Der finanziellen Misere zum Trotz werden beim Diakonischen Werk in Passau die Betreuungs- und Beratungsangebote vorerst weiterlaufen. Am Mittwoch war bekannt geworden, dass ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eingeleitet worden ist.
"Alle Patienten werden weiter versorgt, Geflüchtete werden weiter unterstützt, wir kümmern uns nach wie vor um alle, die Hilfe brauchen." Sabine Aschenbrenner, Geschäftsführende Vorständin
Auch für die 75 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter soll sich im Moment nichts verändern, so Aschenbrenner.
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Vorständin fordert "Neues Konzept für soziale Arbeit"
Sabine Aschenbrenner, geschäftsführende Vorständin, betont, dass das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung ein notwendiger Schritt sei, um sich zukunftsfähig aufzustellen. "Es braucht ein neues Konzept für soziale Arbeit in der Region", sagt Aschenbrenner. Denn alle kirchlichen Organisationen stünden vor einem Grundproblem: Die Mitgliederzahlen sind seit Jahren rückläufig, gleichzeitig sei der Bedarf an Hilfe so hoch wie nie, sagt Sabine Aschenbrenner. "Gerade die Sozialberatung, aber auch die Schuldnerberatung und die Integrationshilfe sind mehr als ausgelastet", berichtet sie.
Wo jetzt überall die Kosten überprüft werden
In den kommenden drei Monaten muss das Diakonische Werk Passau einen Sanierungsplan erarbeiten. Eine externe Beratungsfirma hilft dabei. Jeder Workflow und jedes Beratungsangebot muss auf Wirtschaftlichkeit überprüft werden. Laut Aschenbrenner laufen bereits Gespräche mit Zuschussgebern innerhalb der Kirche, aber auch auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene.
Sie glaubt, dass nicht allen bewusst sei, wie stark die Kosten in den vergangenen Jahren gestiegen sind. "Ein Beispiel: Wir müssen uns an Richtlinien zum Datenschutz und zum Arbeitsschutz halten. Also müssen wir Fachpersonal dafür einstellen, das uns aber nicht gegenfinanziert wird", erklärt Aschenbrenner. Über die Jahre seien die Kosten immer weiter gestiegen – vor allem infolge der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs. Aschenbrenner hofft, dass das Diakonische Werk Passau in einem Jahr wieder finanziell solide aufgestellt ist.
Was die Diakonie in der Region macht
Die Diakonie Passau mit ihren 75 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterhält unter anderem ambulante Pflegedienste, Wohngemeinschaften, einen sozialpsychiatrischen Dienst sowie verschiedene Beratungsstellen zum Beispiel für Flüchtlinge, Schuldner oder Familien. Sie kümmert sich um rund 600 Ratsuchende im Großraum Passau und vom Bayerischen Wald bis ins Rottal.
Diakonie Bayern: "Fünf nach zwölf"
Das Problem der gestiegenen Kosten und des Personalmangels beschäftigt landauf, landab die sozialen Träger. "Das sind Dinge, die flächendeckend passieren", sagte der Sprecher der Diakonie Bayern, Daniel Wagner, am Donnerstag in Nürnberg. Es sei in vielen Bereichen "fünf nach zwölf".
Bereits im September hatte die bayerische Diakonie-Präsidentin Sabine Weingärtner als Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege Bayern gewarnt: massiver Personalmangel führe zur Einschränkung von Leistungen und Schließungen von Stationen oder ganzer Einrichtungen. "Am Ende droht die Insolvenz." Die hohen Inflationsraten belasteten die sozialen Träger. "Die Anbieter aller sozialen Dienste – und damit auch die Politik – stehen vor den größten Herausforderungen ihrer Geschichte."
Insolvenz – eine Chance?
Durch Schließung von Teilbereichen etwa in der Altenpflege fehlen den Einrichtungen Einnahmen, da sie Plätze nicht nutzen können. Zudem können vor allem einige Beratungsangebote nicht kostendeckend betrieben werden, wie etwa Schuldnerberatung.
Man stehe mit allen Trägern in Kontakt und versuche zu unterstützen und zu begleiten, sagte Wagner. Insolvenz wie im Fall Passau klinge zwar im ersten Augenblick dramatisch, jedoch sei es ein Instrument, um sich zu sortieren und neu aufzustellen. Man begreife das Verfahren auch als Chance, um gestärkt daraus hervorzugehen. Die Versorgung der Menschen im Bereich der Diakonie Passau seien sichergestellt, auch die Arbeitsplätze seien sicher.
💡 Das ist die Diakonie
Zur Diakonie im Freistaat gehören 1.300 Mitgliedsorganisationen, davon sind etwa 700 Kindertageseinrichtungen. Dazu kommen 600 rechtlich eigenständige Träger vom kleinen lokalen Diakonieverein bis hin zu großen Playern, wie Diakoneo Neuendettelsau oder der Rummelsberger Diakonie. Unter dem Dach der Diakonie in Bayern arbeiten knapp 100.000 Menschen in 3.000 Einrichtungen. In der Diakonie zusammengefasst ist die soziale Arbeit der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Bayern. Laut deren Haushalt hat die Kirche im Vorjahr 28,4 Millionen Euro für "Diakonisches Handeln" ausgegeben.
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