Straßenschild in Eslarn
Bildrechte: BR/Margit Ringer
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Die Georg-Zimmermann-Straße soll umbenannt werden - aber es gibt Widerstand

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Straßenumbenennung: Marktrat stimmt über Bürgerbegehren ab

Straßenumbenennung: Marktrat stimmt über Bürgerbegehren ab

Der Marktrat von Eslarn stimmt am Abend über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens ab. Anwohner wehren sich gegen eine beschlossene Umbenennung einer Straße. Der Namensgeber der Straße war ein wegen Kindesmissbrauchs verurteilter Straftäter.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus der Oberpfalz am .

Die Liste eines Anwohners in der Georg-Zimmermann-Straße ist lang. 100 Zeilen umfasst sie, von Versicherungen, Krankenkasse, Fahrzeugpapieren über Onlinedienste bis hin zu Ausweispapieren und notariellen Änderungen von Grundbucheinträgen oder auch Patientenvollmachten. Überall müsste die Adresse geändert werden - wenn die Straße umbenannt wird.

Anwohner fürchten hohen Aufwand und Kosten

Das bedeute nicht nur großen organisatorischen, sondern auch finanziellen Aufwand. Es könnte seinen Aussagen zufolge sogar möglich sein, dass er bis zu zehn Wochen ohne Internet und Telefon auskommen müsse, weil die Telekom Straßenumbenennungen nicht vorsehe und erst händisch sämtliche Daten wieder zusammentragen und neu anlegen müsste. Einen Nachsendeauftrag bei der DHL gibt es für Straßenumbenennungen nicht, nur für Umzüge. Deshalb wollen die gut 40 Anwohner ihren Straßennamen behalten.

Bei Namensgebung war Verurteilung bereits bekannt

Seit 1993 heißt der ehemalige Schlehenweg in Eslarn Georg-Zimmermann-Straße. Das Gebiet war damals noch wenig bebaut. Aber der Marktrat wusste 1993 bereits, dass der Namensgeber Georg Friedrich Zimmermann 1969 vom Landgericht Weiden wegen sexuellen Missbrauchs an Kindern verurteilt worden war. 20 Monate saß er dafür in Haft, unterrichtete anschließend im bischöflichen Studienseminar in Weiden. Zimmermann war Kirchenmusiker, Diözesanmusikdirektor und leitete in den 1960er-Jahren das Internat der Regensburger Domspatzen.

Mehrere Missbrauchsopfer auch nach der Haftstrafe?

Auch nach seiner Haft soll es zu Übergriffen auf junge Buben gekommen sein. Das sagt der Betroffenenbeirat des Bistums Regensburg. Dessen Sprecherin Josefa Schalk kennt ein Missbrauchsopfer persönlich, insgesamt hätten sich inzwischen insgesamt drei Menschen beim Bistum gemeldet. Sie geben an, von Georg Zimmermann missbraucht worden zu sein in der Zeit, nachdem er seine Haft verbüßt hatte. Ein entsprechendes Schreiben von Generalvikar Roland Batz an den Markt Eslarn liegt dem BR vor. Der Betroffenenbeirat hat daher die Umbenennung der Straße in Eslarn initiiert.

Allein, dass Zimmermann immer wieder versetzt wurde, in Weiden keinen Einzelunterricht mehr geben durfte und täglich nach Hause pendeln musste, sei ein Indiz dafür, dass man versucht habe, ihn von Kindern fernzuhalten, sagt Josefa Schalk. In seinem Heimatort Eslarn genoss der Theologe hohes Ansehen, er gründete einen Knabenchor und eine Musikschule.

Marktrat beschloss Umbenennung auf Initiative des Bistums

Im Mai hat der Marktrat von Eslarn mit neun zu sechs Stimmen die Umbenennung der Georg-Zimmermann-Straße beschlossen. Sie sei erschüttert über das Bürgerbegehren, das nun gegen die Umbenennung auf den Weg gebracht worden ist, sagt Josefa Schalk. "Wir reden von der Ehrung eines verurteilten Kinderschänders durch eine Straße", so die Sprecherin des Betroffenenbeirats.

Bürgermeister kann Widerstand der Anwohner nicht nachvollziehen

Auch Bürgermeister Reiner Gäbl (SPD) spricht von einem "Schock, dass demokratisch gefällte Entscheidungen nicht akzeptiert werden". Er könne die Begründung des Bürgerbegehrens nicht nachvollziehen. Kosten, die den Anwohnern durch die Umbenennung entstehen, würde die Kommune tragen. Außerdem würde ein Betroffener von Missbrauch, der anonym bleiben möchte, bis zu 5.000 Euro dafür zur Verfügung stellen, sagt der Bürgermeister.

Anwohner bekommen Hasskommentare

Die Anwohner distanzieren sich im Gespräch mit dem BR deutlich von den Taten von Georg Zimmermann und jeglicher Art von Missbrauch und verurteilen dies. Sie wollen nicht mit Namen genannt werden. Zu viele Hasspostings und Kommentare unter verschiedenen Medienberichten seien im Internet schon über sie zu lesen gewesen. Nun fürchten sie in eine "Ecke gestellt zu werden", vielleicht sogar mit beruflichen Auswirkungen für sie.

Vorsichtige Zweifel an späteren Missbrauchsvorwürfen

Sie bemängeln die fehlende Kommunikation und Transparenz in der Kommune zu diesem Thema. Die Anwohner hätten sich Gespräche oder einen Runden Tisch gewünscht, bevor der Marktrat über ihre Köpfe hinweg die Umbenennung beschloss. Außerdem äußern die Anwohner vorsichtige Zweifel an den Missbrauchsbetroffenen, die sich gemeldet hätten. In der Begründung des Bürgerbegehrens haben sie formuliert, dass es nach der Haft bis zum Tod des Theologen keine Anzeigen und Ermittlungen mehr gab und sich die Betroffenen erst weit nach dem Tod von Georg Zimmermann gemeldet hätten. Juristisch sei damit eine Aufarbeitung nicht mehr möglich gewesen.

Anwohner schlagen Zusatzschild mit QR-Code vor

Die Anwohner wollen eine gemeinsame Lösung finden und schlagen daher den "kleinsten gemeinsamen Nenner" vor, nämlich ein Zusatzschild am Straßennamen mit einem QR-Code. Auf einer verlinkten Internetseite könnten dann Informationen über den Namensgeber der Straße stehen. Der finanzielle Aufwand wäre gering und die Straße wäre somit ein Mahnmal wie viele Gebäude oder Denkmale aus der Vergangenheit in Deutschland, die mit einem Zusatzschild versehen werden.

Fehler sei 1993 passiert

Der Fehler sei 1993 schon passiert, sagt eine Anwohnerin. Schon damals seien die Taten des Namensgebers bekannt gewesen, als der Marktrat die Straße nach Georg Zimmermann benannt habe. "Jetzt haben die 30 Jahre lang das Straßenschild angeschaut mit gutem Gewissen. Und jetzt plötzlich haben sie ein schlechtes Gewissen und können das auf keinen Fall verantworten."

Marktrat entscheidet über Bürgerbegehren

Am Dienstagabend (20 Uhr) entscheidet der Marktrat, ob das Bürgerbegehren zulässig ist oder nicht. Möglicherweise sind alle Eslarner dann in den kommenden Monaten bei einem Bürgerentscheid aufgerufen, ihr Stimme für oder gegen eine Umbenennung der Straße abzugeben. Der Ort jedenfalls ist gespalten, das bestätigen Anwohner und auch der Bürgermeister.

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