Deutschland sei nicht besonders "digital souverän", sagt Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst.
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Deutschland sei nicht besonders "digital souverän", sagt Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst.

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"Digital dunkel", wenn Trump den Stecker zieht

"Digital dunkel", wenn Trump den Stecker zieht

Deutschland ist nicht nur militärisch stark abhängig von den USA. Das Land wäre auch leicht erpressbar, wenn Donald Trump digitale Services abschaltet. Experten für Cyber Security pochen deshalb auf deutlich mehr digitale Unabhängigkeit.

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Bereits zum Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump hatte der Tech-Branchenverband "Bitkom" den Finger in die Wunde gelegt und eine repräsentative Umfrage veröffentlicht. 81 Prozent aller deutschen Unternehmen sagen demnach: Wir sind abhängig vom Import digitaler Technologien und Leistungen aus den USA - die Hälfte dieser Unternehmen sogar stark. Jetzt hat Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst noch einmal nachgelegt. Im BR24-Interview sagte er: "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zur digitalen Kolonie werden." Er bezieht sich dabei auf die USA und China.

CEO: Ohne USA "komplett im Blindflug"

Die Abhängigkeit von China ist seit Jahren ein Thema. Doch Experten, die sich kürzlich auch auf der "Cyber Security Conference" (CSC) in Heilbronn zum Austausch über Sicherheitsrisiken getroffen haben, macht auch der Kurs von Donald Trump große Sorgen. "Es wird in vielen Teilen dunkel, digital dunkel, wenn Trump sagt: Ich cutte jetzt mal digitale Services", sagt Christian Müller, einer der beiden Firmenlenker von "Schwarz Digits", einer Konzernsparte der "Schwarz-Gruppe", die die CSC organisiert. Wenn Deutschland für eine "gewisse Zeit" von den USA digital abgeschnitten werde, würde man "erst realisieren, wie abhängig wir sind".

Sein CEO-Kollege Rolf Schumann ergänzt gegenüber BR24: "In dem Moment, in dem es passiert, sind Sie komplett im Blindflug." Die Abhängigkeit von den USA, neben China der große "Digital-Supplier" für Deutschland, sei extrem: "Wir reden über alle Infrastrukturen. Ich sage es ganz offen: Es gibt nicht einen Einzigen, der davon nicht betroffen wäre", warnt Schumann.

Alle Türen zu, Strom weg, Heizung aus

Könnten die USA oder China also Deutschland digital abschalten? Und zwar nicht nur im Bereich der Kommunikation, etwa über Smartphones, sondern überall dort, wo digitale Schlüssel-Komponenten verbaut sind? Die Möglichkeiten, die Staaten mit einer tiefen Durchdringung der deutschen Infrastruktur hätten, scheinen immens. Schumann sagt: "Ich gebe Ihnen ein einfaches Beispiel: Ein Zugangssystem aus einem nicht freundlich gestimmten System. Wenn das plötzlich abgeschaltet wird: Dann kann keiner mehr die Tür öffnen." Und er ergänzt: "Denken Sie einfach weiter und überlegen Sie sich diese Szenarien für das Thema Stromsteuerung, Netze, Heizungssteuerung." Gerade Chips aus Übersee könnten zum Problem werden. Diese hätten "wir jahrelang in unsere Infrastruktur eingebaut. Also können wir heute noch nicht abschätzen, was eigentlich möglich ist", so Schumann.

Erpresser schädigen sich selbst

Wer so Chaos auslösen will, muss aber auch einkalkulieren, selbst Schaden zu nehmen. Zum Beispiel könnten Turbulenzen an den Finanzmärkten Kettenreaktionen auslösen. So unwahrscheinlich vielen das Szenario einer digitalen Erpressung bislang erschien, Multimilliardär Elon Musk hat Sicherheitsexperten aufhorchen lassen: Er hatte selbst die Debatte angeheizt, ob die Frontlinie der Ukraine ohne sein Starlink-Satellitennetz zusammenbrechen würde. Musk dementierte zwar, dass er Starlink abschalten oder als Druckmittel einsetzen wolle. Aber sein Protegé Donald Trump setzte sehr wohl im Ukraine-Konflikt ein bedeutendes Druckmittel ein: Er unterbrach die Militärhilfe sowie Geheimdienstinformationen der USA für die Ukraine. Nicht dauerhaft, aber spürbar lange.

Ausweg: Digitale Souveränität

Sicherheitsexperten appellieren deshalb an die künftige Bundesregierung, in die digitale Souveränität von Deutschland und Europa zu investieren. Erste Weichen sind bereits gestellt: Die vom Bundestag beschlossene Grundgesetzänderung beinhaltet die Kreditaufnahme zum "Schutz der informationstechnischen Systeme und der Infrastruktur". Im Sondierungspapier von Union und SPD heißt es zudem, dass "strategische Industrien" gestärkt werden sollten. Auch eine "massive Aufstockung der Mittel für Forschung und Entwicklung" im Bereich Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz ist aufgeführt. Noch fehlen genauere Angaben.

Schlüsselressort Digitalministerium

Sicherheitsexperten sagen, der Weg zu digitaler Souveränität sei ein sehr langer. Zu sehr ist die genutzte Technik durchdrungen von Bauteilen oder Services aus den USA oder China. Ralf Wintergerst empfiehlt der künftigen Bundesregierung als ersten wichtigen Schritt, ein eigenständiges Digitalministerium mit entsprechenden Entscheidungsbefugnissen einzurichten. Dieses hätte – schon aufgrund der ständigen Hackerangriffe auf Firmen, Institutionen und die deutsche Infrastruktur – eine ganz andere Bedeutung als frühere Ressortzuschnitte. Das bisher Undenkbare, die Erpressbarkeit Deutschlands durch bisherige Partnerstaaten, würde ein Digitalministerium sogar zum Schlüsselressort aufwerten.

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"Digital dunkel" – Wenn Trump den Stecker zieht
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