Darf der Freistaat Bayern verlangen, dass in allen Dienstgebäuden ein Kreuz aufgehängt werden muss? Seit dem 1. Juni 2018 gilt diese Verordnung, jetzt befasst sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit zwei Klagen dagegen. Ob es heute bereits eine Entscheidung gibt, ist offen. BR24 überträgt am Nachmittag live - zu Gast sind der Erdinger Oberbürgermeister Max Gotz und Theologe Klaus Unterburger.
Im April 2018 setzte Markus Söder seinen Kreuzerlass vermutlich als Erster selbst um: Er hängte im Eingangsbereich der Staatskanzlei eigenhändig ein Kreuz auf. Medienwirksam hielt er das Kreuz erst in die Kameras, dann hängte er es auf. Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg hatte im Anschluss nur Spott für Söder übrig: Er fühle sich an Vampirfilme erinnert, sagte der Grünen-Politiker beim Anblick der Bilder des damals neuen bayerischen Ministerpräsidenten.
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Der Kreuzerlass war eine der ersten Amtshandlungen von Markus Söder als Ministerpräsident im Frühjahr 2018. Er besagt, dass im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes "als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz anzubringen" sei. Söder argumentierte damals, das Kreuz sei ein Bekenntnis zur Identität, darin gebündelt würden Werte wie Toleranz, Nächstenliebe und Menschenwürde.
Opposition und Kirchen gegen Kreuzerlass - kein runder Tisch
Viele Oppositionspolitiker, aber auch Vertreter aus unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen hielten den Kreuzerlass für reinen Stimmenfang kurz vor der Landtagswahl. Deutschlandweit wurde über Söders Beschluss diskutiert. Grüne und Linke sahen darin populistisches und verfassungswidriges Handeln, FDP-Chef Christian Lindner sprach gar von einer "Profanierung des Kreuzes" durch Söder.
Selbst die Kirchen protestierten. Sie fühlten sich übergangen. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx sagte, Söder habe damit "Spaltung, Unruhe, Gegeneinander" ausgelöst. Wenn das Kreuz nur als kulturelles Symbol gesehen werde, habe man es nicht verstanden. Damit würde das Kreuz im Namen des Staates enteignet. Dem Staat stehe nicht zu, zu erklären, was das Kreuz bedeute. Vor so einem Schritt hätte er sich, so Marx, eine Debatte mit Kirchen und gesellschaftlichen Gruppen gewünscht. Zum aktuellen Stand der Diskussion wollte sich auf BR24-Anfrage aus dem Erzbistum München und Freising niemand mehr äußern.
Um die Diskussion zu entspannen, kündigte Söder damals einen runden Tisch an. Der fand bis heute aber nicht statt.
Klagen gegen den Kreuzerlass
Trotz der Kritik setzte Söder den Kreuzerlass per Kabinetts- und Landtagsbeschluss im April 2018 durch. Der Bund für Geistesfreiheit und mehrere Einzelpersonen, darunter Liedermacher Konstantin Wecker, klagten dagegen. Sie fordern, dass die Staatsregierung den Erlass zurücknimmt und die Kreuze entfernt werden.
Es sei nicht hinnehmbar, dass Nichtgläubigen und Andersgläubigen ein religiöses Symbol vor die Nase gehängt werde, in Behörden, die jeder mal aufsuchen müsse, kritisiert Assunta Tammelleo vom Bund für Geistesfreiheit. Für sie ist der Erlass eine "eklatante Verletzung des Neutralitätsprinzips".
Kurskorrektur durch die Staatsregierung
Schon zwei Jahre nach dem Kreuzerlass ruderte Söder etwas zurück. "Manches würde ich heute anders machen, gerade auch in der Form", sagte er. Man hätte mit den Kirchen ausführlicher reden müssen.
Aktuell ist der Kreuzerlass eine Verwaltungsvorschrift. Die sollte zunächst für alle staatlichen Gebäude gelten, also auch für Hochschulen, Archive, Museen und Theater. In einem zweiten Schritt wurden die Hochschulen und die Kulturstätten von der Vorschrift ausgenommen. Inzwischen wurde das Aufhängen des Kreuzes aber zur "Empfehlung" herabgestuft. Ob diese Empfehlung tatsächlich umgesetzt wird, kontrolliert allerdings niemand.
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