Über ein Jahr lang habe eine französische Tierschutzorganisation nach einem geeigneten Platz für zwei Stumpfkrokodile und einen Kaiman gesucht, nachdem sie die Tiere aus einer katastrophalen Haltung rettete. Nun wurden die drei Reptilien mit einem LKW von Frankreich nach Deutschland gefahren. Die Münchner Auffangstation für Reptilien habe sich bereit erklärt, die Tiere aufzunehmen, "nachdem in ganz Frankreich und in den Nachbarregionen nichts zu finden war", erklärt die Mitarbeiterin und Tierärztin Dr. Sandra Giltner.
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Doch als die Mitarbeiter der Auffangstation die drei Holzkisten öffneten, erlebten sie eine erste Überraschung: Die Tiere seien so gut wie nicht gesichert gewesen. "Die Schnauzen waren nicht zugetaped, sondern offen, normalerweise werden die für den Transport zugetaped." Weil die Tiere aber so geschwächt waren, habe keine Gefahr bestanden und die Mitarbeiter konnten die rund vierzig Kilogramm schweren Tiere mit bloßen Händen aus den Kisten heben.
Missgestaltete Gliedmaßen, kaum Licht, desaströse Wasserqualität
Apathisch und in einem gesundheitlich desolaten Zustand seien die Krokodile in München angekommen. "Zwei sind ok, aber der dritte ist echt ganz ganz schlecht beieinander", sagt Tierärztin Sandra Giltner. Die Münchner Tierschützer können nur ahnen, wie schlimm es bei den Besitzern in Frankreich gewesen sein muss.
Giltner geht davon aus, dass die Krokodile und der Kaiman rund zehn bis fünfzehn Jahre unter prekären Verhältnissen in einem Keller in Frankreich gehalten wurden. "Das ist wirklich herzzerreißend, wenn man überlegt, was die alles durchgemacht haben müssen." So soll es in dem Keller kaum Licht und nur wenig Platz gegeben haben, auch die Wasserqualität sei "unterirdisch" gewesen.
Ob alle drei Tiere wieder gesund werden, sei zum aktuellen Zeitpunkt nicht vorherzusehen. Eines der drei Tiere habe missgestaltete Gliedmaßen und könne nicht mehr richtig laufen. "Also da wissen wir wirklich nicht, ob er diese schreckliche Haltung, aus der er kommt, überleben wird. Das ist bei Reptilien oft das Problem, dass eine sehr lange Zeit vergeht, bevor man so dramatische Auswirkungen sieht."
Makaken, Schimpansen, Löwenbabys - Internethandel boomt
Ob nun legal erworben oder illegal importiert: Gerade bei Reptilien stießen die Käufer sehr schnell an ihre Grenzen, da die Haltung kompliziert und anspruchsvoll sei - allein schon deshalb, weil die Tiere wechselwarm sind, also keine konstante Körpertemperatur aufweisen. Oft würden die Tiere dann ausgesetzt und irgendwo gefunden. "Das alles macht aber auch die Weiter-Vermittlung sehr schwierig", beklagt Giltner. Manchmal würden die Tiere, die bis zu achtzig Jahre alt werden können, auch einfach ihre Halter überleben.
Das größte Problem ist Giltner zufolge allerdings der Internethandel, der seit rund 15 Jahren boomt. Es gäbe inzwischen frei zugängliche Webseiten, auf denen man sich Makaken, Schimpansen oder Löwenbabys kaufen könne. Dieser Trend nehme immer weiter zu. "Wir hatten vor ein paar Wochen einen Puma hier, der für 1.500 Euro ganz legal im Internet gekauft wurde", erzählt Giltner. Weil er nicht geimpft war, sei er dann illegal mit einem Kleinwagen nach Deutschland gefahren worden.
Rund 1.800 Tiere allein in Münchner Reptilien-Auffangstation
Laut deutschem Tierschutzbund verbieten nur 22 Staaten in Europa, darunter auch Deutschland, mit sogenannten Negativ-Listen die Haltung bestimmter Tierarten. In drei europäischen Ländern, nämlich Irland, der Schweiz und Luxemburg, gibt es gar keine Vorschriften. In ganz Europa sind laut Sandra Giltner unter anderem deshalb Auffangstationen für Reptilien, giftige oder Wildtiere überfüllt.
Allein in München kümmere man sich derzeit um rund 1.500 bis 1.800 Tiere, darunter auch exotische Fische und Spinnen. Die Zahl schwanke, weil ständig neue Tiere aufgenommen, aber immer wieder auch einige vermittelt würden. Am schwierigsten sei die Vermittlung von Land- und Wasserschildkröten, die zwar viel gekauft würden, die aber auch sehr alt werden und haltungsintensiv sind.
Krokodile werden aufgepäppelt und sollen vermittelt werden
Wie es mit den französischen Sorgenkindern weitergeht, sei derzeit nicht absehbar. In den kommenden Tagen versuche man sie am Leben zu halten und aufzupäppeln. Bluttests sollen Aufschluss über den Gesundheitszustand geben, außerdem werden die Tiere auf Parasiten untersucht und die Funktionstüchtigkeit der Organe gecheckt. Irgendwann, so die Hoffnung, könne man die Panzer-Echsen vielleicht an einen Zoo oder eine Privatperson vermitteln.
Im Moment gehen die Mitarbeiter der Reptilienauffangstation aber davon aus, dass die Tiere lange Zeit in München bleiben werden. Aber all das, Medikamente, Zeit und Platz, kostet Geld. Finanziert wird die Arbeit größtenteils über Spenden, nur einen geringen Anteil gebe es vom Freistaat. Für die Krokodile komme ein kleiner Zuschuss auch von französischen Behörden.
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