Flugblatt, auf dem die Bevölkerung um Hinweise gebeten wird
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Karl-Josef Hildenbrand
Videobeitrag

Flugblatt, auf dem die Bevölkerung um Hinweise gebeten wird

Videobeitrag
>

Totes Kind in Güllegrube: Angeklagter schweigt zu Prozessbeginn

Totes Kind in Güllegrube: Angeklagter schweigt zu Prozessbeginn

1993 wurde die 13-jährige Sabine im unterfränkischen Wiesenfeld getötet und anschließend in einer Güllegrube versteckt. Nun verhandelt das Landgericht Würzburg in dem Cold Case wegen Mordes. Der Angeklagte äußerte sich zunächst nicht.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Zu Prozessbeginn richtet der Vorsitzende Richter das Wort an den Angeklagten: "Es gibt Spuren, die es für sehr, sehr unwahrscheinlich erachten lassen, dass Sie mit dieser Sache gar nichts zu tun haben." Der 47-Jährige, der sich am Landgericht Würzburg verantworten muss, verfolgt den ersten Verhandlungstag weitgehend ohne Regung. Ein paar Mal schüttelt er den Kopf, während der Staatsanwalt die Anklage verliest. Doch dazu äußern will er sich zunächst nicht, den Mordvorwurf bestreitet die Verteidigung.

Gewaltverbrechen seit 1993 nicht gelöst

Der Richter appelliert an den Angeklagten: Er könne zur Klarheit in dem Fall beitragen – auch im Sinne der Familie des Opfers. Denn Gewissheit gibt es auch nach fast 31 Jahren noch nicht.

Wenige Tage vor Weihnachten, im Dezember 1993, meldeten die Eltern der 13-jährigen Sabine ihre Tochter vermisst. Sabine wurde zwei Tage später gefunden – versteckt auf einem Pferdehof in Wiesenfeld, unter dem Deckel einer Güllegrube. Laut Anklage wurde Sabine zuvor körperliche und sexualisierte Gewalt angetan. Ein Täter konnte nie ermittelt werden. Nun muss sich ein zum Tatzeitpunkt 17-Jähriger am Landgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, Sabine zur Befriedigung seines Geschlechtstriebes ermordet zu haben.

Eltern müssen im Prozess aussagen

Sabines Eltern beschreiben ihre Tochter als freundlich, hilfsbereit, handwerklich begabt. Am ersten Prozesstag mussten sie als Zeugen aussagen. Ein Anwalt vertritt sie im Prozess als Nebenkläger. Gefasst erzählen die Eltern von dem Tag der Tat. Er habe befürchtet, dass seiner Tochter etwas zugestoßen sein könnte, berichtet ihr Vater: "Unsere Sabine sehen wir nicht mehr lebendig", habe er kurz nach ihrem Verschwinden geahnt.

In Wiesenfeld, einem Dorf mit etwas mehr als 1.000 Einwohnern, gibt es seitdem verschiedene Spekulationen, wer der Täter gewesen sein könnte. 1994 gab es schon einmal einen Prozess. Die Verhandlung endete mit einem Freispruch für den damaligen Angeklagten. Wenige Jahre später starb er bei einem Verkehrsunfall.

Ermittler finden DNA des Opfers an Kleidung

Den jetzigen Angeklagten ermittelte die Kriminalpolizei anhand von DNA-Spuren. Immer wieder überprüfen die Ermittler ungelöste Fälle mithilfe neuer Analysemethoden. Die Beamten fanden DNA des Angeklagten unter anderem auf der Wäsche des Opfers. 2021 erhob die Staatsanwaltschaft Würzburg Anklage.

Bis der Fall verhandelt werden konnte, dauerte es jedoch noch einmal fast drei Jahre. Das Landgericht Würzburg hatte die Anklage zunächst abgelehnt. Die Beweise hatten aus Sicht des Gerichts keine sichere Rekonstruktion eines Tathergangs zugelassen. Die Staatsanwaltschaft legte Beschwerde ein. Monatelang lag der Fall zur Prüfung am Oberlandesgericht in Bamberg. Das entschied: Der Fall muss verhandelt werden. Eine Verurteilung wegen Mordes sei mindestens genauso wahrscheinlich wie ein Freispruch, so die Begründung.

Weil der Angeklagte zum Tatzeitpunkt noch jugendlich war, findet der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Lediglich fünf Medienvertreter dürfen an den Verhandlungsterminen teilnehmen.

Aufklärung des "Cold Case" bleibt schwierig

Für das Landgericht ist die Aufklärung des jahrzehntealten Falls eine Herausforderung. Bis zu 60 Prozesstage will sich das Gericht Zeit nehmen. Vorsorglich sind bis in den Juli kommenden Jahres Termine angesetzt.

Das liege zum einen an den vielen Personen, die aussagen sollen. 81 Zeugen und vier Sachverständige sind geladen, erklärt eine Sprecherin des Landgerichts. Im Prozess wird aber auch deutlich: Die Befragungen könnten viel Zeit in Anspruch nehmen. Denn nach 31 Jahren sind Erinnerungen verblasst. Immer wieder liest das Gericht den Zeugen Aussagen vor, wie sie die Polizei kurz nach der Tat protokolliert hatte – also vor mehr als 30 Jahren.

Was an diesem ersten Prozesstag außerdem deutlich wird: Auch für die Zeugen ist es eine fordernde Situation. Es falle ihr nicht leicht, den Tag noch einmal Revue passieren zu lassen, sagt die Schwester des getöteten Mädchens im Zeugenstand. Sie wolle endlich einen Schlussstrich ziehen können: "Da hat jemand einfach eine komplette Familie kaputtgemacht."

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!