Annalena Baerbock ist als Präsidentin der UN-Generalversammlung nominiert. Der dafür nötige Kabinettsbeschluss sei bereits auf den Weg gebracht, erklärt Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Nach Informationen von Reuters ist die Personalie nun gebilligt.
Nicht viele wussten von Baerbocks Ambitionen auf den neuen Job in New York. Die scheidende Außenministerin hatte nach der Wahlniederlage ihrer Partei erklärt, aus persönlichen Gründen "einen Schritt aus dem grellen Scheinwerferlicht zu machen". Die intensiven Jahre hätten "einen privaten Preis" gehabt. Baerbock begründete so, warum sie sich nicht für ein führendes Amt in der Bundestagsfraktion – also in Deutschland – bewerben wollte.
Baerbocks Wahl gilt als Formsache
Wenn es läuft wie geplant, wird Baerbock von der UN-Generalversammlung Anfang Juni gewählt. Im September wird sie ihr einjähriges Amt antreten. Allerdings gilt die Wahl meist als Formsache. Mit der Amtsübernahme werde Baerbock ihr Bundestagsmandat niederlegen, hieß es. Als Präsidentin der UN-Vollversammlung vertritt Baerbock die Interessen aller 193 Mitgliedsstaaten. Die Staaten haben dort unabhängig von ihrer Größe und ihrem wirtschaftlichen Gewicht die gleiche Mitsprache. Aufgabe der Präsidentin ist es, dafür zu sorgen, dass alle zu Wort kommen. Außerdem muss sie in diesem Gremium vor wichtigen Abstimmungen Mehrheiten organisieren.
Eine andere Top-Diplomatin galt als gesetzt
Baerbock steht allein durch ihre Nominierung wieder im Scheinwerferlicht. Denn für den Posten der Präsidentin der UN-Vollversammlung galt bis zuletzt eine andere Deutsche als gesetzt: Helga Schmid, eine hoch qualifizierte und sehr erfahrene Diplomatin. Die gebürtige Dachauerin war unter anderem bis September 2024 Generalsekretärin der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und hatte das Atomabkommen mit dem Iran mitverhandelt.
Kritik aus SPD und Münchner Sicherheitskonferenz
"Helga Schmid ist eine großartige Diplomatin", sagt der frühere SPD-Außenminister Sigmar Gabriel dem Tagesspiegel. "Frau Baerbock kann viel von ihr lernen." Über eine "Unverschämtheit" echauffiert sich der ehemalige Chef der Münchner Sicherheitskonferenz Christoph Heusgen und meint damit, "die beste und international erfahrenste deutsche Diplomatin durch ein Auslaufmodell zu ersetzen". Heusgen bezeichnet Baerbock in der Rheinischen Post als "polarisierende Politikerin, die sich mehr durch markige Presseerklärungen profiliert hat als durch hartnäckige Kärrnerarbeit".
Bundesregierung verteidigt Baerbocks Nominierung
Die Bundesregierung dagegen verteidigt die Personalie: "Annalena Baerbock ist hoch qualifiziert für den Job und hoch anerkannt", sagt Regierungssprecher Hebestreit. Nach Informationen von Reuters war Baerbocks Schritt sowohl mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) als auch mit dem designierten Nachfolger Friedrich Merz (CDU) abgestimmt. "Die Union hat der Personalie nicht widersprochen", zitiert die Agentur aus Merz' Umfeld. Der scheidende Vorsitzende des Europaausschusses Anton Hofreiter (Bündnis 90/Grüne) gratuliert Baerbock zur Nominierung und verbindet damit eine Hoffnung: "Das ist eine wichtige Position. Auch wenn die UN im Moment in nicht unerheblichen Schwierigkeiten ist, muss man trotzdem alles dafür tun, den Multilateralismus zu stärken."
Baerbock lässt Kritik unkommentiert
Auch Baerbock selbst verteidigte ihre Nominierung für den Spitzenposten bei den Vereinten Nationen. Bei ihrem Besuch im Libanon verwies sie darauf, dass auch andere Außenminister den Posten des Präsidenten der UN-Generalversammlung übernommen hätten. Dass die Entscheidung jetzt gefallen sei, sei für sie keine Überraschung. Amtsantritt sei im September, insofern sei es jetzt an der Zeit gewesen. Dass die Entscheidung für heftige Kritik gesorgt hat, ließ Baerbock unkommentiert.
Erste deutsche Präsidentschaftskandidatur seit den 1980er-Jahren
Beobachter hatten erwartet, dass Baerbock nach dem Ausscheiden aus dem Amt der Außenministerin nicht einfach von der Bildfläche verschwinden, sondern weiter an ihrer Karriere arbeiten würde. Sollte sie nun von der UN-Vollversammlung zur Präsidentin gewählt werden, setzt sie damit eine Art Tradition fort: Die meisten Präsidenten waren zuvor selbst Außenminister.
Deutschland hat mit Blick auf sein Engagement bei den UN schon vor einiger Zeit von der Gruppe "Westeuropäer und andere" das Besetzungsrecht für die kommende Sitzungsperiode 2025/26 bekommen. Dass deutsche Vertreter diesen UN-Posten das letzte Mal besetzten, liegt schon ziemlich weit zurück: 1980 waren es für die damalige Bundesrepublik UN-Botschafter Rüdiger von Wechmar und 1987 für die DDR der ehemalige UN-Botschafter Peter Florin.
Audio: Präsidentin soll der UN-Generalversammlung werden
Baerbock soll Präsidentin der UN-Generalversammlung werden
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