Es ist ein friedlicher Nachmittag im April 2024 in Dinkelscherben im schwäbischen Landkreis Augsburg. In einem Hinterhof picken Hühner arglos ihre Körner. Doch auf einmal springen schwarze Labradore in das Gehege und machen Jagd auf die Hennen. Sie jagen wie schwarze Panther durch das Gehege, verletzen und töten gut 20 Hühner. Diesen Vorfall hat eine Überwachungskamera aufgezeichnet.
Blutiger Angriff beim Gassigehen
Die "Problemhunde" aus Dinkelscherben attackieren nicht nur Tiere, auch Sonja Haugh aus dem Nachbarort wird angegriffen. Beim Spazierengehen mit ihrer Mischlingshündin seien die Labradore um ihre "Nike" gekreist, hätten nach der Hündin geschnappt und ihr schwere Fleischwunden zugefügt.
"Ich habe sie hochgehoben und da hat mich der Labrador dann in die Nase gebissen", erinnert sich Haugh. Erst nachdem sie um Hilfe gerufen habe, sei der Labradorbesitzer an den Unfallort gekommen.
Hundebesitzer uneinsichtig
Der Hundebesitzer aus Dinkelscherben bezahlte Schmerzensgeld und kam für die Tierarztkosten in Höhe von über 1.000 Euro auf. Dem BR erklärte der Mann, die Hunde seien immer wieder ausgebrochen, da sie von Schulkindern der angrenzenden Schule mit Pausenbroten angelockt worden seien.
Wegen privater Probleme habe er sich nicht um alles kümmern können. Die Hunde, die jetzt in einem Tierheim untergebracht sind, wolle er aber wieder zurück.
Im Video: Sture Besitzer und machtlose Behörden - Hunde außer Kontrolle
Dinkelscherbener Hunde sind kein Einzelfall
Im Veterinäramt des Landkreises Aichach-Friedberg hat sich Leiter Herbert Pfaffenrath über zwei Jahre lang mit einem anderen Fall beschäftigt. 35 Herdenschutzhunde auf einem Aussiedlerhof bei Aichach waren immer wieder ausgebrochen, hatten Radler verfolgt und sogar ein Pony auf dem eigenen Hof schwer verletzt. Doch die Besitzer unternahmen nichts, um die Hunde abzugrenzen.
Als die Behörden eingreifen wollten, wurden sie nicht einmal mehr auf das Gelände gelassen. Und ohne einen Gerichtsbeschluss dürfen die Amtsveterinäre das Grundstück nicht betreten.
Behörden sind die Hände gebunden
"Das Wohnungseigentum ist sehr geschützt, vom Grundrecht her", erklärt Herbert Pfaffenrath. "Da können wir nicht ohne Weiteres rein. Bei Nutztieren haben wir ein Betretungsrecht, bei Haustieren nur in einem begründeten Fall, wenn Gefahr im Verzug ist."
Auch die Zuständigkeiten wechseln je nach Fall: Werden zum Beispiel Hunde zu wenig gefüttert oder gepflegt, ist das Veterinäramt zuständig; streunen sie herum oder beißen sie gar, ist es ein Fall fürs Ordnungsamt. Die Abstimmung kostet Zeit. Erst nach knapp zwei Jahren konnten die 35 Hunde nach einem richterlichen Beschluss beschlagnahmt und ins Tierheim gebracht werden.
"Problemhunde" oder "Problemhalter"?
Oft sind nicht nur die scheinbar unkontrollierbaren Hunde das Problem. Gerade bei Hobbyzüchtern, die auf Geld aus sind, sieht Gerd Schmidt ein Problem: "Es wird so viel produziert und verkauft wie möglich, auch an Personen, die eigentlich für diese bestimmten Hunde völlig ungeeignet wären. Da gehören zum Beispiel die Herdenschutztiere dazu."
Aus der Politik gibt es verschiedene Vorschläge, um Behörden zu entlasten. Hier ist die Rede von mehr Geld für Tierheime und -vereine oder einen Sachkundenachweis für Hundebesitzer. Dieser solle für Erst-Hunde-Besitzer gelten und Kenntnisse über Haltung und Erziehung nachweisen. Ebenso sind unabhängige Tierschutzbeauftragte im Gespräch.
Besonders in kleinen Kommunen sind juristisch schwierige Auseinandersetzungen nicht einfach zu bewerkstelligen. Einen Tierschutzbeauftragten für Bayern, die Kommunen in Rechtsfragen beraten und auch auf Regierungsebene angesiedelt sei, fände Aichachs Bürgermeister Klaus Habermann (SPD) hilfreich. Im Zweifel helfe auch der Bayerische Gemeindetag weiter. Aber auch Habermann selbst bietet anderen Kommunen seine Hilfe an: "Natürlich sind auch wir als Kommune, die so etwas schonmal durchgefochten hat, jederzeit bereit, Informationen weiterzugeben."
Zum Nachhören: Wer ist das Problem – Hund oder Halter?
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