Oskar hat ein Problem. Beziehungsweise sein Frauchen Daniela Kirschstein. Ihr vierjähriger Rüde, ein Mix aus Australian Shepherd und Labrador, reagiert gereizt auf Radfahrer. "Vor allem, wenn sie an der Ampel losfahren, versucht er sie zu stoppen", sagt die Hundehalterin. Für Isabel Boergen keine Überraschung: Hütehunde wie Oskar, sagt die Münchner Hunde-Trainerin, schlagen bei plötzlichen "Fluchtbewegungen" eben alarmierend an. In der Großstadt wird das schnell und potentiell häufig zum Problem.
Deshalb haben Oskar, sein Frauchen und die Hunde-Trainerin auch zusammengefunden: Daniela Kirschstein rüstet sich bei Isabel Boergen für einen Hundeführerschein. Das ist erstmal ein mindestens zwölfstündiger Theoriekurs mit Multiple-Choice-Prüfung am Ende, der zu einem so genannten Sachkundenachweis führt.
Tierärtzekammer: "Wissen schützt vor Bissen"
Empfehlenswert ist das auch schon vor der Anschaffung des Vierbeiners der Wahl, sagt Nadine Trinkies, Ansprechpartnerin für den Hundeführerschein bei der Bayerischen Landestierärztekammer. "Es werden halt immer mehr Hunde und es gab eben auch durch Corona viele Hunde, die vielleicht ein bisschen übereilt angeschafft wurden, ohne sich wirklich vorher damit beschäftigt zu haben", sagt die Tierärztin. Umso mehr wirbt die Landestierärztekammer für einen solchen Hundeführerschein – frei nach dem Motto: "Wissen schützt vor Bissen."
Anders als zum Beispiel in Niedersachsen ist ein Hundeführerschein in Bayern eine freiwillige Angelegenheit. Doch bayerische Kommunen unterstützen die Wissensvermittlung, die der Theoriekurs bis zum Sachkundenachweis Hundehaltern bringt, wenn sie mit ihrem Wauzi dann noch einen Praxiskurs absolvieren: Mit dem amtlichen Nachweis von Theorie- und Praxisschulung können Hundehalter für ein Jahr von der Hundesteuer befreit werden.
München: 440 Hundeanmeldungen bei rund zehn Hundeführerscheinen
Für Daniela Kirschstein ist das allenfalls ein Zuckerl: In München beläuft sich die Hundesteuer für ein Jahr auf 100 Euro. Ihre Ausgaben für Theorie- und Praxisübungen inklusive Prüfungsgebühren für den Hundeführerschein liegen bei mehr als dem Dreifachen. "Aber mir geht es ja vor allem darum, dass ich lerne, wie ich mit Oskar entspannt spazieren gehen kann, ohne dass Fußgänger in ihm eine Gefahr sehen."
Und so melden sich bei der Landeshauptstadt monatlich rund zehn Hundehalter, die einen Antrag auf Hundesteuer stellen – mit Verweis auf einen vorliegenden Hundeführerschein. Dem stehen in München rund 440 neue Hundeanmeldungen im Monat gegenüber.
Nadine Trinkies beobachtet trotzdem eine erhöhte Nachfrage nach dem Hundeführerschein – zumindest, was den Theorie-Teil bis zum Sachkundenachweis angeht. "Aber leider machen viele dann nicht auch noch den Praxiskurs, was natürlich schade ist, weil's da ja um den direkten Umgang mit dem Hund in Alltagssituationen geht – und nicht nur auf dem Hundeplatz", sagt Trinkies. Das Training im Alltag und nicht auf dem Hundeplatz sei durchaus auch ein Spezifikum des praktischen Hundeführerschein-Teils und eben auch ratsam, weil Hunde "ortsgeprägt" lernten. "Sobald man aus der Tür geht vom Hundeplatz, ist alles vergessen – oft auch beim Menschen", sagt Trinkies.
Befreiung nur für ein Jahr - Stadt München braucht Hundesteuer
Und so habe sich der Hundeführerschein in Theorie und Praxis eben bewährt, sagt auch Hunde-Trainerin Isabel Boergen. "Und ich bin einfach ein großer Freund – nicht nur im Hunde-Training – vom Belohnungs-Prinzip, sondern auch tatsächlich beim Menschen, weil ich glaube, wenn man da einen größeren Anreiz schaffen würde, wären viel, viel mehr Menschen bereit, den Hundeführerschein zu machen und dann hätten wir einfach weniger Probleme."
Gefragt, warum Hundeführerschein-Träger nicht mehr als nur ein Jahr von der Hundesteuer befreit werden, begründet das die Münchner Stadtkämmerei folgendermaßen: "Eine Befreiung für mehrere Jahre würde sich negativ auf das Steueraufkommen der Landeshauptstadt München niederschlagen, was in der aktuellen Haushaltssituation aus Sicht der Stadtkämmerei nicht zielführend wäre."
Oskars Frauchen Daniela Kirschstein gibt sich einstweilen gelassen: "Ein Hund anzuschaffen mitsamt der laufenden Kosten ist sowieso teuer." Sagt's und lobt ihren Oskar dafür, dass er beim Training mit Isabel Boergen so schön pariert. Und der Gewinn lässt sich vermutlich sowieso nicht mit Geld gegenrechnen!
Hundeführerschein in Bayern noch nicht Pflicht
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!