Im Februar 2023 erschütterte ein schweres Erdbeben den Südosten der Türkei, fast 60.000 Menschen haben damals ihr Leben verloren. Hierzulande ist das Erdbebenrisiko vergleichsweise gering, doch auch in Bayern bebt die Erde regelmäßig.
In den vergangenen Wochen konnte man in Südostbayern Erdbeben spüren - und sogar hören. Mehr als 40 kleinere Beben in Tirol in der Gegend von St. Johann und Waidring im österreichisch-bayerischen Grenzgebiet haben die österreichische Seismologen von "Geosphere Austria" seit Jahresbeginn gemessen, ebenso kleinere Beben zwischen Ehrwald und Imst. Verletzt wurde niemand. Auch größere Gebäudeschäden gab es nicht. Für Erdbebenforscher stellt die Serie eine ungewöhnliche Häufung dar, sagt Rita Meurers von Geosphere Austria. Um eine ähnliche Serie zu finden, müsse man einige Zeit in die Vergangenheit zurückgehen, nämlich bis ins Jahr 1921. Auch damals gab es mehrere Beben mit einer Magnitude von über 3 auf der Richterskala - wie bei der aktuellen Serie.
Erdbeben etwa ab Magnitude 2 spürbar
Erdbeben entstehen, wenn sich Spannungen entladen, die sich im Untergrund aufgebaut haben. Im Alpenraum und Mitteleuropa geschieht das durch das Drücken der Afrikanischen Platte auf die Eurasische Platte. Kann das Gestein dem Druck nicht mehr standhalten, bricht es. Dieser Bruch verursacht ein Erdbeben. Erdbeben mit der Magnitude 3 auf der Richterskala wie in den letzten Tagen und Wochen sind bereits spürbar, aber in der Regel nicht gefährlich, sagt Joachim Wassermann vom Geophysikalischen Observatorium der Ludwig-Maximilians-Universität in Fürstenfeldbruck.
Stärkere Erdbeben sind aber in Bayern äußerst selten. In der Gegend von Eichstätt erreichte vor mehr als 100 Jahren die Stärke eines Bebens fast die Magnitude 5 auf der Richterskala, eine absolute Ausnahme. Bei Bad Reichenhall gab es 2017 kleine Gebäudeschäden durch ein Beben, aber keine größere Gefahr.
Größere Beben zwischen Inntal und Fernpass
Anfällig für Erdbeben ist vor allem das Tiroler Inntal. Zwischen Innsbruck und dem Fernpass beobachtet man etwa alle 70 Jahre ein größeres Beben mit einer Stärke zwischen 4,6 und 4,8. Das letzte größere Beben dort hatte sein Epizentrum in der Gemeinde Namlos im Bezirk Reutte. Dass es diese Beben in einer gewissen Regelmäßigkeit hier gibt, hat Michael Krautblatter vom Lehrstuhl für Hangbewegungen der Technischen Universität München durch Bohrungen im Plansee herausgefunden. Jedes Mal sind dabei wegen der Felsstürze in der Umgebung viele Sedimente in den Plansee getragen worden.
Felsstürze in den Alpen, die in den Bergseen nachweisbar sind, geben also Aufschluss über das Erdbebengeschehen in den Alpen – und könnten in Zukunft die Prognose von Erdbeben erleichtern.
Vorhersage von Erdbeben bisher nicht möglich
Bisher kann man Erdbeben noch nicht voraussehen. Ob die aktuelle Serie in Tirol noch weitergeht, weiß auch Rita Meurers, Seismologin aus Wien von Geosphere Austria, nicht. Wichtig sind für die Arbeit der Seismologen Wahrnehmungsformulare aus der Bevölkerung. In den vergangenen Wochen haben die österreichischen Erdbebenforscher über 120 Rückmeldungen allein aus Bayern bekommen. Aus Schönau am Königssee, Ruhpolding, Schneizlreuth, Bayerisch Gmain, Bad Reichenhall, Reit im Winkl, Schleching, Oberwössen, Kiefersfelden und Kolbermoor haben Bürger geschrieben und ihre Beobachtungen geteilt: Manche haben ein Zittern wahrgenommen, andere einen lauten Knall. Geosphere Austria hat einen speziellen Fragebogen entworfen, den man im Internet ausfüllen kann.
"Wichtig ist die Angabe der Adresse, dass wir die Beobachtungen gut zuordnen können. Dann ist das Stockwerk wichtig, in dem man sich aufgehalten hat und ob sich Gegenstände bewegt haben oder ob es zu Schäden am Gebäude kam." Rita Meurers von Geosphere Austria
Die Wahrnehmungsberichte aus der Bevölkerung sind die Grundlage für die Abschätzung der Intensität von Erdbeben und - so die Seismologen - ein wichtiger Beitrag zur Entwicklung einer Erdbebengefährdungskarte.
Den Wahrnehmungsfragebogen findet man bei Geosphere Austria unter Bebenmeldung. Auch beim Erdbebendienst Bayern gibt es einen Fragebogen zum Ausfüllen unter Erdbeben in Bayern. Auch wenn für einen kurzen Moment das Geschirr klappert oder die Deckenleuchte pendelt - Angst vor großen Erdbeben wie in Japan oder der Türkei muss man hier in Bayern aber nicht haben.
Dieser Artikel ist erstmals am 03. Februar 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!