Der Anblick ist deprimierend, auch noch fünfzehn Monate danach. Ein Trümmerhaufen: verbeulte Eisenträger, verkokelte Holzbalken, verbogene Wellpappe. Das sind die Reste einer kleinen Kirche, die der aus Russland stammende Eremit Timofej Prochorow 1952 aus dem Bauschutt des nahegelegenen Olympiabergs errichtet hatte. Mit bloßen Händen, zusammen mit seiner Frau Natascha.
Kirche aus alten Holzresten mit Turm aus Öltonnen
"Damals war alles ziegelrot von zerstörten Ziegelsteinen und Ziegelstaub", erinnert sich der Münchner Alt-Oberbürgermeister Christian Ude. "Und es gab nur eine grüne Idylle: Das war der Garten von Väterchen Timofej." Als besonders liebenswert habe er die Kirche aus alten Holzresten und einem aus Öl-Tonnen zusammengesetzten Kirchturm empfunden, erzählt Ude weiter.
Als diese Kirche vor einem Jahr abbrannte, verschwand ein Stück Geschichte. Aber: Ein paar Glücksfälle, die man fast als magisch bezeichnen könnte, lassen nun hoffen, dass es mit dem Wiederaufbau schnell vorangeht.
Ost-West-Friedenskirche war brandversichert
Eine Doktorandin der Uni Bamberg hatte zwei Jahre vor dem Brand die Kirche digital vermessen. So stehen die Pläne kostenlos zur Verfügung, was viel Arbeit spart. Zudem hatte die Stadt München, nachdem sie den ursprünglichen Schwarzbau nachträglich genehmigt hatte, vor vielen Jahren eine Brandversicherung für die Kirche abgeschlossen - eine Anschubfinanzierung von mehreren zehntausend Euro.
Das Planungsreferat der Landeshauptstadt habe dann "in seiner menschenfreundlichen Einstellung" gesagt: "Was braucht ihr eine Genehmigung? Ihr habt sie doch schon", so Ude. "Und tatsächlich gilt die Genehmigung auch, wenn man den Bestand erhalten will."
Wie originalgetreu erfolgt der Wiederaufbau?
Stellt sich die Frage, wie originalgetreu die Ost-West-Friedenskirche wiederaufgebaut werden soll. Wie früher? Oder wäre das Augenwischerei, weil es eine Situation vorspiegelt, die es eigentlich nicht mehr gibt? Angelika Stahnke-Kiesmüller vom Verein Ost-West-Friedenskirche sagt, laut Genehmigungsplan solle sie wieder als Holzkirche aufgebaut werden, "wieder auf der alten Kubatur, also auf den alten Grundmauern, wieder mit dem traditionellen Blechdach, unverändert".
Sicherlich würden künftige Besucher sehen, dass es ein neuer Bau sei, weil die Mauern gerade sind und das Dach nicht so schief, sagt Stahnke-Kiesmüller. Sie glaubt, "in der Form kann das schlecht nachgebaut werden. Aber ansonsten soll es eigentlich wieder an das Original erinnern."
Väterchen Timofej war Russe – sein selbst eingesetzter Nachfolger ist Ukrainer
Fehlen noch die Spenden. Aber die, so ist Stahnke-Kiesmüller zuversichtlich, werden fließen. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen Frieden schmerzhaft vermisst wird. Väterchen Timofej war übrigens Russe. Sein von ihm selbst eingesetzter Nachfolger, Serge Kaiser, ist Ukrainer. Soviel Symbolik war selten. Schon Ende nächsten Jahres soll die Ost-West-Friedenskirche wieder aufgebaut sein.
#BR24Zeitreise: Olympia 72 – Väterchen Timofejs Kirche
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