Eine Stromtrasse im Abendrot.
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Eine neue 380-kV-Leitung soll vom Umspannwerk Pirach im Landkreis Altötting bis nach Markt Wurmannsquick im Landkreis Rottal-Inn führen.

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Stromtrasse ins Chemiedreieck: Netzbetreiber stellt Strecke vor

In den Landkreisen Altötting und Rottal-Inn soll eine neue Starkstromleitung entstehen. Sie würde für Netzstabilität sorgen – vor allem für das bayerische Chemiedreieck ist das wichtig. Doch die Trasse soll nahe an Wohngebieten vorbeiführen.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Oberbayern am .

Langsam trudeln die ersten Besucher in den Bürgersaal von Marktl am Inn ein. Skeptisch schauen sie sich die Plakate an den Stellwänden an, beugen sich über die großen Karten auf dem Fußboden und wischen über die Bildschirme der Tablets auf den Tischen. Die Anwohner und Anwohnerinnen sind hier, um sich über die geplante Starkstromtrasse in ihrer Heimat zu informieren. Vor allem interessiert sie, wo genau sie entlanglaufen wird. Denn das steht bislang noch nicht fest.

Zwei Strecken kommen für Starkstromleitung infrage

Zwei mögliche Korridore hatte die Regierung Oberbayern letzten Sommer gebilligt. Der Netzbetreiber Tennet hat einen Favoriten und stellt dafür nun eine Grobplanung vor. Demnach würde die 380-Kilovolt-Leitung vom Umspannwerk Pirach im Landkreis Altötting bis nach Markt Wurmannsquick im Landkreis Rottal-Inn führen. Tennet hatte sich diese Route ausgesucht, weil die Stromkabel ausschließlich in der Luft verlaufen könnten. Das sei naturverträglicher und billiger, sagt Markus Lieberknecht, Pressesprecher bei Tennet.

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Der Netzbetreiber Tennet stellte seine Pläne für die geplante Starkstromtrasse bei einer Infoveranstaltung in Marktl am Inn vor.

Stromtrasse liefe direkt an Marktl vorbei

Doch egal welche der beiden Routen es schlussendlich wird: Beide Trassenkorridore verlaufen nah an Häusern der Gemeinde Marktl am Inn vorbei. Zwar halte Tennet alle gesetzlichen Grenzwerte ein, betont Pressesprecher Lieberknecht. Gemeint sind damit die maximal zulässigen Werte für elektromagnetische Strahlung sowie für die Lärmbelastung rund um die Stromtrasse. Aber gleichzeitig könne man nicht überall den im bayerischen Landesentwicklungsprogramm empfohlenen Mindestabstand von 400 Metern zu Ortschaften und 200 Metern zu Wohngebäuden außerhalb von Ortschaften einhalten.

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Die Suche nach einem geeigneten Korridor für die neue Stromtrasse läuft noch. Der Netzbetreiber favorisiert die westliche Strecke (rot).

Wacker: Stromleitungen von "entscheidender Bedeutung"

"Das ist für mich inakzeptabel", sagt Benedikt Dittmann, Bürgermeister von Marktl (CSU/Bürgerliste Marktl). Allerdings wisse man, dass die Stromleitungen nötig seien, um die Energiewende voranzutreiben – vor allem im bayerischen Chemiedreieck rund um Burghausen. Dort sitzen viele Konzerne aus der chemisch-pharmazeutischen Branche mit großem Energiehunger. So zum Beispiel auch die Wacker Chemie AG: Der Ausbau der Leitungen sei von entscheidender Bedeutung, schreibt ein Unternehmenssprecher auf Anfrage. Denn wenn der Konzern klimaneutral werden wolle, müsse er weg von Erdgas und anderen fossilen Energieträgern, hin zu grünem Strom. Einer Studie der Forschungsstelle für Energiewirtschaft zufolge könnte der extern zugelieferte Strombedarf im Chemiedreieck bis 2030 um mindestens 70 Prozent steigen. Um diesen Strombedarf zu decken, fordert die Wacker Chemie AG deswegen sogar noch eine zweite, bislang noch nicht geplante Stromtrasse.

Marktl schlägt alternative Strecke vor

Die Gemeinde Marktl am Inn steht nun zwischen den Stühlen: "Wir profitieren hier stark von der chemischen Industrie", sagt Bürgermeister Dittmann, "sie ist für uns ein großer Wohlstandsfaktor." Gleichzeitig wolle man die Anwohner und Anwohnerinnen nicht zu sehr durch die neue Stromtrasse belasten. Deswegen hat die Marktgemeinde dem Netzbetreiber Tennet nun eine leicht abweichende Trassenführung vorgeschlagen. Sie würde etwas weiter entfernt von Marktl am Inn verlaufen – dafür aber einen Wald durchqueren. Mit besonders hohen Strommasten könne man aber verhindern, dass eine Schneise durch den Wald geschlagen werden müsse, sagt Bürgermeister Dittmann. "Das könnte zwar etwas teurer für Tennet werden, aber man würde sowohl dem Naturschutz als auch dem Wohnumfeldschutz dadurch gerecht werden."

Stromtrasse wird teuer - und ist frühestens 2030 fertig

Ob Tennet den Vorschlag der Marktgemeinde Marktl weiter verfolgt, will der Netzbetreiber bis zum Frühjahr 2023 entscheiden. Bis Strom durch die neuen Leitungen fließt, wird es aber noch erheblich länger dauern: Frühestens 2030 wird die neue Stromtrasse wohl stehen, bis 2031 soll die alte Stromtrasse zurückgebaut werden. Allein der 27 Kilometer lange Abschnitt zwischen Pirach und Markt Wurmannsquick/Tann könnte grob geschätzt 300 Millionen Euro kosten.

Das bayerische Chemiedreieck
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Der Energiebedarf in Bayern steigt, neue Hochspannungstrassen versprechen Versorgungssicherheit und größere Stromkapazitäten.

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