Tief und fest stecken massive Betonmasten in Josef Wimmers Hopfenplantage. Lässig lehnt sich der Landwirt an einen der grauen Riesen. Sie halten locker einen erwachsenen Menschen aus, selbstredend auch das Gewicht von schweren Hopfensorten. Wenn alle Masten in einem Hopfengarten aus Beton sind, dann kann diese Konstruktion auch die Last einer kompletten Photovoltaikanlage tragen. So zumindest hat es Hopfenpflanzer Wimmer schon mal ausgerechnet.
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Ein Hektar Hopfengarten als Versuchsfläche
Einen Hektar Hopfengarten will der Landwirt in Au in der Hallertau mit Solarmodulen ausrüsten. Es wird die erste großflächige Anlage dieser Art in Deutschland. Deshalb sind noch viele Fragen offen. Dennoch hat Wimmer einen Partner für sein Pilotprojekt gewinnen können: das Hallertauer Handelshaus. Das Unternehmen hat in der Hallertau schon zahlreiche Solarparks installiert und betreibt viele davon selbst.
Beide Partner sind davon überzeugt, dass die Photovoltaik in den Hopfengarten gehört. Zwar braucht die Plantage noch einen "Überbau", doch das "Grundgerüst" ist schon da: der klassische Hopfengarten. Den braucht die Hopfenrebe, weil sie eine sogenannte Aufleitpflanze ist und zwingend eine "Kletterhilfe" braucht, um ihre sieben Meter Wuchshöhe erreichen zu können. Nun wollen Josef Wimmer und das Hallertauer Handelshaus diese Konstruktion doppelt nutzen und haben die Kosten schon mal durchgerechnet.
Dreimal mehr Gewinn aus Solarstrom als aus der Hopfenernte
Rund 800.000 Euro gilt es für einen Hektar zu investieren – für tragfähige Hopfenmasten aus Beton, für Stromleitungen und Wechselrichter und andere technische Geräte, vor allem aber für die Solarmodule. Auch die Stromernte hat Bernhard Gruber vom Hallertauer Handelshaus schon mal hochgerechnet.
"Pro Jahr werden wir auf dem Hektar rund eine Million Kilowattstunden Strom produzieren. Damit lassen sich 250 Vier-Personen-Haushalte versorgen. Nach spätestens 15 Jahren ist die Investition von 800.000 Euro abgezahlt. Die Anlage läuft aber deutlich länger: 30 bis 50 Jahre. Wir gehen davon aus, dass der Stromertrag dreimal höher sein wird als der Ertrag aus der Hopfenernte." Bernhard Gruber vom Hallertauer Handelshaus
Bisher gibt es nur AgriPV-Studien in sehr kleinen Anlagen
Die Idee, landwirtschaftliche Flächen für Photovoltaik-Anlagen zu nutzen, ist grundsätzlich nicht neu. Mittlerweile gibt es dafür einen Namen: "Agri-PV", von "Agrikultur" (Landwirtschaft) und "Photovoltaik". Auf diesem Feld forschen in Deutschland vor allem das Freiburger Fraunhofer Institut für Solar- und Energiesysteme ISE sowie die Hochschule für angewandte Wissenschaften Weihenstephan-Triesdorf (HSWT). Ein neues Forschungsprojekt plant Weihenstephan aktuell zusammen mit der Firma TubeSolar. Doch die Dimensionierung wird sich auf eine Grundfläche von ca. 1.000 Quadratmeter beschränken. Das ist ein Zehntel der Fläche von Bauer Wimmer. Unter der PV-Anlage von Weihenstephan sollen gemüsebauliche und ackerbauliche Kulturen angebaut werden.
Solche kleinflächigen Studien ersetzen jedoch keine großflächigen Feldversuche, betont Michael Beck, Experte für Gemüsebau und Bewässerung an der Hochschule Weihenstephan. Er verspricht sich viel von AgriPV im Hopfengarten: Die Doppelnutzung könnte helfen, Folgen des Klimawandels wie zunehmenden Hagelschlag und eine veränderte Niederschlagsverteilung abzufedern. Die Anlage könnte auch als Verdunstungsschutz dienen.
Wissenschaftler erhoffen sich viele Vorteile im Hopfengarten
Für das Projekt von Bauer Wimmer interessiert sich auch Max Trommsdorff. Er ist Teamleiter Agrar-Photovoltaik am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg. Trommsdorff erwartet "Synergien unter anderem im Bereich des Hagelschutzes und einer effizienteren Landnutzung". Er gibt aber zu bedenken, dass sich die AgriPV auch negativ auswirken könne: Unter den Solarmodulen könnten sich vermehrt Spritzrückstände im Hopfengarten sammeln. Man weiß auch noch nicht, ob der Hopfen noch ausreichend Sonne abbekommt oder vielleicht sogar besser wächst, wenn die Sonnenstrahlung in heißen Monaten durch die Solarmodule abgemildert wird.
Um das herauszufinden, wollen Bauer Wimmer und sein Projektpartner unterschiedliche Solarmodule ausprobieren. Sie setzen vor allem auf Solarmodule in Röhrenform, denn durch sie kann viel Sonnenlicht durch die PV-Konstruktion hindurch zu den Pflanzen gelangen.
Von großem Interesse ist auch, wie und ob sich das Solardach auf die Qualität des Hopfens auswirken wird – vor allem auf die Säure, die entscheidend für den Biergeschmack ist.
Bislang keine Fördermittel für das Solar-Projekt
Trotz all der Begleitung – in einem Punkt fühlt sich der Landwirt in Au mit seinem Projekt allein gelassen. Mit seinen Anfragen nach Fördergeld ist Wimmer bei mehreren Bundes- und Landesministerien abgeblitzt. Nicht einmal Geld für die wissenschaftliche Begleitung des Projekts gibt es bislang.
Bei der Finanzierung der Investitionskosten von 800.000 Euro bekommt Wimmer jedoch Hilfe aus dem bayerischen Landwirtschaftsministerium. Das zahlt zwar nichts, übernimmt aber die Bürgschaft für das Projekt.
Schnelles Genehmigungsverfahren für die Solar-Pilotanlage
"Verfahrenshilfe" hat Freisings Landrat Helmut Petz (FW) geleistet. Er hat erreicht, dass sich die Genehmigungsdauer für die PV-Anlage im Hopfengarten von mehreren Jahren auf wenige Wochen verkürzt.
Eigentlich hätte die Anlage ein langwieriges Bauleitplanungsverfahren durchlaufen müssen, weil sie nicht nur landwirtschaftlichen Charakter hat, sondern auch der Stromerzeugung dient und damit gewerblich ist. Doch zumindest für die Pilotanlage drückt nun nach Vermittlung des Landrats die Bürokratie ein Auge zu.
Aktuell laufen die Kaufverhandlungen für die Solarmodule. Spätestens im Herbst soll die bundesweit einmalige Anlage stehen. Nach der Hopfenernte im August 2023 lassen sich dann schon viele der noch offenen Fragen beantworten.
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