Lawinen sind gefährlich, unberechenbar, tosen mit ungeheurer Gewalt über große Bergflanken ins Tal. Wer sich ihnen – zum Beispiel auf einer Skitour – in den Weg stellt oder mitgerissen wird, kämpft um sein Leben - oder die Kameraden, die sie oder ihn dabei begleiten. Wer keinen "Piepser" hat, ein Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS), hat kaum eine Überlebenschance. Auch mit dem Gerät ist man auf die Erfahrung anderer Alpinisten angewiesen. Der Alpenverein organisiert in seinen Sektionen regelmäßig Schulungen. Wichtig ist das Training im Gelände.
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"80 Prozent aller Lawinenopfer treten die Lawine selbst los"
Bei einem Kurs der Sektion Weilheim am Kreuzeck in Garmisch-Partenkirchen lernen die Teilnehmenden den richtigen Umgang mit LVS-Gerät, Lawinensonde und Schaufel. "Über 80 Prozent aller Lawinentoten werden von Skitourengehern und Alpinisten selbst ausgelöst", sagt Sepp Hümmer, ehemaliger Heeresbergführer. Heute arbeitet er als Bergführer und Wanderguide für die Agentur "die Bergführer" in Ohlstadt. Im Trainingsgelände am Kreuzeck übt er regelmäßig mit Wintersportlern den Umgang mit der gefürchteten Lawinen-Situation.
"Wer keinen Kurs macht, hat schlechte Karten"
Hier im Gelände hat seine Agentur acht LVS-Geräte über den ganzen Winter im Schnee deponiert. Die müssen jetzt von den Teilnehmern gefunden werden. Als erstes erklärt er der Gruppe, wie sie ihre Geräte richtig bedienen, danach, wie die Pfeile und Zahlen auf dem Display bei der Suche zu lesen sind. "Die größten Fehler sind, dass Leute sich die Geräte kaufen, aber nicht damit üben", sagt der Routinier, der schon manche Lawinenbergung miterlebt hat. "Wer sich ein Gerät kauft und keinen solchen Kurs mitmacht, hat schlechte Karten." Jetzt heißt es für ein Dutzend Teilnehmer, eine verschüttete Person zu finden und zu bergen. Es wird hektisch, als sich das Signal auf den LVS-Geräten mit lautem Piepsen bemerkbar macht. In 80 Zentimeter Tiefe liegt das vermeintliche Opfer, eine Übungspuppe in Lebensgröße, die von den Teilnehmern des Kurses gerettet werden soll.
Chance, zu überleben, beträgt 15 Minuten
Mit einem Handschuh wird die kürzeste Entfernung zum Opfer markiert. Das Opfer hat im Ernstfall eine Überlebenschance von 15 Minuten. Mit einer Sonde, einer dünnen über zwei Meter langen Stange wird jetzt der Untergrund nach dem Dummy abgesucht. Ruth Lohrbacher hat das erste Mal mit Sonde und Schaufel geübt: "Es war eine interessante Erfahrung, wie sich eine Person unter der Schneedecke mit der Sonde anfühlt." Tourenguide Andi Richter von der Sektion Weilheim zeigt den Teilnehmenden mit einer Schneehöhle, wie ein Verschütteter liegen könnte und wie man mit der Sonde den Boden, einen Rucksack oder einen Menschen erspüren kann.
Nach sechs Minuten ist das Gesicht freigelegt
Mit einem lauten Schrei "Treffer" signalisieren die Teilnehmenden, dass sie etwas ertastet haben. Zu dritt oder viert versammeln sie sich, um gleichzeitig den Schnee an der Stelle wegzuschaufeln, wo das künstliche Opfer von der Lawine verschüttet wurde. Der Schnee ist schwer, die Kameraden geben alles, um die Schneemassen – immerhin 80 Zentimeter – zu bewegen. Dann erscheint der erste Schuh, nach und nach immer mehr Körperteile – bis das Gesicht freigelegt ist. Sechs Minuten hat das Ausgraben gedauert – genau so, dass die Überlebenschance für ein echtes Lawinenopfer reichen würde.
Alle haben die Hoffnung, dass der Ernstfall nicht eintritt
"Das Schwierigste an so einer Situation ist", sagt Sepp Hümmer, "im Gelände die richtigen Entscheidungen zu treffen." Wer informiert die Bergwacht, wer sucht mit dem LVS-Gerät, wer kann wie schnell mit der Sonde und der Schaufel einen Verschütteten ausgraben? Für die Gruppe heißt es jetzt: das Opfer im Ernstfall wiederbeleben und erste Hilfe leisten. Der Kurs hat sein Ziel erreicht, die Mitglieder vom Alpenverein in Weilheim sind gut gerüstet. Sie sind auf den Ernstfall vorbereitet und hoffen, dass sie das Gelernte auf Skitour möglichst nicht anwenden müssen.
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