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Viele Organisationen könnten ohne freiwilliges Engagement durch Ehrenamtliche nicht existieren. Doch nicht alle Menschen können sich dafür begeistern, ehrenamtlich Verantwortung zu übernehmen – oder hören wegen so mancher Hürde auf. Viele Vereine suchen Helfer. Warum das so ist, zeigen beispielhaft einige Kommentare der BR24-Community.
So kommentierte User "Klimakleister" Anfang Dezember, was für ihn als ehrenamtlicher Übungsleiter im Sportverein das Schlimmste sei: "Bürokratie! Führungszeugnis, Belege, Datenschutz, Steuer, Abrechnungen usw. Von 1 Stunde Sport gehen 30 Minuten für den ganzen Blödsinn drauf ... da könnte man die Ehrenamtlichen unterstützen ..."
Doch "MaxH" hat einen anderen Blick darauf: "So schlimm ist es ja nicht. Ich bin selbst seit 30 Jahren als Übungsleiter tätig und kann das nicht bestätigen. (...) Bürokratie und Abrechnung ist wohl ein Vereinsproblem. Bei uns haben wir da kein Problem."
Claudia Leitzmann ist Geschäftsführerin des Landesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement Bayern und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Ehrenamt. Zwar würden die bürokratischen Herausforderungen immer wieder an die Politik herangetragen und an der ein oder anderen Stelle tue sich auch etwas, aber: "Es ist tatsächlich ein Problem und bremst immer wieder das Engagement aus."
Wenn Unsicherheit hemmt
Die Bayern-Auswertung des "ZiviZ-Surveys 2023" (externer Link), einer repräsentativen Befragung zivilgesellschaftlicher Organisationen in Deutschland, zählt zudem rechtliche Unsicherheiten als Einstiegshürde auf: Wie gut bin ich abgesichert, wenn etwas passiert? Diesbezüglich verweist Leitzmann auf die bayerische Ehrenamtsversicherung. Dadurch sollen Ehrenamtliche bei ihrem Engagement keine Nachteile erleiden, wenn sie selbst keinen entsprechenden Versicherungsschutz haben.
BR24-User "Revilo1972" zählt weitere, für manche abschreckende Aspekte auf:
Ergänzend dazu formuliert User "Mia_langts_etz_langsam": "Man macht sich als Ehrenamtliche/r krumm, werkelt und tut und wenn es darauf ankommt, einen Auftritt, ein Projekt, … konkret werden zu lassen, hört man Gemecker aus den Reihen der Mitglieder hinsichtlich der Organisation, Unterstützung bekommt man aber keine. (...) Ärger und Verdruss hab ich in meinem Beruf zur Genüge, das brauch ich nicht auch noch in der Freizeit – ich hab mein Ehrenamt niedergelegt."
Die Motivation für ein Ehrenamt kann laut Martina Wurth ganz unterschiedlich sein. Sie kümmert sich hauptamtlich um die Ehrenamtsbetreuung für "KulturRaum München", wo 2024 offene Stellen laut Wurth gut neu besetzt werden konnten. "Ich erlebe, dass es die Unterscheidung zum beruflichen Kontext braucht. Das heißt, wenn ich ein Ehrenamt mache, motiviert es, wenn ich dann kein Problemlöser mehr sein muss. Sondern dass ich dahingehe und genau weiß, was ich zu tun habe. Und wenn es Probleme gibt, kann ich die sofort weitergeben."
Es spiele eine entscheidende Rolle, dass es wie beim "KulturRaum" eine Person gibt, "die wirklich für die Ehrenamtlichen zuständig ist, von der Akquise bis zur Betreuung, und das nicht von anderen mitgemacht wird". Doch nicht jede Initiative kann sich das leisten.
Welche Rolle Anerkennung spielt
Wurth erzählt: Veranstaltungen, die sie als Zeichen der Wertschätzung für ihre Ehrenamtlichen organisierten, etwa eine exklusive Museumsführung, würden ein Zugehörigkeitsgefühl erzeugen – etwas, das manche explizit für ein Ehrenamt motiviert.
Stichwort Anerkennung: Müsste man Angebote, wie die bayerische Ehrenamtskarte, bekannter machen? Braucht es andere Formen der Anerkennung? Das sind Fragen, die Doris Rosenkranz aufwirft. Sie ist Professorin an der TH Nürnberg und für den "Ehrenamtskongress Bayern" verantwortlich.
Veränderte Situation: Mehr Menschen arbeiten Vollzeit
Denn, wie auch BR24-Userin "Amelia" feststellt: Es gab einige gesellschaftliche Veränderungen. "Ehrenamtliche Engagement kam früher von den Frauen, die finanziell den Rücken freihatten und somit Zeit übrig, und von den Männern, die zwar Geld verdienen mussten, aber den Haushalt komplett besorgt bekamen. Dieses alte, oft belächelte, aber meist gut funktionierende Modell, ist weitgehend zerstört worden. Wo also sollen Zeit und Kraft für Ehrenämter denn herkommen?"
Rosenkranz bestätigt: Um 1900 bis 1960 sei man in bestimmten Regionen Bayerns "sozusagen in ein Ehrenamt hineingewachsen" – wie der Vater, so der Sohn; auch aus Mangel an Alternativen. "Ungefähr seit Ende der 1960er Jahre hat sich der Arbeitsmarkt stark geändert. Es sind vor allem viel mehr Frauen berufstätig. Und es sind viel mehr Menschen berufstätig, die anderswo arbeiten, als sie leben, das heißt, man hat die Pendelei. Und auch weil Zeit noch einmal wertvoller geworden ist, achten Menschen inzwischen eher drauf, wo sie ihre Zeit verbringen."
Rosenkranz stellt fest: "Viele Menschen haben Interesse, mitzugestalten. Aber sie würden sich ungern für einen längeren Zeitraum binden." Probleme bereitet das unter anderem für Wahlämter mit Amtsperioden. Deshalb überlegten Vereine vermehrt: Wie können Menschen über "Schnupper-Ehrenämter" Erfahrungen sammeln? Lässt sich die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilen?
So können Organisationen vielleicht auch Befürchtungen eindämmen, wie sie Nutzer "andi71" formuliert: "(...) heute schreckt ab, dass man nirgendwo sonst so schnell verbeamtet wird wie im Ehrenamt".
Mit Blick auf Ergebnisse des "Freiwilligensurveys" sagt Rosenkranz: "Aktive und Nicht-Aktive formulierten die Sorge, dass, wenn man einmal gestartet ist, man nie wieder herauskommt." Initiativen sollten flexibler reagieren, wer wo eingesetzt werden kann.
Doch manche, wie User "BKgs", machen auch solche Erfahrungen:
Leitzmann empfiehlt, zu schauen, ob zur Vermittlung zum Beispiel eine sogenannte Freiwilligenagentur in der Nähe aktiv ist.
Was wird sich künftig verändern?
Wenn viele aus der "Babybomber-Generation" bald in Rente gehen, könnte sich bei der Zahl der Ehrenamtlichen wieder etwas verändern. Doch Leitzmann erzählt aus Gesprächen: "Auch die älteren Menschen sind ein bisschen anspruchsvoller geworden, dass sie sich zwar gerne irgendwo betätigen, aber nicht so lange festlegen wollen, weil sie einfach Freizeit haben möchten."
Also es vielleicht so versuchen, wie Rosenkranz sagt? "Dass wir mitgestalten können, ist eigentlich ein Zeichen von Demokratie. Vielleicht müssten wir das stärker herausstellen."
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