Lange Schlangen schon in den Morgenstunden – so sah es früher beim Münchner Kreisverwaltungsreferat KVR aus. Vor allem bei der Ausländerbehörde standen die Menschen oft Stunden an, in Hoffnung auf einen Notfalltermin. Stattdessen können sie die Termine mittlerweile per Telefon oder online buchen.
Damit ist aber ein anderes Problem aufgekommen: Nach Recherchen von funk (externer Link) schnappen sich immer wieder Bots diese Termine und verkaufen sie etwa über Telegram-Gruppen. Viele der Menschen, die online nach Hilfe suchen, sind frustriert und zum Teil verzweifelt – nicht zuletzt über diese Verkaufs-Praxis.
Bots profitieren von Frust und Verzweiflung
Auch Lilia Saharai Ortiz Cortés, genannt "Sarah", braucht dringend einen Notfalltermin, denn die Bescheinigung für ihr Aufenthaltsrecht ist abgelaufen. Sie erzählt, dass sie es normalerweise jeden Tag versucht, eine halbe Stunde lang – meistens klappe es nicht: "Man bekommt auch schnell dieses Gefühl von Frust und dass man nicht weiter vorankommt."
Dieses Gefühl ist die Geschäftsgrundlage der Bots. Selbst Sarah sagt, sie würde das mit dem Terminkauf eventuell versuchen, obwohl sie es schlimm findet, dass Leute von der Not anderer profitieren.
Termin-Bots werden laut KVR in Osteuropa programmiert
Aber wer sind die Profiteure? Laut KVR-Leiterin Hanna Sammüller-Gradl stecken "Bots aus unterschiedlichen osteuropäischen Ländern" dahinter. Die Behörde geht aktuell von etwa 30 Fällen pro Monat aus. Das KVR versuche bereits länger, dagegen vorzugehen: mit Sicherheitschecks, personalisierten Buchungen und Bestätigungen per Mailadresse.
Aber die Bots lassen sich davon nicht so recht aufhalten. Sie buchen die Notfalltermine mittlerweile personalisiert für einzelne User, die online auf der Suche sind und bieten sie dann gezielt an. Sammüller-Gradl spricht von einem Katz-und-Maus-Spiel: "Jedes Mal, wenn wir eine Sicherheitsschranke mehr einführen, lassen sich die osteuropäischen Programmierer was Neues einfallen."
Das KVR setzt mittlerweile darauf, seine Kunden vor dem Terminkauf zu warnen. Außerdem seien Mitarbeiter in den einschlägigen Foren unterwegs, um "illegale Aktivitäten" zu finden.
Vor allem München als Großstadt betroffen
Der Terminhandel scheint vor allem München zu betreffen: Auf BR-Anfrage melden Nürnberg, Augsburg, Würzburg und Regensburg keine ähnlichen Vorfälle. Auch das Bayerische Innenministerium sieht das Problem "insbesondere bei Behörden mit sehr hoher Nachfrage, wie der Ausländerbehörde der Landeshauptstadt München oder anderer deutscher Großstädte".
Es liegt wohl auch einfach daran, dass München überhaupt Notfalltermine online anbietet. Andere Städte tun das nicht – und setzen rein auf Telefonservice oder Kontaktformulare.
KVR will Online-Vergabe von Notfallterminen beibehalten
Das KVR will laut Leiterin Sammüller-Gradl aber trotz der Bots die Online-Terminvergabe beibehalten. Man habe negative Erfahrung gemacht mit Menschen, die permanent anstehen mussten – "zu dem System wollen wir nicht zurück".
Sarahs Geduld jedenfalls wird am Ende belohnt. Kurz nach unserem Interview schreibt sie uns, dass sie doch noch einen Notfalltermin ergattert hat – ganz regulär, ohne dafür bezahlen zu müssen.
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