war Nummer 10."

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Auf Twitter diskutieren User und Userinnen darüber, wen Mückenstiche treffen.

Richtig ist, dass Stechmücken bestimmte Menschen lieber mögen als andere. Das konnten Forscher inzwischen wiederholt in kontrollierten Versuchen nachweisen, sagt der schwedische Mückenforscher Marcus Stensmyr von der Universität Lund dem #Faktenfuchs im Interview. Doch welche Menschen trifft es besonders häufig?

Nicht alle Mücken stechen Menschen

Zunächst einmal ist wichtig zu wissen, dass nur etwa eine Handvoll Mückenarten überhaupt Menschen stechen. Und selbst bei den Menschen-stechenden Sorten stechen nur die Weibchen. Denn diese brauchen menschliches Blut - genauer gesagt: bestimmte Eiweiße darin - um Eier produzieren zu können.

Bei der Auswahl des Wirtes spielen dann verschiedene Faktoren eine Rolle: Der Kohlendioxid-Ausstoß, die Farbe von Haut und Kleidung, der individuelle Körpergeruch sowie Körpertemperatur und -feuchtigkeit.

Erstes Signal: der Kohlendioxid-Gehalt der Atemluft

Zuerst nehme die Mücke das Kohlendioxid wahr, das Menschen ausatmen, sagt Jeff Riffel, Biologe an der University of Washington: "Sie riechen uns von, sagen wir, 100 Metern Entfernung. Und dafür nutzen sie CO2."

Durch die Kohlendioxid-Wolke, die uns umgibt, weiß die Mücke, dass ein lebendes Wesen in der Nähe ist. Wer viel Kohlendioxid ausatmet - wie Sportler, große oder kräftigere Menschen - ist also für Mücken attraktiver.

Zweites Signal: Die Farbe von Haut und Kleidung

"Was dann passiert, ist, dass das CO2, das die Mücken aus der Distanz riechen, ihr visuelles System aktiviert", erläutert Riffel. Die Mücke sucht nun also auch mit den Augen nach ihrem nächsten Opfer - ähnlich einem Menschen, der frischgebackenes Brot riecht und dann nach einer Bäckerei Ausschau hält.

Im Vergleich zum Menschen könnten Mücken zwar eher schlecht sehen, sagt Marcus Stensmyr: "Aber sie können Kontraste sehr gut erkennen. Das heißt, wenn Sie dunkle Kleidung tragen, dann ist es für Mücken leichter, Sie zu sehen." Auch Weiß hebe sich von der Umgebung ab und sei daher für Mücken gut sichtbar. Er empfiehlt deshalb, zum Beispiel beim Joggen - wenn wir viel CO2 ausstoßen - Rosa oder Hellblau zu tragen.

Anhand der Farbtöne, die für menschliche Haut spezifisch sind, kann die Mücke außerdem unterscheiden, ob sie es mit Mensch oder Tier zu tun hat: Denn alle Menschen - egal ob hell- oder dunkelhäutig - teilen ein Spektrum an Rot- und Orangetönen. Dass Mücken gezielt auf diese Töne fliegen, konnte der Biologe Riffel zusammen mit Kollegen in einer Studie nachweisen, die im Februar dieses Jahres in “Nature Communications” erschien.

Drittes Signal: der individuelle Körpergeruch

Bleibt die Frage, wen genau die Mücke sticht. Mich? Oder meinen Nachbarn? Ab einer Distanz von etwa einem Meter ist der individuelle Körpergeruch entscheidend. Mit "süßem Blut", wie es oft heißt, habe das aber nichts zu tun, sagte Norbert Becker, Privatdozent an der Universität Heidelberg für Ökologie und medizinische Entomologie, 2019 dem #Faktenfuchs. Der Zuckergehalt im Blut spiele keine Rolle.

Mückenforscher Stensmyr erläutert, der spezifische Geruch eines Menschen hänge vor allem von den Bakterien ab, die auf unserer Haut zu finden seien. Denn alle Menschen "sondern ähnliche Fettsäuren ab. Aber auf unserer Haut findet sich eine individuell andere Zusammensetzung von Bakterien. Und diese Bakterien zersetzen die Fettsäuren und produzieren dadurch Gerüche, die wir üblicherweise als menschliche Gerüche wahrnehmen".

Forschenden ist es inzwischen gelungen, verschiedene Chemikalien zu identifizieren, die Mücken gerne mögen - oder eben gerade nicht mögen. Doch welche Mischungen einen Menschen attraktiv oder unattraktiv machen, ist noch nicht ganz klar. Immerhin gebe es, so Riffel, insgesamt etwa 100.000 Komponenten, die den Duft eines Menschen ausmachen.

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Mücken schwirren in der Luft

Auch die Gene könnten eine Rolle spielen

Ein Faktor, der diesen persönlichen Duft womöglich beeinflusst, sind die Gene. Das fanden 2015 Forschende um James Logan von der London School of Hygiene and Tropical Medicine heraus. Aus einer Untersuchung an eineiigen und zweieiigen Zwillingen schlossen sie, dass das Erbgut vermutlich den individuellen Körpergeruch beeinflusst.

An der Studie nahmen 18 eineiige - somit genetisch weitgehend identische - und 19 zweieiige weibliche Zwillingspaare teil, deren Gene sich wie die anderer Geschwister unterscheiden. Die Mücken mochten die eineiigen Zwillinge ähnlich gern - die zweieiigen waren unterschiedlich beliebt. Welche Gene allerdings entscheidend sind, blieb ungeklärt. Und ebenso, welche genetisch bedingten Eigenschaften eines Menschen den individuellen Körpergeruch so beeinflussen, dass er für Mücken verlockend ist.

Forscher Stensmyr vermutet, dass die Gene sich auf die individuelle Immunabwehr auswirken könnten - und diese wiederum auf die Zusammensetzung der Bakterien auf unserer Haut.

Die Mischung von CO2 und Körperduft macht wohl den Unterschied

Insgesamt scheint es vor allem auf das Verhältnis von CO2 und individuellen Körpergeruch anzukommen. Stehen die Abbauprodukte, die die Bakterien auf der Haut herstellen, und der CO2-Gehalt des Atems im richtigen Verhältnis zueinander, finden Mücken das attraktiv - oder auch abschreckend, erklärte Andreas Rose von der Regensburger Firma Biogents 2019 dem #Faktenfuchs. Der Biologe forschte früher an der Universität Regensburg und gründete dann das Unternehmen, das Mückenfallen herstellt.

Viertes und fünftes Signal: Körperwärme und Körpertemperatur

Zurück zur Mücke, die ihren Wirt zunächst anhand dessen CO2-Ausstoß und dann visuell fokussiert hat. Wenn die Mücke ihrem Opfer schon ganz nah ist, spielen auch Körperwärme und -feuchtigkeit eine entscheidende Rolle, sagt der Biologe Jeff Riffel - womöglich als eine Art letztes Entscheidungskriterium: "Wenn wir nicht warm sind, haben Mücken wenig Interesse daran, uns zu stechen", so Riffel. "Aber wenn wir warm sind und außerdem noch etwas Wasserdampf absondern - also Schweiß - dann sind sie besonders interessiert daran, sich auf uns niederzulassen und uns abzutasten."

Womöglich erklärt das auch, warum Forscher in Studien immer wieder herausfinden, dass bestimmte Menschengruppen bei einzelnen Mückenarten besonders beliebt sind: etwa Schwangere, Malaria-Kranke oder Menschen, die Alkohol getrunken hatten.

Dass der Konsum von Alkohol auf Mücken anziehend wirkt, konnten Andreas Rose von der Regensburger Firma Biogents und seine Kollegen schon 2012 an der Uni Regensburg nachweisen: "In unserem Experiment hat sich gezeigt, dass unsere Haut attraktiver war, wenn wir Alkohol getrunken hatten", so Rose 2019 zum #Faktenfuchs. Allerdings konnte die Forschergruppe damals nicht nachweisen, welche Stoffe genau dafür verantwortlich waren.

Mückenforscher Stensmyr vermutet, dass auch bei all diesen Gruppen die bereits genannten Faktoren eine Rolle spielen könnten: etwa Körpertemperatur, Schweiß und CO2-Gehalt der Atemluft. So hätten Schwangere eine erhöhte Temperatur und einen erhöhten Stoffwechsel - sie atmen daher mehr CO2 aus.

Licht lockt Mücken nicht

Viele Menschen glauben außerdem, dass Licht Mücken anzieht. Doch was etwa für Motten stimmt, trifft für Mücken nicht zu. Wenn sie abends durch das geöffnete Fenster hereinfliegen, folgen sie auch dabei menschlichen Gerüchen - und nicht etwa dem Licht.

Fazit: Bei der Entscheidung einer Mücke für einen Wirt spielen eine ganze Reihe von Faktoren eine Rolle. Schon aus der Ferne riechen Mücken den CO2-Gehalt unseres Atems. Sobald sie etwas näher herankommen, können sie auch Farben wahrnehmen - und fliegen dabei besonders auf die Rottöne der menschlichen Haut, aber auch auf Kleiderfarben, die sich stark von der Umgebung abheben. Besonders dunkle Farben können sie im Tageslicht gut erkennen.

Bei der Entscheidung, wen sie stechen, spielt - neben unserer Körpertemperatur und der Frage, ob wir gerade schwitzen - vor allem unser individueller Körpergeruch eine Rolle. Um "süßes Blut" geht es dabei aber nicht, sondern darum, welche Bakterien die Fettsäuren auf unserer Haut zersetzen und welche Stoffe dabei entstehen. Einige Chemikalien, die Mücken besonders attraktiv oder unattraktiv finden, sind Forschern inzwischen bekannt. Insgesamt ist aber noch nicht geklärt, welche Geruchsmischungen für Mücken besonders anziehend sind.

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