Viktoria Putina ist verzweifelt – seit Wochen rücken die Angriffe immer näher. Das Waisenhaus in Krywyj Rih, einer Großstadt im Südosten der Ukraine, liegt nicht weit von der russischen Frontlinie entfernt. "In unserem Heim gab es keinen Bunker oder Keller, in dem man sich hätte verstecken können", erzählt Putina. Doch noch andere Probleme bewegen sie und ihre Mitarbeiter. Denn dringend benötigte Medikamente für ihre Schützlinge werden knapp. Sie will fliehen, aber wohin soll sie gehen?
"Jeder Mensch ist kostbar"
"Viele hatten es ja abgelehnt, eine sichere Unterkunft für ihre Kinder zu bieten. Aber hier hat man gesagt: Wir kümmern uns und das war für mich ein Gänsehautmoment“, erzählt Bayerns Europaministerin Melanie Huml bei einem Besuch des Dominikus-Ringeisen-Werks, kurz DRW. Ein Mitarbeiter der Caritas hatte Kontakt zu der schwäbischen Einrichtung für Menschen mit Behinderung aufgenommen. "Unser Motto lautet: Jeder Mensch ist kostbar. Und da waren wir uns alle einig, wir müssen helfen", betont Martin Riß, der Geistliche Direktor des DRW. Der Weg für die Geflüchteten nach Deutschland war allerdings nicht einfach.
Beschwerliche Reise
Denn wie sollen die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen die über 2.000 Kilometer lange Strecke zurücklegen? Zumal einige von Ihnen gar nicht selbst laufen können, sondern im Liegen oder Sitzen transportiert werden müssen. Nach einer Reise mit dem Zug, in Bussen sowie mit dem Flugzeug und mit Hilfe unzähliger Ehrenamtlicher kommen sie Anfang April schließlich in Deutschland an. Dort laufen bereits die Vorbereitungen, denn ein Gebäude auf dem Gelände des DRW soll in Windeseile zu einem geeigneten Heim umfunktioniert werden. Die Helfer kaufen beispielsweise Betten und bauen sie selbst mit Brettern behindertengerecht um.
Bessere Pflege für die Waisenkinder
Heute streckt Dima seine Arme nach oben und lacht. Er wohnt jetzt in einem Zweibettzimmer, es gibt sogar Einzelzimmer im neuen Heim in Ursberg. Kein Vergleich zur Situation in der Ukraine, als teilweise 18 Personen die Nacht in einem Raum verbrachten. Auch der Betreuungsschlüssel hat sich deutlich verbessert. All das wirkt sich positiv auf die Gesundheit der Geflüchteten aus. "Unser Arzt hat mir gesagt, dass schon nach ein paar Wochen die Kinder weniger Krämpfe hatten und auch besser schlafen konnten", so Direktor Riß. Doch es gab auch Differenzen.
Der Lohn für die Anstrengung
"Die Standards einer ukrainischen Einrichtung in Deutschland - da waren große Unterschiede, also wie man pflegt und was heißt Pädagogik", sagt Projektmanager Constantin Uecker. Inzwischen sei man aber auf einem guten Weg. Einige der Geflüchteten arbeiten mittlerweile in den Werkstätten des Ringeisenwerks. Insgesamt 60 Betreuer kümmern sich um sie. "Wir haben eine junge Frau, die hat letzte Woche ihre erste Ausfahrt mit einem Liegerollstuhl gemacht, erzählt einer der Ehrenamtlichen: "Wenn sie das Gesicht gesehen hätten. Lauter Emotionen, Freude und strahlende Gesichter."
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