Max in einer virtuellen Therapiesitzung gegen seine Angststörung
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Max in einer virtuellen Therapiesitzung gegen seine Angststörung

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Virtuelle Therapie: Wie sich Max seiner größten Angst stellt

Virtuelle Therapie: Wie sich Max seiner größten Angst stellt

Irgendwann war die Panik allgegenwärtig, sie kam im Flugzeug, im Tunnel, im Aufzug. Die erste Psychotherapie musste Max abbrechen, die Angst war zu stark. Doch dann fand er Hilfe bei Ärztin Isabella Mehling und ihrer Virtual-Reality-Brille.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau - Der Süden am .

Die Turbulenzen sind heftig. Schon den zweiten Flug in Folge. Für Max, der noch nie gerne geflogen ist, sind sie zu stark. Er wird panisch, schwitzt und zittert: "Man denkt, dass Sterben schöner wäre, weil es nicht auszuhalten ist. Die Panik geht einfach nicht weg." In diesem Moment wird Max klar, dass er Hilfe braucht.

Zumal sich die Ängste über immer mehr Lebensbereiche legen: Er bekommt Panik, wenn er im Aufzug steht, im Zug sitzt oder mit dem Auto durch einen Tunnel fährt. Überall dort, wo er nicht mehr aussteigen kann, keine Kontrolle mehr hat. Eine erste Psychotherapie bricht er ab, weil er die reale Konfrontation mit den angstauslösenden Momenten nicht erträgt. Schließlich wendet er sich an die psychiatrische Abteilung der Augsburger Uniklinik, angesiedelt im Augsburger Bezirkskrankenhaus.

Mit den Händen wird durch den Albtraum navigiert

Dort sitzt er nun vor Psychotherapeutin Isabella Mehling. Auf dem Kopf eine VR-Brille, also eine Brille, mit der er in eine dreidimensionale, virtuelle Realität eintauchen kann. Als erste psychiatrische Uniklinik Bayerns nutzt Mehlings Team die Technik, um Patienten wie Max schrittweise mit ihren Ängsten zu konfrontieren. So heißt es von der Klinik.

Während Max mit zwei Controllern in den Händen durch einen Hausflur läuft, konfiguriert die Ärztin den Aufzug, in den er gleich virtuell steigt. Sie wählt eine mittlere Größe. Der Boden ist schmutzig. "Es ist okay", sagt Max, als er den Aufzug virtuell betritt. Sich der Angst stellen, sie auszuhalten und letztlich zu kontrollieren. Das ist das Ziel.

Die Therapie-Vorteile der 3D-Brille

Die Ärztin kann die Umgebung für ihre Patienten maßschneidern. Für Max macht sie nun den Aufzug enger. Und dann bleibt er auch noch während der Fahrt stecken. Ein Rotlicht blinkt. Max schwitzt und wirkt erstarrt. Er könne den Notknopf drücken, schlägt Mehling vor. Nun klingelt es im Behandlungszimmer. "Sie stehen jetzt. Das ist nah am Fluchtmodus, sie könnten sich auch hinsetzen", regt die Ärztin an.

Die Konfrontationstherapie bringe sehr viel, sagt die Medizinerin, werde aber zu selten angewendet, weil sie sehr aufwändig sei. Anders die 3D-Brille. Die Behandlung kann in der Praxis stattfinden. Und die Parameter können mit einem Mausklick geändert werden: Der Aufzug wird größer oder kleiner. Oder er fährt so lange, bis sich das Angstniveau auf dem erwünschten Maß eingependelt hat. "In der Real-Situation ist es oft so, dass Patienten sich erst beim Aussteigen entspannen. Aber genau das wollen wir nicht. Wir wollen, dass die Patienten lernen, sich in der angstauslösenden Situation zu entspannen", erklärt Mehling.

Auch bei Sucht wird die Brille eingesetzt

Max sitzt inzwischen auf dem Praxisboden, beziehungsweise im Aufzug. Die Psychologin leitet ihn an, erfragt immer wieder sein Angst-Niveau. Zusammen schaffen sie es, dass die Panik ausbleibt. Max erlebt virtuell, wie er selbst in einem engen und steckengebliebenen Aufzug die Ruhe behält. Nach einer Dreiviertelstunde ist die Therapiesitzung zu Ende.

Das Team um Isabella Mehling erprobt den Einsatz der 3D-Brille inzwischen auch bei anderen psychiatrischen Erkrankungen. Sucht-Patienten stellen sich zum Beispiel virtuell den suchtauslösenden Substanzen. Sie lernen Strategien, um an einem Supermarkt-Regal voller Alkohol nicht zuzugreifen.

Die 3D-Brille kann die Konfrontation mit der Angst in der Realität nicht ersetzen. Aber sie kann sie zielgerichtet vorbereiten. Oder überhaupt erst möglich machen. So wie bei Max.

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