Als das Veterinäramt dem Schöffengericht die Fotos und Videos zeigt, die im Mai 2023 in dem Stall in Rimsting aufgenommen worden waren, sieht der Angeklagte nicht hin. Immer wieder wendet sich der 48-Jährige während der Verhandlung am Amtsgericht Rosenheim leicht ab und schließt die Augen.
Zum Prozessauftakt entschuldigte er sich für das Tierleid. Nachdem in seinem Stall 33 Rinder qualvoll starben, muss sich der Landwirt aus Rimsting vor Gericht verantworten. Er ließ eine Erklärung über seine Verteidiger verlesen. Darin räumte er alle Vorwürfe vollumfänglich ein, zeigt Reue und Scham. Ein ärztliches Attest bescheinigt dem Mann eine schwere depressive Störung. Ein unabhängiger Sachverständiger soll nun eine psychiatrische Begutachtung des Angeklagten vornehmen.
Alleine im Stall, völlig überlastet
Bislang liegt dem Gericht ein ärztliches Attest eines Professors vor, der mit dem Rimstinger ferner bekannt ist. Das Attest bescheinigt dem Landwirt eine schwer ausgeprägte depressive Störung. Außerdem geht das Attest, das vor Gericht verlesen wurde, auf seine Lebensumstände ein.
Demnach bestellte der 48-Jährige den Hof seit Jahren alleine, habe 60 Stunden die Wochen gearbeitet und sei letztendlich völlig überlastet gewesen. Von einer Corona-Erkrankung im Mai 2022 habe er sich nicht mehr richtig erholt, heißt es weiter. Mitgeholfen habe nur die berufstätige Schwester, die Mutter sei pflegebedürftig. Auf Nachfrage einer Schöffin erklärte der Angeklagte, seine 84-jährige Mutter mit Pflegegrad drei bis vier verweigere die Hilfe eines Pflegedienstes. "Fremde mag sie nicht", so seine Begründung.
Unregelmäßigkeiten waren Veterinäramt bekannt
Die weiteren Zeugenaussagen verdeutlichten, dass es auf dem Rimstinger Hof, der sehr abgelegen liegt, bereits seit Jahren Unregelmäßigkeiten und Grund zu Beanstandungen gab. Das Veterinäramt Rosenheim war insgesamt zehnmal für Kontrollen vor Ort, sieben davon waren angekündigt. In den Jahren 2018 bis 2020 wurden kleinere Mängel festgestellt. 2021 stellte das Veterinäramt Rosenheim dann erstmals tierseuchen-, lebensmittel- sowie tierschutzrechtliche Verstöße fest. Es folgte ein dreimonatiges Milchlieferverbot - und ab dem Jahr 2022 gab es gar keine Milchlieferungen mehr. Dies ging auch mit weniger Kontrollen einher. Im Juli 2022 sei sie noch einmal dort gewesen, so eine Vertreterin des Veterinäramtes.
Der erste Verhandlungstag legte weitere Fragen offen: Zum Beispiel ist der Verbleib von 35 Tieren völlig ungeklärt, wie die Vertreterin des Veterinäramtes im Zeugenstand vorrechnete. Auf einer vom Angeklagten verpachteten Wiese seien in diesem Februar Knochen und zwei Ohrenmarken gefunden worden, die dem Mist beigemischt waren. Insgesamt soll es sich um die Knochen von vier Jungtieren gehandelt haben, so eine Polizeibeamtin im Zeugenstand. Im Herbst habe der Angeklagte noch einmal Mist ausgefahren.
97 gerettete Tiere
Insgesamt wurden 33 tote Rinder und Jungtiere in dem Rimstinger Stall gefunden. 97 Tiere wurden in einen Notstall nach Landsberg am Lech gebracht. Zur Anklage kam allerdings nur das Schicksal von 89 Rindern und Jungtieren, weil nicht alle zugeordnet werden konnten. Auslöser im Mai 2023 war ein Vor-Ort-Termin der Priener Polizei, die gekommen war, um Fahrzeuge zu entstempeln, weil die Versicherung nicht bezahlt worden war. Dabei entdeckte ein Beamter eine tote Kuh im Stall und informierte die Behörden.
Die Vertreter des Veterinäramtes machten sich vor Ort ein Bild, brachen ihre Kontrolle dann aber ab. Sie holten sich personelle Unterstützung beim eigenen Amt und riefen nochmals die Polizei. Der Angeklagte habe zwar gemeint, der Blitz habe die Tiere vor ein paar Tagen erschlagen. Doch das Veterinäramt glaubte ihm offenbar nicht. Gemeinsam mit THW und Feuerwehr wurde der Hof stundenlang bis in die Morgenstunden evakuiert.
97 Tiere kamen in einen Notstall. Die Kadaver wurden tags darauf von einem Laster abgeholt und zur Tierkörper-Beseitigungsanlage gebracht. Die rund hundert Tiere im Notstall, die in den ersten Stunden einfach nur sehr müde und erschöpft gewirkt hätten, erholten sich nach ein bis zwei Wochen, schilderte ein Vertreter des Veterinäramtes. Nach und nach konnten alle Tiere vermittelt und verkauft werden.
Prozess wird fortgesetzt
Weil die Verteidigung ein Gutachten zum psychischen Zustand des Angeklagten eingefordert hat, dauert die Verhandlung länger, als zunächst vorgesehen. Als Nächstes werden Tierärzte und Nachbarn im Zeugenstand erwartet. Der letzte Verhandlungstag ist für den 25. April geplant.
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