Symbolbild: Frau wehrt mit der Hand einen Angriff ab.
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Täterprogramme: Wirksamer Schutz für Frauen vor Gewalt?

Täterprogramme: Wirksamer Schutz für Frauen vor Gewalt?

Tom war knapp vier Jahre mit seiner Ex-Partnerin zusammen. Immer wieder hat er ihr Gewalt angetan – verbal und körperlich. Nun will er in einem speziellen Täterprogramm lernen, seine Aggressionen in den Griff zu bekommen. Kann das gelingen?

Über dieses Thema berichtet: STATIONEN am .

Knapp 133.000 Fälle von Gewalt an Frauen durch ihren Partner wurden 2023 registriert. Die Taten: vor allem Körperverletzung, Bedrohung, Nötigung und Freiheitsberaubung. Auch Tom, der eigentlich anders heißt, ist gegenüber seiner Ex-Partnerin immer wieder gewalttätig geworden. Immer schlimmer seien die Auseinandersetzungen geworden, erinnert er sich. Irgendwann habe er die Beherrschung verloren: "Da hatte ich irgendwie den Kanal voll, bin aufgestanden und habe angefangen sie zu schubsen", sagt Tom. Die Situation eskaliert, am Ende ruft seine damalige Partnerin die Polizei.

Situationen gewaltfrei regeln

Um Gewalt gegen Frauen zu beenden und erneute Gewalt zu verhindern, gibt es Täterprogramme, beispielsweise beim Münchner Informationszentrum für Männer. Tom besucht inzwischen ein Täterprogramm beim Katholischen Verband für Soziale Dienste in Augsburg. Er hatte einen Punkt erreicht, an dem er selbst mit seinem Verhalten nicht mehr klarkam. Ihm sei bewusst geworden, dass er sich nicht mehr unter Kontrolle hat und etwas dagegen unternehmen muss.

Sozialarbeiterin Carina Huber leitet den Kurs zusammen mit dem Pädagogen Fabian De Hesselle. Die Treffen der Tätergruppe sind wöchentlich, rund ein halbes Jahr lang. Das Ziel: Situationen künftig gewaltfrei zu regeln. Dafür wird erst einmal definiert, was Gewalt eigentlich ist, erklärt Carina Huber: "Ganz viele denken, Gewalt ist, wenn ich eine Person schlage." Dabei fange Gewalt schon viel früher an, so die Sozialarbeiterin: "Ich schreie jemanden an, ich beleidige jemanden, ich unterdrücke jemanden, aber auch: Ich verbiete jemandem Sachen. Das ist alles Gewalt."

Was triggert mich, was löst meine Wut aus?

Im Kurs lernen die Teilnehmer, ihre eigenen Gefühle zu kennen und zu benennen. Dafür arbeiten die Sozialarbeiter zum Beispiel mit Tierfiguren. Jeder Täter wählt das Tier aus, das den Wutanteil, den er in sich trägt, am besten beschreibt. Und die Männer sprechen darüber. Dabei sollen die Täter zur Erkenntnis kommen, dass die Wut zwar ein Teil ihrer Persönlichkeit sei, aber nicht zwangsweise die Kontrolle über ihr Handeln habe, verdeutlicht der Pädagoge Fabian De Hesselle: "Die Wut ist nicht das, was alle Entscheidungen trifft, sondern es gibt noch ganz viele andere Anteile, die man in sich trägt und die wollen auch gehört und gesehen werden, und die sollen Entscheidungen mit treffen."

Im Täterprogramm lernt Tom, was ihn triggert, was Wut bei ihm auslöst und wie er das "Wuttier" in sich bändigen kann – also erlerntes Verhalten abzulegen und ganz neu zu definieren. Das fällt vielen nicht leicht, vor allem, wenn sie in einer gewaltvollen Beziehung der Eltern aufgewachsen sind. Tom wurde trotz einiger Monate im Kurs rückfällig, wieder gewalttätig.

Hohe Erfolgsquote

Inzwischen hat Tom gelernt, auf körperliche Signale zu achten und sich ins Bewusstsein zu rufen, was ihn gerade so wütend macht. "Und bevor das schlimmer wird, gehe ich lieber aus der Situation raus."

771 Täter haben laut Dachverband der Täterarbeitseinrichtungen im Jahr 2023 an Täterprogramm teilgenommen. Der Bedarf ist aber deutlich höher, sagt Carina Huber: "Ehrlich gesagt, bräuchte es wahrscheinlich zwanzigmal so viel." Allein im vergangenen Jahr mussten sie 25 Personen ablehnen, weil sie nicht genug Kapazitäten hatten.

Dabei sind Prävention und Täterarbeit ein wirksamer Schutz von Frauen. Die Erfolgsquote bei denen, die bis zum Schluss dabeibleiben, liegt bei rund 80 Prozent. Tom wird den Kurs noch vier Wochen besuchen. Dann hofft er, dass er sich unter Kontrolle hat, selbst wenn die Wut wieder kommt.

Hilfsangebote für Männer

- Münchner Informationszentrum für Männer e. V. 089 / 543 9662

- Fachstelle Schwaben Nord -Täter*innenarbeit häusliche Gewalt 0821 / 508 033 45

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