Nahrungsergänzungsmittel sind "in aller Munde". Nach einer Umfrage aus dem Jahr 2023 (externer Link) unter 5.991 Befragten gaben mehr als 75 Prozent an, Nahrungsergänzungsmittel zu sich zu nehmen. Ziel ist eine Erhaltung oder Verbesserung der Gesundheit, doch mitunter können die Präparate für bestimmte Personen sogar schädlich sein.
Die Verbraucherzentrale Bayern warnt jetzt vor Präparaten, die die Heilpflanze Ashwagandha enthalten. Die Wurzeln und Blätter der Pflanze werden, meist zu Pulver zerrieben, in der traditionellen indischen Medizin gegen Angstzustände und Schlafstörungen (externer Link) eingesetzt. Hintergrund der Warnung vor Ashwagandha ist eine Meldung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR).
Ashwagandha kann Leber schädigen
Schon 2012 äußerte sich das BfR kritisch zu Ashwagandha-Präparaten. Damals wurde vor allem auf eine mögliche Beeinflussung der Schilddrüsenfunktion hingewiesen. Seit dem Jahr 2017 tauchten allerdings weltweit mehrere Berichte zu (teilweise schwerwiegenden) Nebenwirkungen auf, die möglicherweise mit der Einnahme von Ashwagandha-haltigen Präparaten in Zusammenhang stehen.
In klinischen Studien wurde von Übelkeit, Erbrechen und Durchfall berichtet, sowie von Benommenheit, Kopfschmerzen und Schwindel. Insbesondere Berichte zu Leberschäden, darunter auch Fälle von akutem Leberversagen (externer Link) veranlassten das BfR jetzt zu einer verschärften Risikobewertung (externer Link): Besonders bestimmte Personengruppen sollten auf Ashwagandha-Produkte besser verzichten.
Neue Ashwagandha-Risikogruppen
Nach den Einschätzungen des BfR zählen dazu vor allem Personen mit bestehenden oder früheren Erkrankungen der Leber. Es gibt auch Hinweise auf Wechselwirkungen von Ashwagandha-Präparaten mit anderen Medikamenten: Bei der gleichzeitigen Einnahme von Blutdrucksenkern, Medikamenten, die den Blutzuckerspiegel (Antidiabetika) oder das Immunsystem (Immunsuppressiva) regulieren, könnten sich veränderte Wirkungen oder unerwünschte Nebenwirkungen einstellen.
Auch Schwangere und Kinder sollten auf Ashwagandha-Produkte verzichten. Prof. Hans Hauner, Ernährungsmediziner an der TU München, stellt klar: "Die Hersteller müssen auf diese Risiken bei ihren Produkten nicht hinweisen, und deshalb tun sie das auch nicht."
Ab welcher Dosis wird Ashwagandha problematisch?
Laut BfR gibt es keine Dosis Ashwagandha, die als sicher angesehen werden kann. Das liegt vor allem daran, dass sich "die Art und die Gehalte der Inhaltsstoffe in einzelnen Nahrungsergänzungsmitteln stark unterscheiden", so das BfR. Bei den meisten Präparaten bleibe unklar, welche Pflanzenteile und welches Extraktionsverfahren verwendet wurden. Davon ist aber maßgeblich abhängig, wie stark die Konzentration der Ashwagandha-Wirkstoffe in einem Präparat ist.
Anja Schwengel-Exner von der Verbraucherzentrale Bayern weist außerdem darauf hin: Ashwagandha ist nicht nur in klassischen Supplements in Pillenform enthalten, sondern auch in Schlaftees oder Kräutermischungen. Grenzwerte gibt es bislang nicht: "Bei den Heilpflanzenauszügen oder Heilpflanzen, die im Produkt verwendet werden, gibt es gesetzlich keine definierten Mengen, welche Mengen enthalten sein dürfen."
Damit ist unvorhersehbar, welches Präparat welche biologische Wirkung auslöst und wie hoch die Wahrscheinlichkeit für Nebenwirkungen ist. Vielen, die pflanzliche Präparate wie Ashwagandha, Kurkuma oder Grüntee-Extrakt einnehmen, sei das nicht bewusst, meint Ernährungsmediziner Hauner. Aus wissenschaftlicher Sicht aber gebe es nur wenige qualitative Studien, die sich überhaupt mit den Wirkungen der pflanzlichen Extrakte befassten, "und darin wurden die negativen Effekte meist nicht untersucht."
Nahrungsergänzungsmittel dürfen gar nicht "heilen"
Für Hans Hauner klafft im Geschäft mit Pflanzenextrakten, Heilkräutern und Nahrungsergänzungsmitteln eine gefährliche Gesetzeslücke: Denn Nahrungsergänzungsmittel werden in der Europäischen Union als Lebensmittel eingestuft. Das bedeutet, dass sie – anders als Lebensmittelzusatzstoffe – keine Zulassung benötigen, um auf den Markt gebracht zu werden.
Ebenso gibt es keine Prüfung auf Wirkungen und Nebenwirkungen, wie bei Arzneimitteln. Werbeslogans, die eine "Heilung" versprechen, sind zwar durch die EU-Health-Claim-Verordnung (externer Link) verboten, aber mithilfe fantasievoller Formulierungen lassen sich diese Verbote umgehen. "Als Nahrungsergänzungsmittel dürfen Heilpflanzen eigentlich überhaupt keine Wirksamkeit entfalten, da es sich nicht um Arzneimittel handelt, sondern um Lebensmittel", fasst Anja Schwengel-Exner von der Verbraucherzentrale Bayern zusammen.
Sie rät deshalb, sich nur nach ärztlicher Untersuchung wirksame und sichere Supplemente bedarfsgerecht zum Beispiel zum Ausgleich von Vitamin-D- oder Eisenmangel von medizinischem Fachpersonal empfehlen zu lassen.
Dieser Artikel ist erstmals am 13.09.2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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