Auch wenn im Jahr 2000 manches darauf hindeutete, dass die Frau sich selbst das Leben genommen hatte: Mittlerweile geht die Staatsanwaltschaft von Mord aus und hat den Ehemann doch noch angeklagt. Beim Prozessauftakt am Landgericht München wollte sich der heute 57-Jährige aber nicht äußern.
Flucht nach Martyrium in München
Das mutmaßliche Mordopfer soll ein wahres Martyrium durchlitten haben: Laut Staatsanwaltschaft war die Frau als 15-Jährige in der Türkei mit dem Mann – einem Cousin – verheiratet worden. Bei seiner Familie in München sei sie dann über Jahre gedemütigt, beleidigt, geschlagen und wie eine Sklavin gehalten worden. Sie flüchtete schließlich in ein Frauenhaus und begann, ein neues Leben für sich und ihre vier kleinen Töchter aufzubauen.
Staatsanwaltschaft vermutet Mord aus Rache
Das habe der Mann nicht akzeptieren wollen, so die Staatsanwaltschaft. Er habe sich rächen wollen, weil sie sich scheiden lassen wollte und einen neuen Partner hatte. Deshalb soll er seine Frau gemeinsam mit einem unbekannten Komplizen erdrosselt haben. Er soll ihr dann eine Schlinge um den Hals gelegt und diese an einem Schrank befestigt haben, um es wie einen Suizid aussehen zu lassen.
Bereits kurz nach dem Tod der Frau war er ins Visier der Ermittler geraten und sogar verhaftet worden. Weil man ihm nichts nachweisen konnte, wurde er aber wieder auf freien Fuß gesetzt. Erst 2023 meldete sich dann ein Zeuge bei der Staatsanwaltschaft, der angab, der Mann habe ihm den Mord gestanden mit den Worten: "Ich habe sie getötet, sie ist tot. Es ist vorbei." So kam es doch noch zur Anklage.
Anwalt sieht "Labyrinth an Unsicherheiten"
Zum Prozessauftakt wollte der 57-Jährige nichts sagen – weder zu den Vorwürfen noch zu seinen persönlichen Verhältnissen. Sein Anwalt bemängelte aber, dass gegen seinen Mandanten wegen Mordes ermittelt worden sei, während es vor 25 Jahren noch Totschlag gewesen sei. Totschlag wäre inzwischen verjährt.
Außerdem sei es nach so langer Zeit auch schwierig, zweifelsfrei festzustellen, ob die Frau sich selbst umgebracht habe oder getötet wurde. "In diesem Fall, in dem die Zeit von circa 25 Jahren die Spuren verwischt hat, stehen wir vor einem Labyrinth an Unsicherheiten und rechtlichen Herausforderungen", sagte der Anwalt: "Es sind erhebliche Zweifel angebracht."
"Dann sind alle schreiend rausgerannt"
Einer der Ermittler von damals schilderte, wie eine der kleinen Töchter ihre Mutter tot auf dem Boden fand. Die Polizei war dabei, als die Kinder die Wohnung mit dem Schlüssel einer Freundin betraten, weil die Mutter nicht erreichbar war. "Dann sind alle schreiend rausgerannt", erinnerte sich der Beamte.
Der Prozess hatte im Dezember schon einmal begonnen, wurde aber bereits am ersten Tag wieder ausgesetzt. Die Verteidigung hatte unter anderem fehlende Sprachkenntnisse des seit Jahrzehnten in Deutschland lebenden Angeklagten geltend gemacht und eine Übersetzung der mehr als 200 Seiten umfassenden Anklageschrift gefordert. Für den Prozess sind nun Termine bis Ende April angesetzt.
Mit Informationen von dpa
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