Ein Mann steht im Gerichtssaal und verdeckt seinen Kopf mit einer schwarzen Jacke.
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Er soll zwei Frauen mindestens 77-mal vergewaltigt haben. Dafür muss sich seit heute ein ehemaliger Security-Mitarbeiter verantworten.

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Vergewaltigung in Asylunterkunft? Hin und Her zum Prozessauftakt

Er soll zwei Bewohnerinnen einer Asylbewerberunterkunft mindestens 77-mal vergewaltigt haben: Dafür muss sich ein früherer Security-Mitarbeiter seit heute in Nürnberg verantworten. Der erste Prozesstag aber war von juristischem Hin und Her geprägt.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Mit einer schwarzen Jacke über dem Kopf hat der Angeklagte den Gerichtssaal betreten. So wollte er sich vor den aufgereihten Fotografen schützen. Justizvollzugsbeamte mussten ihn auf seinen Platz führen. Auch dort behielt er die schützende Jacke über dem Kopf – so lange, bis die Vorsitzende Richterin Platz genommen hatte und die Fotografen auf ihre Plätze verwies.

Angeklagter lauscht aufmerksam

Der Verlesung der Anklageschrift folgte der 54-Jährige aufmerksam. Immer wieder nickte er, immer wieder schüttelte den Kopf. Er soll eine Bewohnerin einer Nürnberger Asylbewerberunterkunft mindestens 72-mal in Büroräumen und einem Heizungsraum der Einrichtung, eine zweite mindestens fünfmal vergewaltigt haben. Auch eine dritte Frau soll er sexuell belästigt haben. Das alles habe sich im Zeitraum von 2018 bis 2022 abgespielt.

Die Staatsanwältin Franziska Reinsperger wirft ihm vor, seine Machtposition als Security-Mitarbeiter einer Asylbewerberunterkunft ausgenutzt zu haben. Seinen mutmaßlichen Opfern soll er gedroht haben, ihnen die Kinder vom Jugendamt wegnehmen zu lassen, sollten sie ihm nicht Folge leisten. Der Angeklagte, ganz in schwarz gekleidet und mit Fußfesseln an den Knöcheln, hörte weiter aufmerksam zu.

Verteidigung beantragt Verfahrensaussetzung

Wie üblich fragte die Vorsitzende Richterin Barbara Reim im Anschluss an die Verlesung der Anklageschrift die Verteidigung, ob sich der Angeklagte zu den Vorwürfen äußern möchte. Die Verteidigung verneinte dies vorerst und stellte dagegen den Antrag, das Verfahren auszusetzen und den Angeklagten, der seit Januar dieses Jahres in Untersuchungshaft sitzt, auf freien Fuß zu setzen.

Die Verteidigung warf der Justiz schwere Verfehlungen vor. So seien Zeugen nachträglich vernommen worden und die Vernehmungen zu spät für eine ausreichende Vorbereitung bei den Verteidigern eingegangen. Außerdem habe es sich bei den Dolmetschern, die die Vernehmungen begleiteten, nicht um allgemein vereidigte Dolmetscher gehandelt.

Staatsanwältin: "Verteidigung betreibt Verfahrensverzögerung"

Die Staatsanwältin wies die Vorwürfe der beiden Verteidiger deutlich zurück und nannte die Strategie "Verfahrensverzögerung". Die Verteidigung hätte ausreichend Zeit für ihre Vorbereitung gehabt. Es folgte eine hitzige Diskussion zwischen Verteidigern und Staatsanwältin.

Letztlich unterbrach die Vorsitzende Richterin lediglich für eine Beratungszeit das Verfahren. Als die Kammer zurückkam, lehnte sie die Anträge der Verteidigung ab. Sehr zum Unmut der beiden Verteidiger, die den Beschluss nicht akzeptieren wollten. Die Verfügung behindere das Recht des Angeklagten auf eine faire Verhandlung, beharrten die Verteidiger vehement, mit stark erhobener Stimme. Die Vorsitzende Richterin ließ keine weiteren Anträge zu, erst zum Ende des Verhandlungstages.

"Sensible Fragen": Fortsetzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Die Verteidiger mussten sich also fügen, auch wenn sie ankündigten, die Zeugin nicht entlassen zu wollen. Auf Antrag der Nebenklage wurde für die Vernehmung des mutmaßlichen Opfers die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Die eigentliche Verhandlung startete damit ohne Aussage des Angeklagten und mit einer Verzögerung von gut zweieinhalb Stunden – ohne Zuschauer.

Angeklagter klagte wegen Verleumdung

Wie die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth bereits bei Erhebung der Anklage Ende September dem BR auf Nachfrage bestätigte, hatte der Angeklagte vor seiner Festnahme selbst Anzeige wegen Verleumdung gegen eine der Frauen gestellt. Nach seinen eigenen Anschuldigungen ermittelte die Polizei, am Ende stand die Festnahme des mutmaßlichen Vergewaltigers.

Für den Prozess sind weitere acht Verhandlungstage bis Mitte Dezember geplant. Die Verhandlung soll am Montag, 30. Oktober fortgesetzt werden. Aufgrund der vielen Anträge und formaler Verfahrensbeanstandungen durch die Anwälte des Angeklagten ist aber wohl schon jetzt damit zu rechnen, dass die Verteidigung bei einem möglichen Schuldspruch in Revision geht.

Im Video: Prozessauftakt am Landgericht Nürnberg-Fürth

Verdeckte Person wird von der Polizei Begleitet.
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Am Landgericht Nürnberg-Fürth hat der Prozess gegen einen mutmaßlichen Vergewaltiger begonnen.

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