Die Kriminalpolizei Straubing ermittelt aktuell gegen vier Gefangene der örtlichen Justizvollzugsanstalt. Sie sollen einen Justizvollzugsbeamten angegriffen haben. Das bestätigten sowohl ein Sprecher der Regensburger Staatsanwaltschaft als auch ein Sprecher des Polizeipräsidiums Niederbayern dem BR.
Erst im Juli vor einem Jahr hatte ein Insasse der JVA Straubing einen Justizbeamten mit einem Messer angegriffen. Der Landesverband der Bayerischen Justizvollzugsbediensteten beklagt immer mehr Übergriffe.
"Leichtere" Stichverletzungen am Hals
Die Insassen sollen den Beamten bereits am Mittwoch vergangener Woche in der JVA Straubing überfallen haben. Wie der Leiter der JVA, Hans Amannsberger, dem BR sagte, sei der Bedienstete gerade auf dem Weg nach Hause gewesen, als die vier Gefangenen ihn auf einem Flur der Anstalt abgepasst, umringt und verletzt hätten.
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Nach Angaben des Polizeipräsidiums kam ein "Tatwerkzeug" zum Einsatz, das in "Richtung des Mitarbeiters" geführt wurde. Medienberichten zufolge handelt es sich um einen Schlüssel, mit dem die Häftlinge dem Beamten in den Hals gestochen haben sollen. Zu weiteren Einzelheiten wollten sich die Sprecher von Polizei und Staatsanwaltschaft zum aktuellen Zeitpunkt nicht äußern. Nach Angaben Amannsbergers erlitt der Attackierte "leichtere Verletzungen am Hals".
Beamter löst nach Angriff Alarm aus
Der Justizvollzugsbeamte soll sich zunächst gegen den Angriff gewehrt und dann an einem Sprechfunkgerät, das er bei sich hatte, Alarm ausgelöst haben. Daraufhin sollen ihm Kollegen zu Hilfe gekommen sein, so der Gefängnisleiter.
Der Vorfall habe sich in einer Abteilung des Hafthauses ereignet, in der Gefangene untergebracht seien, die durchaus als gefährlicher eingestuft würden, aber nicht so schwer, dass sie sich in Einzelhaft befänden, sagte Amannsberger im BR-Interview. Die vier Insassen verbüßen wegen unterschiedlicher Taten Haftstrafen im Straubinger Gefängnis.
Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Gefängnismeuterei
Nach dem Vorfall wurden die vier Angreifer in Einzelhaft genommen und im Anschluss in verschiedene Haftanstalten in Bayern verlegt, heißt es von der Justizvollzugsanstalt Straubing.
Warum der Justizvollzugsbeamte angegriffen worden war, ist noch unklar. Die Kripo Straubing ermittelt nun wegen gefährlicher Körperverletzung, Gefängnismeuterei und Bedrohung.
Zuerst hatte die Mediengruppe Bayern darüber berichtet.
Zahl der Übergriffe steigt
Der Landesverband der Bayerischen Justizvollzugsbediensteten spricht von einer steigenden Zahl von Übergriffen auf Bedienstete in Gefängnissen: "Wir stellen in den letzten Jahren vermehrt Tätlichkeiten gegen unsere Bediensteten fest", sagte der Verbandsvorsitzende Ralf Simon der Deutschen Presse-Agentur. Das liege auch an den immer schwieriger werdenden Gefangenen. "Es fallen vermehrt psychische Auffälligkeiten sowie Suchterkrankungen auf."
Das bayerische Justizministerium zählte im vergangenen Jahr in den Gefängnissen im Freistaat 54 Tätlichkeiten von Häftlingen gegen Bedienstete – so viele wie seit 2016 nicht mehr. Damals war die Zahl mit 65 Fällen ungewöhnlich hoch. 2013 wurden den Angaben zufolge beispielsweise nur 23 Fälle registriert.
Nach Ministeriumsangaben geht es dabei hauptsächlich um vorsätzliche Körperverletzung, Geiselnahmen und Freiheitsberaubungen.
Mangelnde Schulungen und fehlendes Personal
Simon schiebt die steigende Zahl auch auf coronabedingte Mängel in der Ausbildung der Justizvollzugsbeamten zurück: "Unsere Bediensteten werden schon in der Ausbildung, aber auch bei Fortbildungen für Konfliktsituationen geschult. Leider musste während der Coronapandemie auf Fortbildungen weitestgehend verzichtet werden."
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Der Hauptgrund ist für ihn aber ein nach Verbandsangaben eklatanter Personalmangel. "Unser größter Schwachpunkt ist die personelle Ausstattung", sagte Simon. "Wir kämpfen als Berufsverband seit Jahren für mehr Personal. Wir brauchen dies, um unsere immer weiter zunehmenden Aufgaben erfüllen zu können, aber auch, um durch Präsenz mehr Sicherheit für unsere Bediensteten zu erreichen."
Unterschiedliche Zählweise bei den Angriffen
Das Ministerium betont allerdings, die Sicherheitsvorkehrungen in bayerischen Gefängnissen seien in den vergangenen Jahren verstärkt worden – beispielsweise durch den Ausbau der Videoüberwachung und die Ausstattung mit sogenannte Personennotsignalanlagen. Außerdem werden die Beamten "in waffenloser Selbstverteidigung" geschult.
Simon betonte, dass die Zahl der Übergriffe, die das Ministerium zählt, nicht die gesamte Situation darstelle. "Aktuell werden nämlich nur tatsächlich vollendete Körperverletzungen statistisch erfasst. Dies spiegelt nicht die tatsächliche Gewalt in den Justizvollzugsanstalten wider", sagte er. "Es wäre dringend erforderlich, dass beispielsweise auch Androhung von Gewalt, Beleidigungen, Bedrohungen erfasst werden."
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